OGH 4Ob39/75

OGH4Ob39/7523.9.1975

SZ 48/94

Normen

Arbeitsgerichtsgesetz §1 Abs2
EO §307
Arbeitsgerichtsgesetz §1 Abs2
EO §307

 

Spruch:

Die Hinterlegungsklage des Überweisungsgläubigers nach § 307 EO ist beim ArbG anhängig zu machen, wenn die gepfändete und überwiesene Forderung einem Arbeitsverhältnis entspringt

OGH 23. September 1975, 4 Ob 39/75 (KG St. Pölten 7 Cg 3/75; ArbG Amstetten Cr 2/75)

Text

Mit Beschluß des BG Waidhofen a. d. Ybbs als Exekutionsgericht vom 3. September 1974, E 1487/74-1, wurde der betreibenden Partei Hans B Ges. m. b. H. gegen Karl P als Verpflichteten zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 2063.80 S samt Anhang die Exekution durch Pfändung der dem Verpflichteten als Dienstnehmer (Arbeiter) gegen den Drittschuldner Friedrich W angeblich zustehenden Bezüge sowie deren Überweisung zur Einziehung bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung, unbeschadet etwa früher erworbener Rechte dritter Personen, mit den sich aus dem Lohnpfändungsgesetz ergebenden Beschränkungen bewilligt; dem Drittschuldner wurde aufgetragen, sich binnen 14 Tagen gemäß § 301 EO zu äußern. Dieser Beschluß wurde allen Beteiligten am 4. September 1974 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 9. September 1974 sandte der Drittschuldner die Exekutionsbewilligung samt dem unausgefüllten E-Form 281 mit der Bemerkung zurück, daß das Gehalt des Verpflichteten zur Gänze an die Raiffeisenkasse Waidhofen a. d. Ybbs zediert worden sei.

Die hievon verständigte betreibende Partei stellte hierauf am 7. Oktober 1974 gemäß § 307 Abs. 1 EO den Antrag, dem Drittschuldner die Hinterlegung der gepfändeten Forderung (pfändbarer Teil der Gehaltsansprüche des Verpflichteten) beim Exekutionsgericht aufzutragen. Nachdem zu der über dieses Begehren anberaumten Tagsatzung vom 25. Oktober 1974 trotz ausgewiesener Ladung weder die Parteien noch der Drittschuldner erschienen waren, trug das BG Waidhofen a. d. Ybbs mit Beschluß vom selben Tag dem Drittschuldner auf, "den der betreibenden Partei zur Einziehung überwiesenen pfändbaren Teil der Gehaltsansprüche des Verpflichteten, welcher auch noch von der Raiffeisenkasse Waidhofen a. d. Ybbs in Anspruch genommen wird, nach Fälligkeit zugunsten aller dieser Personen auf das Konto des Gerichtes einzuzahlen bzw. zu erlegen". Auch dieser Beschluß ist rechtskräftig geworden; der Drittschuldner teilte aber dem Exekutionsgericht am 31. Oktober 1974 neuerlich mit, daß er keine Zahlungen für den Verpflichteten leisten könne, weil dessen ganzes Gehalt an die Raiffeisenkasse Waidhofen a. d. Ybbs abgetreten sei.

Die betreibende Partei überreichte nunmehr am 13. Jänner 1975 beim Arbeitsgericht Amstetten die vorliegende Klage gegen den Drittschuldner Fritz W, in welcher sie nach einer Schilderung des Ablaufes des Gehaltsexekutionsverfahrens mit der Behauptung, der Beklagte habe entgegen den ihm vom Exekutionsgericht erteilten Aufträgen die gepfändeten Beträge weder einbehalten noch bei Gericht erlegt, die Verurteilung des Beklagten begehrt, die vollstreckbare Forderung samt Zinsen und Kosten im Gesamtbetrag von 3744.71 S samt Anhang "zugunsten der Forderung der Klägerin und der Raiffeisenkasse Waidhofen a. d. Ybbs auf das Konto des Bezirksgerichtes Waidhofen a.

d. Ybbs einzuzahlen bzw. beim Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs zu erlegen". Gleichzeitig verkundete die Klägerin gemäß § 310 Abs. 1 EO dem Verpflichteten Karl B den Streit und forderte ihn auf, ihr in diesem Prozeß Vertretung zu leisten.

Demgegenüber brachte der Beklagte abermals vor, daß der Verpflichtete im Jahr 1973 seinen Lohn zur Sicherung eines Kredites an die Raiffeisenkasse Waidhofen a. d. Ybbs abgetreten habe. Dieser Kredit sei noch nicht zur Gänze zurückgezahlt; der Beklagte habe seit 21. August 1973 die gesamten Bezüge des Verpflichteten der genannten Raiffeisenkasse überwiesen. Der Klägerin gingen im Rang noch eine Reihe weiterer betreibender Gläubiger vor, welche 1973 und 1974 gleichfalls die Dienstbezüge des Verpflichteten gepfändet und überwiesen erhalten, im Hinblick auf die vorausgegangene Abtretung aber gleichfalls noch nichts bekommen hätten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Verpflichtung des Drittschuldners zum Gerichtserlag sei bereits vom Exekutionsgericht rechtskräftig ausgesprochen; ihre Nichtbefolgung mache den Dienstgeber schadenersatzpflichtig. Für eine besondere Klage auf Hinterlegung fehle es daher an einem Rechtsschutzbedürfnis des Überweisungsgläubigers.

Aus Anlaß der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren vor dem Erstgericht einschließlich der Klagezustellung von Amts wegen als nichtig auf und wies die Klage "wegen sachlicher Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte und sachlicher Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte" zurück. Komme der Drittschuldner einem Hinterlegungsauftrag des Exekutionsgerichtes gemäß § 307 Abs. 1 EO nicht nach, dann müsse er vom Überweisungsgläubiger auf gerichtlichen Erlag zugunsten aller Personen geklagt werden, von denen die überwiesene Forderung in Anspruch genommen werde; diese Klage diene vor allem dazu, den unvollständigen Hinterlegungsauftrag des Exekutionsgerichtes vollstreckbar zu machen. Die beim Exekutionsgericht zu erlegenden Beträge seien von diesem Gericht zu verteilen, wenn unbestritten oder durch Urteil festgestellt sei, daß die überwiesene Forderung dem Verpflichteten zustehe. Ebenso wie zur Entscheidung in einem derartigen Prätendentenstreit gemäß § 17 Abs. 2 EO das Exekutionsgericht zuständig sei, müsse dessen individuelle Zuständigkeit auch für die auf § 307 Abs. 1 EO gestützte Erlagsklage gegen den Drittschuldner bejaht werden, weil ohne den in einem solchen Rechtsstreit erlangten Titel der zur Fortsetzung des Exekutionsverfahrens erforderliche Erlag der überwiesenen Forderung beim Exekutionsgericht nicht erreicht werden könne. Da in erster Instanz ein Arbeitsgericht und damit ein Gericht erkannt habe, das gemäß § 104 Abs. 2 JN, § 1 Abs. 4 ArbGG auch nicht durch ausdrückliche Parteienvereinbarung für diese Rechtssache zuständig gemacht werden konnte, leide das Urteil und das gesamte vorangegangene Verfahren an einer unheilbaren Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs. 1 Z. 3 ZPO.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rekurse sind gemäß § 519 Z. 2 ZPO zulässig; dabei kann auch dem Beklagten, welcher in erster Instanz eine Sachentscheidung zu seinen Gunsten erwirkt hatte, das Rechtsmittelinteresse nicht abgesprochen werden, ist doch auch er durch die Beseitigung dieses Urteils und dessen Ersetzung durch eine Formalentscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt (SZ 8/97; Arb. 8911; JBl. 1951, 574 u. v. a., zuletzt etwa 4 Ob 46/74, 4 Ob 59/74; ebenso Fasching IV, 379 vor §§ 514 ff. ZPO Anm. 10).

Die Rekurse sind aber auch berechtigt.

Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß ein auf Begehren eines Überweisungsgläubigers vom Exekutionsgericht gemäß § 307 Abs. 1 EO erlassener Erlagsauftrag keinen Exekutionstitel gegenüber dem Drittschuldner bildet; kommt der Drittschuldner dieser Anordnung des Gerichtes nicht nach, dann kann er - unbeschadet seiner durch die Nichtbefolgung des Auftrages begrundeten Schadenersatzpflicht - nur durch eine förmliche Klage zur Hinterlegung gezwungen werden (GlUNF 1972 = ZBl. 1902, 746; Nowak NF, 1461; SZ7/48; RZ 1935, 123; Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblau, Komm. z. EO[4] III, 2201; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht, 231; ebenso die Fragenbeantwortung JMVBl. 1897/44 zu § 307 EO, Punkt 1, abgedruckt in MGA EO[10], 1322 f. bei § 307). In diesem Rechtsstreit hat sich das Gericht allerdings entgegen der im Ersturteil und nunmehr auch im Rekurs des Beklagten vertretenen Auffassung nicht auf eine nochmalige Prüfung der allgemeinen Erlagsvoraussetzungen des § 307 Abs. 1 EO - Antrag eines Überweisungsgläubigers, Vorhandensein einer Mehrheit von Erlagsgegnern - zu beschränken; da der Drittschuldner den Betrag der Forderung nur "nach Maßgabe ihrer Fälligkeit" zu erlegen braucht, seine Verpflichtung zum Erlag also durch den Rechtsbestand und die Fälligkeit der Forderung des Verpflichteten bedingt ist, kann das auf Gerichtserlag lautende Urteilsbegehren anders als beim bloßen Erlagsauftrag nach § 307 Abs. 1 EO - nur dann Erfolg haben, wenn die gepfändete und überwiesene Forderung zu Recht besteht, fällig ist und tatsächlich dem Verpflichteten und nicht etwa einem anderen Forderungsprätendenten zusteht (GlUNF 1972 = ZBl. 1902, 746; Heller - Berger - Stix, 2200; vgl. auch Holzhammer, 231). Der Hinterlegungsklage mangelt daher keinesfalls das erforderliche Rechtsschutzinteresse, ist sie doch ihrem Wesen nach nichts anderes als eine - auch ohne vorangegangenes Erlagsverfahren nach § 307 Abs. 1 EO zulässige (SZ 7/48; Heller - Berger - Stix, 2201) - Drittschuldnerklage nach § 308 Abs. 1 EO, deren Begehren hier allerdings nicht, wie sonst, auf Zahlung, sondern auf Gerichtserlag lautet (vgl. SZ 19/80).

Damit erweist sich aber die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die "auf § 307 Abs. 1 EO gestützte Erlagsklage gegen den Drittschuldner den Klagen nach § 17 Abs. 2 EO gleichgestellt werden" müsse, als verfehlt: Drittschuldnerklagen gemäß § 308 Abs. 1 EO sind nach einhelliger Lehre (Heller - Berger - Stix I, 305; III, 2216) und Rechtsprechung (SZ 15/35 = RZ 1933, 145 u. a.) keine sich "im Lauf und aus Anlaß eines Exekutionsverfahrens" ergebenden Streitigkeiten im Sinne des § 17 Abs. 2 EO; für sie gelten schon deshalb die allgemeinen Zuständigkeitsbestimmungen, weil die Entscheidung in einem solchen Rechtsstreit für das Exekutionsverfahren in keiner Weise präjudiziell ist (Heller - Berger - Stix I, 304), der Überweisungsgläubiger vielmehr nur Rechte des Verpflichteten geltend macht, zu deren Ausübung er kraft des gerichtlichen Überweisungsbeschlusses befugt ist. Entspringt aber die gepfändete und überwiesene Forderung einem Arbeitsverhältnis, dann fällt die gegen den Dienstgeber als Drittschuldner gerichtete Klage des Überweisungsgläubigers gemäß § 1 Abs. 2 ArbGG in die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes (SZ 25/281; Arb. 6451; SozM IV, A 238 u. v. a.; ebenso Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren, 99 f.; Heller - Berger - Stix, 2217). Daß dieser Grundsatz auch dann uneingeschränkt gelten muß, wenn die gegen den Dienstgeber des Verpflichteten erhobene Drittschuldnerklage nicht auf Zahlung, sondern - wie hier - auf gerichtlichen Erlag der überwiesenen Forderung lautet, ergibt sich schon daraus, daß, wie bereits oben dargetan, der Prozeßerfolg auch in diesem Fall vor allem davon abhängt, ob und in welchem Ausmaß die gepfändete und zur Einziehung überwiesene Lohnforderung des Verpflichteten gegen den Drittschuldner zu Recht besteht und fällig ist, das Prozeßgericht also auch hier primär arbeitsgerichtliche Fragen zu beurteilen hat.

Für den gegenteiligen Standpunkt des Berufungsgerichtes ist auch mit dem Hinweis darauf nichts zu gewinnen, daß nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung (s. dazu Heller - Berger - Stix III, 2204 mit weiteren Hinweisen; ferner EvBl. 1975/109) ein nach § 307 EO beim Exekutionsgericht erlegter Betrag von diesem Gericht in sinngemäßer Anwendung der §§ 285 - 287 EO zu verteilen ist, wobei ein allenfalls für diese Verteilung präjudizieller Rechtsstreit über die Frage, ob die gepfändete Forderung dem Verpflichteten oder aber ganz oder teilweise einer anderen Person zusteht, nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (EvBl. 1975/109; früher gegenteilig ZBl. 1927/162; JBl. 1936, 59) gemäß § 17 Abs. 2 EO vor dem Exekutionsgericht auszutragen ist. Während aber die Entscheidung in einem solchen Prätendentenstreit tatsächlich eine notwendige Voraussetzung für den Fortgang des Verteilungsverfahrens vor dem Exekutionsgericht schafft das Gericht darf ja den erlegten Betrag erst dann verteilen, wenn unbestritten oder durch Urteil festgestellt ist, daß die überwiesene Forderung dem Verpflichteten zustand (EvBl. 1975/109; Heller - Berger - Stix III, 2204 f.) -, liegen die Dinge bei einer gegen den Drittschuldner gerichteten Hinterlegungsklage, wie sie hier erhoben wurde, doch insofern anders, als der zu verteilende Gerichtserlag hier erst durch einen Erfolg dieser Klage geschaffen werden soll, im Zeitpunkt ihrer Einbringung also noch gar nicht feststeht, ob es überhaupt zu einem Verteilungsverfahren analog §§ 285 EO kommen wird. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann daher eine auf Gerichtserlag gerichtete Drittschuldnerklage nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht den in § 17 Abs. 2 EO genannten Rechtsstreitigkeiten zugezählt werden.

Die angeführten Erwägungen führen zu dem Ergebnis, daß der vorliegende Rechtsstreit von der Klägerin zu Recht beim Arbeitsgericht Amstetten anhängig gemacht geworden ist. Der angefochtene Beschluß erweist sich damit als rechtlich verfehlt, weshalb er in Stattgebung der beiden Rekurse aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin aufzutragen war.

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