OGH 4Ob530/75

OGH4Ob530/7510.6.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* & Co OHG, *, vertreten durch Dr. Hans Maxwald, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei H*, Handelsvertreter und Kaufmann in *, vertreten durch Dr. Hubert Schauer, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 40.000,-- samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12. Dezember 1974, GZ. 4 R 151/74‑25, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20. August 1974, GZ. 9 Cg 780/72-15, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00530.75.0610.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Untergerichte werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Nach ihren eigenen Behauptungen betreibt die Klägerin in L* ein Unternehmen, das sich unter anderem mit dem Verkauf von Musikautomaten und Spielgeräten befaßt. Der Beklagte habe für die Klägerin Aufträge der A* aus H* vermittelt, wobei es sich um die Auslieferung eines Programms für Musik- und Spielautomaten gehandelt habe; der Gesamtkaufpreis von S 400.000,-- sollte von A* N* in 41 Monatsraten abgedeckt werden. In diesem Zusammenhang habe der Beklagte der Käuferin ratendeckende Einspielergebnisse zugesagt, diese Zusage aber der Klägerin verschwiegen und dadurch nicht nur A* N*, sondern auch die Klägerin in Irrtum geführt. Da die erwähnte Einspielgarantie nicht gehalten werden konnte, habe die Klägerin schließlich dem Begehren A* N* auf Aufhebung des Vertrages zustimmen müssen. Die Klägerin sei daher berechtigt, vom Beklagten die Rückerstattung der bereits ausgezahlten Provision von S 40.000,-- samt Anhang zu verlangen.

Demgegenüber behauptet der Beklagte, daß ihm N* L* namens der Klägerin die Genehmigung erteilt habe, der Kundin die von dieser gewünschte Einspielgarantie zu geben. Die Klägerin hätte dem Stornierungsbegehren A* N* nicht stattzugeben brauchen, weil nach dem Inhalt der Vertragsbedingungen Änderungen und Zusätze nur dann wirksam seien, wenn sie schriftlich bestätigt würden, eine schriftliche Zusage bestimmter Einspielergebnisse sei aber nicht gegeben worden. Die einvernehmliche Auflösung des Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin und A* N* habe somit den Provisionsanspruch des Beklagten nicht berühren können.

Das Erstgericht sprach der Klägerin einen Teilbetrag von S 20.000,-- samt Anhang zu und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 20.000,-- ab. Seiner Entscheidung liegen folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

H* war bis zu seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen der Klägerin (Ende 1971) deren geschäftsführender Gesellschafter. N* L* war damals als selbständiger Handelsvertreter mit den Agenden eines Verkaufsleiters ausschließlich für die Klägerin tätig, ohne deren Angestellter zu sein; er bekam für die von ihm vermittelten Geschäfte eine Höchstprovision von 25 %, während die Provision für Abschlüsse anderer selbständiger Handelsvertreter nur 20 % betrug. Auch der Beklagte arbeitete als selbständiger Handelsvertreter, und zwar zunächst für die * Firma A*, eine Konkurrentin der Klägerin. Da er aber schon vor längerer Zeit auch der Klägerin kleinere Aufträge gebracht hatte, kannte er sowohl N* L* als Verkaufsleiter als auch H* als Gesellschafter der Klägerin. Mit den Ehegatten N* in H* war er deshalb bekannt, weil er für sie bereits Aufträge an die Firma A* vermittelt hatte.

Die von der Klägerin verwendeten Auftragsformulare (Beilage C = I, Beilage D = II) enthielten in den auf ihrer Rückseite abgedruckten Verkaufs- und Lieferbedingungen unter anderem die Bestimmung, daß der bestätigte Auftrag (Bestellung) maßgebend sei, Änderungen und Zusätze der ausdrücklichen schriftlichen Bestätigung bedürften (Punkt 1.); bei Nichteinhaltung des vereinbarten Liefertermins habe der Käufer dem Verkäufer eine Nachfrist von 60 Tagen zu setzen, ehe er vom Vertrag zurücktreten könne (Pkt. 2 Abs. 2). Bei Unterfertigung der Aufträge lasen die Ehegatten N* die Formulare zumindest teilweise durch; dem Beklagten war ihr Inhalt bekannt.

Der Beklagte hatte von A* N* einen Auftrag zur Vermittlung von Automaten im Gesamtwert von S 500.000,-- erhalten, welchen die Firma A* jedoch mangels einer Finanzierungsmöglichkeit nicht annehmen konnte. Anläßlich eines Gespräches in L* bot der Beklagte diesen Auftrag N* L* an. Dieser erklärte sich bereit, das Geschäft zu übernehmen und zu finanzieren sowie geeignete Aufstellplätze zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte wollte von der Klägerin eine Provision von 20 % erhalten; er wollte mit A* N* die für sie günstigsten Aufstellplätze ausfindig machen und nahm an, daß die Käuferin mit den Einspielergebnissen die monatlichen Ratenzahlungen werde decken können. N* L* sagte dem Beklagten aber nicht direkt zu, daß er der Kundin solche Einspielergebnisse garantieren dürfe. Er übergab dem Beklagten ein Blanko‑Auftragsformular der Klägerin, mit welchem der Beklagte zu A* N* fuhr und dort den Auftrag vom 4. 6. 1971 im Wert von insgesamt S 540.000,-- erhielt (Beilage III). Der Kaufpreis sollte ab 15. 9. 1971 in 68 Monatsraten á S 10.800,-- gezahlt und durch ein Kreditinstitut finanziert werden; bei Unmöglichkeit einer solchen Finanzierung sollte der Auftrag verringert werden können. Eine vom Beklagten schriftlich eingesetzte „Garantie“‑Erklärung lautet: „Die Fa. garantiert ein monatliches durchschnittliches Einspielergebnis von S 15.000,-- für obige Geräte Plätze in OÖ. und oberen NÖ.“. A* N* unterschrieb diese Bestellung nur wegen der garantierten Einspielergebnisse. Der Beklagte überbrachte den schriftlichen Auftrag dem N* L*, welcher die Garantieerklärung beanstandete und sagte, daß der Beklagte wegen dieser Erklärung nicht 20 %, sondern nur 15 % Provision bekommen würde, weil auch für die Garantieerklärung gehaftet werden müsse.

Einige Tage später erklärte N* L* dem Beklagten, daß der Auftrag vom 4. 6. 1971 in den fixierten Höhe von S 540.000,-- nicht finanziert werden könne; die Auftragssumme müsse vermindert und außerdem geteilt werden, damit die Finanzierung durch zwei Kreditinstitute erfolgen könne. N* L* übergab dem Beklagten zu diesem Zweck zwei bereits ausgefüllte und von ihm selbst unterfertigte Auftragsformulare mit Auftragssummen von S 250.000,-- (Beilage C = I) und S 150.000,-- (Beilage D = II). Auf Grund dieser „Rahmenverträge“ sollten der Käuferin nach der Finanzierung verschiedene Geräte aus dem Lieferprogramm der Klägerin mit Aufstellplätzen und Leihverträgen zur Auswahl vorgelegt und übergeben werden; der Kaufpreis war in 41 Monatsraten, beginnend „zwei Monat nach Finanzierung und Aufstellung“ (Beilage C) bzw. am 20. 8. 1971 (Beilage D) zu zahlen. Im Auftrag über S 250.000,-- (Beilage C = 1) wurde überdies festgehalten, daß damit der Vertrag vom 4. 6. 1971 storniert sei. Die seinerzeitige schriftliche Einspielgarantie schien in den beiden neuen Aufträgen nicht mehr auf; N* L* erklärte aber dem Beklagten, daß er diese Garantiezusage gegenüber A* N* auch für die neuen Aufträge aufrechterhalten könne. Der Beklagte sagte infolgedessen den Ehegatten N* auch für die beiden neuen Aufträge mündlich zu, daß die Einspielergebnisse die an die Klägerin zu zahlenden Monatsraten decken würden. A* N* unterfertigt die beiden Aufträge am 28. 6. 1971.

Mit H* als dem damaligen geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin sprach der Beklagte weder über den Auftrag vom 4. 6. 1971 noch über die beiden Aufträge vom 28. 6. 1971 , weil zwischen ihnen kein gutes Verhältnis herrschte. Der Beklagte hatte aber schon früher mit H* verhandelt und ihm zwei Aufträge gebracht. N* L* war dem Beklagten als Verkaufsleiter der Klägerin bekannt, er repräsentierte für ihn die Klägerin. Nach Ansicht des Beklagten war H* T* nur Teilhaber der Klägerin; seine genaue Funktion war ihm nicht bekannt. Bei den früheren Aufträgen des Beklagten für die Klägerin war nicht darüber gesprochen worden, daß Einspielgarantie nicht gegeben werden dürften. Der Beklagte war allerdings schon früher einmal mit N* L* bei einem Kunden in Ha* gewesen, wo L* einen Auftrag angenommen und dabei gleichfalls eine solche schriftliche Garantieerklärung abgegeben hatte. Dieser Auftrag wurde dann nachträglich auf Anweisung des Gesellschafters M* storniert, worauf L* einen anderen Auftrag ohne Garantiezusage schrieb.

Am 9. 7. 1971 trafen der Beklagte und N* L* zur Auszahlung der Provision an den Beklagten zusammen. N* L* hatte einen bereits vorbereiteten Ausgangsbeleg der Klägerin über eine „Verkaufsteilprovision“ von S 40.000,-- bei sich, welcher von H* unterschrieben war (Beilage Y). Im Zuge dieser Besprechung wurde rund zwei Stunden lang über die Provision verhandelt, weil der Beklagte nur 10 % erhalten sollte – und schließlich auch erhielt  , obwohl 15 % vereinbart worden waren. N* L* begründete diese Herabsetzung damit, daß A* N* eine Einspielgarantie gegeben worden sei, wofür auch gehaftet würde; infolge dieses Risikos müsse die Provision geringer sein. Der Beklagte fand sich schließlich mit der kleineren Provision ab.

Die Ehegatten N* leisteten in der Folge auf die Verbindlichkeiten aus den beiden Verträgen vom 28. 6. 1971 keinerlei Zahlungen. Sie hatten im Zeitpunkt der Auftragserteilung Schulden von mehr als S 1,000.000,--, hofften aber auf Grund der Zusage des Beklagten, diese Verbindlichkeiten mit guten Einspielergebnissen abdecken zu können; aus ihren den sonstigen Einkünften wäre ihnen eine Rückzahlung der Schulden nicht möglich gewesen. Dem Beklagten war bekannt, daß die finanziellen Verhältnisse der Ehegatten N* nicht die besten waren.

Mit Schreiben vom 27. 10. 1971 (Beilage Q) teilte A* N* der Klägerin mit, daß ihr auf Grund der Aufträge vom 28. 6. 1971 erst am 18. 10. 1971 Automaten im Wert von S 150.000,-- übergeben worden seien. Beim ersten Inkasso sei ein Nettoerlös von nur S 3.495,40 erzielt worden, was keinesfalls den schriftlichen Garantieen des Beklagten bezüglich raten- und kostendeckender Aufstellplätze entspreche. A* N* erklärte ausdrücklich, daß sie bisher an die Klägerin nichts gezahlt habe und auch in Zukunft keine Zahlungen erbringen werde. Da sie verschiedene andere Zahlungsverpflichtungen habe, hätte sie die Aufträge vom 28. 6. 1971 niemals unterschrieben, wenn sie nicht die Gewißheit gehabt hätte, daß sie bei diesem Geschäft auf keinen Fall „etwas zusetzen müsse“. Sie wolle zwar vom Kaufvertrag nicht zurücktreten, könne ihn aber unter den gegebenen Verhältnissen unter keinen Umständen aufrechterhalten. Gleichzeitig schickte A* N* die Schlüssel für die Automaten an die Klägerin zurück und überwies ihr auch den einkassierten Geldbetrag. Bei einem persönlichen Gespräch mit H* erklärte A* N* neuerlich, vom Beklagten eine schriftliche Zusage über die Einspielergebnisse zu haben. Die Klägerin sicherte ihr daraufhin am 11. 11. 1971 zu (Beilage S), sich um die Bereitstellung anderer Aufstellplätze bemühen zu wollen; sie werde A* N* eine Liste mit geeigneten Plätzen zur Verfügung stellen. Da in den schriftlichen Aufträgen jeder Hinweis auf die behaupteten Zusagen des Beklagten fehle und die Klägerin davon nichts gewußt habe, fühle sich die Klägerin daran auch nicht gebunden; allfällige Ansprüche der Käuferin müßten daher unmittelbar gegen den Beklagten geltend gemacht werden. Mit Schreiben vom selben Tag (Beilage T) empfahl die Klägerin dem Beklagten, sich im Hinblick auf die von ihm gemachten Zusagen sofort mit ihr in Verbindung zu setzen, um die Angelegenheit zu bereinigen; seine Vorgangsweise müsse sonst als arglistige Täuschung gewertet werden. Demgegenüber warf der Beklagte der Klägerin vor, der Kundin durch N* L* nicht die geeigneten Aufstellplätze beschafft zu haben; er gab aber das von A* N* behauptete Garantieversprechen zu und berief sich hiefür auf die Ermächtigung N* L*.

Im Namen A* N* forderte Rechtsanwalt Dr. G* von der Klägerin zunächst unter Hinweis auf Punkt 2. der Verkaufs- und Lieferbedingungen die Erfüllung des Vertrages unter gleichzeitiger Setzung einer Nachfrist von 60 Tagen. Da die Klägerin aber Aufstellplätze mit ratendeckenden Einspielergebnissen offensichtlich nicht zur Verfügung stellen konnte, erklärte A* N* den Rücktritt vom Vertrag, worauf das Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Klägerin schließlich einvernehmlich storniert wurde.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Provision von S 40.000,-- als einen aus einem schuldhaften Verhalten des Beklagten, nämlich der Garantiezusage an A* N* und deren Verschweigen gegenüber der Klägerin, abgeleiteten Schadenersatzanspruch. Der Beklagte habe entgegen der ihn nach § 2 HVG treffenden Verpflichtung die Interessen der Klägerin nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrgenommen. Er hätte sich vergewissern müssen, ob N* L* als Verkaufsleiter der Klägerin berechtigt war, ihn zur Abgabe der Garantieerklärung zu ermächtigen, und wäre auch verpflichtet gewesen, die Klägerin unverzüglich von dieser Garantiezusage in Kenntnis zu setzen; beides habe er unterlassen und damit ein Unsicherheitsmoment in das Geschäft hineingetragen. Die Klägerin habe die Zusage des Beklagten – welche für A* N* ein wesentlicher Vertragsbestandteil gewesen sei nicht einhalten können. Da ihr unter den gegebenen Umständen eine Prozeßführung gegen A* N* nicht zumutbar gewesen sei, verstoße die einverständliche Vertragsaufhebung nicht gegen die Interessen des Beklagten, dessen schuldhaftes Verhalten für diese Stornierung ursächlich gewesen sei.

Nicht nur der Beklagte habe aber im konkreten Fall schuldhaft gehandelt, sondern auch N* L*, welcher gleichfalls verpflichtet gewesen wäre, die Vertragsformulare an die Geschäftsleitung weiterzugeben und diese von der gegenüber der Kundin übernommenen Einspielgarantie in Kenntnis zu setzen. Die Vernachlässigung dieser Verpflichtung begründe ein Mitverschulden N* L*, welches die Klägerin, für die er als Erfüllungsgehilfe tätig geworden sei, gemäß § 1315 a ABGB zu vertreten habe. Da sich das Verhältnis der beiderseitigen Verschuldensanteile nicht bestimmen lasse, hätten beide Parteien den eingetretenen Schaden im Sinne des § 1304 ABGB je zur Hälfte zu tragen. Der Beklagte sei somit zur Rückzahlung der halben Provision an die Klägerin verpflichtet.

Während die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil erfolglos blieb, änderte das Berufungsgericht infolge Berufung der Klägerin die Entscheidung des Prozeßgerichtes dahin ab, daß es den Beklagten zur Zahlung des gesamten eingeklagten Betrages verurteilte. Dabei ging das Gericht zweiter Instanz, welches die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich übernahm und sie seiner Entscheidung zugrunde legte, von folgenden rechtlichen Erwägungen aus: Gemäß § 6 Abs. 5 HVG sei der Anspruch des Handelsvertreters auf Zahlung der vollen Provision dann nicht begründet, wenn der Geschäftsherr von der Eintreibung der Forderung gegen den Dritten ganz oder teilweise aus wichtigen Gründen Abstand genommen habe. Diese wichtigen Gründe müßten nicht gerade in der Person des Vertragspartners gelegen sein; das Verhalten des Geschäftsherrn sei, vielmehr dann gerechtfertigt, wenn ihm nach objektiver Verkehrsauffassung das bestehen auf Ausführung des Geschäftes oder auf der vollen Erbringung der ihm zustehenden Leistung nicht zugemutet werden könne. Dem Handelsvertreter gebühre auch dann keine Provision, wenn das vermittelte oder abgeschlossene Geschäft nicht rechtsverbindlich zustandegekommen sei; dabei stehe ein mit Erfolg angefochtener Vertrag wirtschaftlich und rechtlich einem ungültigen Vertrag gleich. Stelle sich nachträglich heraus, daß die bereits gezahlte Provision dem Handelsvertreter mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach §§ 6, 29 HVG gar nicht gebührt hätte, dann fehle dem Handelsvertreter jeder Rechtsgrund, um die Provision weiter behalten zu können; der Geschäftsherr könne in diesem Fall die bereits gezahlte Provision gemäß §§ 1431, 1435 ABGB zurückverlangen.

Im vorliegenden Fall sei dieser Rückforderungsanspruch der Klägerin gerechtfertigt. Die mündliche Zusage des Beklagten, daß die mit den Musikautomaten erzielten Einspielergebnisse zumindest die Kaufpreisraten abdecken würden, sei von A* N* zu einer wesentlichen Vertragsbedingung gemacht worden; die Nichterfüllung dieser Zusage habe die Käuferin zur Anfechtung des Vertrages wegen wesentlichen Irrtums berechtigt. Da die Klägerin die Zusage des Beklagten ohne Rücksicht auf Punkt 1. der Verkaufs- und Lieferbedingungen jedenfalls gegen sich habe gelten lassen müssen, habe ihr nicht zugemutet werden können, sich in einen – aussichtslosen Rechtsstreit mit A* N* einzulassen; durch ihre Zustimmung zur einvernehmlichen Aufhebung des Vertrages seien daher keine berechtigten Interessen des Beklagten verletzt worden. Der Provisionsanspruch des Beklagten hänge infolgedessen nur noch davon ab, ob er gutgläubig am Zustandekommen eines anfechtbaren Hauptvertrages mitgewirkt habe. Diese Frage sei aber hier zu verneinen, weil der Beklagte die ihm gegenüber der Klägerin obliegende Sorgfaltspflicht in mehrfacher Hinsicht verletzt habe. Als Kaufmann hätte der Beklagte auf die Zusagen N* L* nicht kritiklos vertrauen dürfen, sondern beachten müssen, daß N* L* als Verkaufsleiter und damit als Handlungsbevollmächtigter der Klägerin im Sinne des § 54 HGP nur zur Vornahme solcher Rechtsgeschäfte befugt sein konnte, die mit der Vornahme von Verkaufsgeschäften gewöhnlich verbunden sind. Da die Klägerin zum Abschluß von Kaufverträgen über Musikautomaten Formulare verwendete, die in Punkt 1. der auf ihnen abgedruckten Verkaufs- und Lieferbedingungen Änderungen und Zusätze von einer schriftlichen Bestätigung durch die Klägerin abhängig machten, wäre auch die Zusage einer Einspielgarantie in den Vertrag aufzunehmen oder wenigstens nachträglich von der Klägerin schriftlich zu bestätigen gewesen; tatsächlich sei aber die noch im Vertrag vom 4. 6. 1971 enthaltene Garantieklausel in den beiden späteren Vertragsformularen nicht mehr auf geschienen. Auf die mündliche Zusage N* L* habe sich der Beklagte schon deshalb nicht verlassen dürfen, weil ihm bekannt gewesen sei, daß die Klägerin schon früher einmal einen mit einer ähnlichen Garantieklausel versehenen Auftrag N* L* nicht akzeptiert hatte. Da Zusagen dieser Art über den Inhalt gewöhnlicher Verkaufsgeschäfte hinausgingen und eine wesentliche Belastung der Klägerin als Verkäuferin bedeuteten, habe der Beklagte nicht darauf vertrauen dürfen, daß die Klägerin N* L* zu einer solchen Zusage ermächtigt habe und sie daher auch billigen werde. Er hätte vielmehr auf eine schriftliche Fixierung dieser Garantie hinwirken oder aber beim geschäftsführenden Gesellschafter H* Erkundigungen darüber einholen müssen, ob auch eine mündliche Garantiezusage gegeben werden dürfe. Bei dieser Sachlage könne dem Beklagten nicht zugebilligt werden, hinsichtlich der Rechtswirksamkeit des Hauptgeschäftes im guten Glauben gewesen zu sein; er habe daher die bereits empfangene Provision der Klägerin zur Gänze wieder zurückzuzahlen.

Selbst wenn aber die Klägerin die Zusagen N* L* gegenüber dem Beklagten gegen sich gelten lassen müßte, wäre der Provisionsanspruch des Beklagten gleichfalls nicht berechtigt, weil sich der Beklagte als Kaufmann, der im Musikautomatengeschäft versiert war, habe bewußt sein müssen, daß eine Einspielgarantie, wie sie hier gegeben wurde, gar nicht oder nur sehr schwer eingehalten werden könne; er wäre daher verpflichtet gewesen, sich vor dem Abschluß eines solchen Geschäftes davon zu vergewissern, ob die ins Auge gefaßte Zusage auch reale Aussichten auf Verwirklichung hatte. Da er dies nicht getan, vielmehr der Kundin gegenüber leichthin die Zusicherung ratendeckender Einspielergebnisse abgegeben habe, obgleich er erkennen mußte, daß A* N* voll auf diese Zusage vertraute, müsse ihm auch unter diesem Gesichtspunkt die Gutgläubigkeit hinsichtlich der Rechtswirksamkeit des Grundgeschäftes abgesprochen werden. Das Begehren der Klägerin auf Rückzahlung der Provision sei somit in jedem Fall gerechtfertigt.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Beklagten seinen ganzen Inhalt nach mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Der Revisionsantrag geht auf Abänderung der Entscheidungen der Untergerichte im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens, allenfalls Wiederherstellung des Urteils erster Instanz; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin hat beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Im Vordergrund der Ausführungen des Rechtsmittelwerbers steht der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Bei seiner Erörterung ist von der Feststellung der Untergerichte auszugehen, daß die beiden durch Vermittlung des Beklagten zustande gekommenen, am 28. 6. 1971 abgeschlossenen „Rahmenverträge“ zwischen der Klägerin und A* N* in der Folge nicht ausgeführt wurden, die Klägerin vielmehr im Herbst 1971 einer einvernehmlichen Aufhebung dieser Verträge zustimmte, nachdem A* N* vergeblich auf die Einhaltung der ihr vom Beklagten zugesagten Einspielgarantieen gedrängt hatte. Damit liegt aber, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ein Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 HVG vor, wonach dann, wenn die Ausführung eines vom Handelsvertreter oder durch dessen Vermittlung abgeschlossenen Geschäftes oder die Gegenleistung des Dritten, mit dem das Geschäft abgeschlossen worden ist, infolge Verhaltens des Geschäftsherrn ganz oder teilweise unterblieben ist, der Handelsvertreter die volle Provision verlangen kann, es sei denn, daß für das Verhalten des Geschäftsherrn wichtige Gründe auf der Seite des Dritten vorliegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 5/140; SZ 32/26 = HS 424; HS 2374/93, 2377/132, 3288, 4518, 5675/843, HS 6701, 7572) brauchen diese wichtigen Gründe nicht gerade in der Person des Vertragspartners zu liegen. Der Vermittler soll wohl vor Willkür oder sonstigem Verschulden des Geschäftsherrn bewahrt bleiben; dieser ist aber schon dann entschuldigt, wenn nach objektiver Auffassung des Verkehrs maßgebliche Tatsachen sein Verhalten rechtfertigen. Entscheidend ist also nur, ob der Geschäftsherr wichtige Gründe nachzuweisen vermag, die es rechtfertigen, daß er von der Ausführung des Geschäftes oder von der Einforderung der ihm daraus gebührenden vollen Gegenleistung des Dritten Abstand genommen hat.

Nach diesen Grundsätzen ist insbesondere auch eine nachträgliche Stornierung des vom Handelsvertreter vermittelten oder abgeschlossenen Geschäftes durch den Geschäftsherrn zu beurteilen: Um sich in diesem Fall von seiner Provisionspflicht zu befreien, hat der Geschäftsherr zu beweisen, daß für die nachträgliche Vertragsaufhebung wichtige Gründe maßgebend waren, an denen ihm kein Verschulden trifft (HS 7573). Der Geschäftsherr darf sich also nicht ohne weiteres auf ein unberechtigtes Stornobegehren des Dritten einlassen und so den Vermittler um seinen Provisionsanspruch bringen; er hat vielmehr dem Geschäftspartner gegenüber den Rechtsstandpunkt geltend zu machen und gegebenenfalls auch den Prozeßweg zu bestreiten (RZ 1961, 48 = HS 410; HS 2376). Auf eine Prozeßführung, die den angestrebten wirtschaftlichen Zweck gar nicht erreichen kann, braucht sich der Geschäftsherr freilich nicht einzulassen (HS 2574/148), und gerade dieser Fall war nach den Feststellungen der Untergerichte hier gegeben: Die vom Beklagten gegenüber A* N* abgegebene Einspielgarantie hatte die Klägerin, wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung (vgl. dazu insbesondere auch SZ 42/112 = HS 7558) zutreffend erkannt hat, ungeachtet der Ausschlußklausel in Punkt 1. der Verkaufs- und Lieferbedingungen in jedem Fall, also auch dann zu vertreten, wenn der Beklagte zur Abgabe einer solchen Garantieerklärung gar nicht berechtigt gewesen wäre oder die Grenzen seiner Vollmacht überschritten hätte. Konnte die Klägerin aber in der Folge der Käuferin keine entsprechenden Aufstellplätze zur Verfügung stellen, dann war A* N*, wie die Revision selbst einräumt, berechtigt, unter Setzung der in den Verkaufs- und Lieferbedingungen vorgesehenen Nachfrist vom Vertrag zurückzutreten. Der Klägerin blieb unter diesen Umständen keine andere Wahl, als dem Begehren der Käuferin auf Aufhebung der Kaufverträge zuzustimmen, hätte doch eine Prozeßführung gegen A* N* angesichts der geschilderten Rechtslage nur wenig Aussicht auf Erfolg geboten. Objektiv betrachtet, war ihr Verhalten also im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung jedenfalls durch „wichtige Gründe“ im Sinne des § 6 Abs. 3 HVG gerechtfertigt.

Bei dieser Sachlage hängt das Bestehen oder Nichtbestehen eines Provisionsanspruches des Beklagten – und damit auch die Entscheidung über das hier erhobene, vom Berufungsgericht zutreffend nach §§ 1431, 1435 ABGB beurteilte Rückforderungsbegehren der Klägerin allein davon ab, ob sich der Beklagte für die von ihm gegenüber der Käuferin A* N* abgegebene Einspielgarantie mit Recht auf eine Zustimmung der – durch N* L* vertretenen Klägerin berufen hat. War die Klägerin nämlich mit dieser Garantiezusage von vornherein einverstanden gewesen oder hatte sie ihr zumindest nachträglich zugestimmt, dann kann sie die spätere Unmöglichkeit einer Erfüllung dieser von ihr bewusst eingegangenen Verpflichtung nicht zum Anlass einer Rückforderung der dem Beklagten bereits ausgezahlten Provision nehmen; hatte der Beklagte aber die erwähnte Garantieerklärung ohne vorherige Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung durch die Klägerin abgegeben, dann ist an seiner Verpflichtung, nach der – auf sein eigenmächtiges Handeln zurückzuführenden und daher von ihm verschuldeten Stornierung des vermittelten Rechtsgeschäftes auch die hiefür bereits empfangene Provision der Klägerin wieder zurückzustellen, nicht zu zweifeln.

Das Berufungsgericht hat, wie bereits erwähnt, die Berechtigung N* L*, als Verkaufsleiter und damit als Handlungsbevollmächtigter der Klägerin in deren Namen der Abgabe einer Einspielgarantie gegenüber A* N* zuzustimmen, unter Hinweis darauf verneint, dass eine solche Garantiezusage über den Inhalt eines „gewöhnlichen“ Verkaufsgeschäftes im Sinne des § 54 HGB hinausgehe und eine wesentliche Belastung der Verkäuferin bedeute. Die Nichtigkeit dieser Auffassung kann aber nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes auf Grund der bisher vorliegenden Tatsachenfeststellungen noch nicht verlässlich geprüft werden: Gemäß § 54 Abs. 1 HGB erstreckt sich die Handlungsvollmacht – von den gesetzlichen Beschränkungen des § 54 Abs. 2 HGB abgesehen – „auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt“. Der Handlungsbevollmächtigte darf also nur solche Geschäfte mit Wirkung für seinen Geschäftsherrn vornehmen, die in dem betreffenden Handelsgewerbe unter Berücksichtigung des dem Handlungsbevollmächtigten zugewiesenen Geschäftskreises gewöhnlich sind; zu ungewöhnlichen Geschäften bedarf er immer einer besonderen Vollmacht. Es wird daher zunächst festgestellt werden müssen, welche geschäftlichen Befugnisse die Klägerin dem Zeugen N* L* als ihrem „Verkaufsleiter“ tatsächlich übertragen hatte. Die bisher vorliegende Feststellung, dass N* L* einerseits selbständiger Handelsvertreter, andererseits aber ausschließlich für die Klägerin tätiger „Verkaufsleiter“ war und als solcher gegenüber dem Beklagten die Klägerin „repräsentierte“, reicht zur Beantwortung dieser Frage keineswegs hin; vielmehr wird erst nach Klarstellung seiner rechtlichen Stellung im Unternehmen der Klägerin und des ihm in dieser Funktion eingeräumten Wirkungsbereiches beurteilt werden können, in welchem Umfang ihn die Klägerin überhaupt im Sinne des § 54 Abs. 1 HGB „zur Vornahme einer bestimmten Art von Geschäften“ ermächtigt hatte. Auf der Grundlage dieser Feststellungen über den Umfang der dem Zeugen N* L* eingeräumten Befugnisse wird sodann weiter zu prüfen sein, ob die Übernahme der Verpflichtung, dem Käufer von Musikautomaten „ratendeckende Aufstellplätze“ für diese Geräte zur Verfügung zu stellen, zu denjenigen Geschäften und Rechtshandlungen gehört, welche die „Vornahme derartiger Geschäfte“ im Sinne des § 54 HGB „gewöhnlich mit sich bringt“, mit anderen Worten, ob Garantieerklärungen dieser Art im Geschäftszweig der Klägerin von einem „Verkaufsleiter“ mit den Befugnissen, wie sie die Klägerin dem Zeugen N* L* eingeräumt hatte, üblicherweise selbständig und ohne Zustimmung bzw. Genehmigung der Geschäftsleitung abgegeben zu werden pflegen. Zu dieser Frage haben die Untergerichte bisher überhaupt keine Feststellungen getroffen; sie werden daher die Parteien auch hier im Sinne des § 182 ZPO zu einem entsprechenden Sach- und Beweisvorbringen anzuleiten und ihre Tatsachenfeststellungen in der auf gezeigten Richtung zu ergänzen haben. Erst nach einer solchen Erweiterung der Entscheidungsgrundlage wird dann verlässlich beurteilt werden können, ob es sich bei der hier in Rede stehenden Garantiezusage im Sinne der Ausführungen des angefochtenen Urteils tatsächlich um ein durch die Handlungsvollmacht N* L* nicht mehr gedecktes Geschäft gehandelt hat.

Dass aber die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin durch ihren „Verkaufsleiter“ N* L* der vom Beklagten gegenüber A* N* abgegebenen „Einspielgarantie“ zugestimmt hat oder nicht, nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens für die Entscheidung über das Rückforderungsbegehren der Klägerin von ausschlaggebender Bedeutung ist, wurde bereits oben dargelegt: Hatte N* L* mit dieser Erklärung seine Vertretungsbefugnisse überschritten, dann ist der Beklagte – da eine nachträgliche Genehmigung durch die vertretungsbefugten Organe der Klägerin nicht einmal behauptet wurde und auch ein entschuldbares Vertrauen des Beklagten auf einen von der Klägerin selbst geschaffenen äußeren Tatbestand nach den bisherigen Verfahrensergebnissen ausscheidet verpflichtet, die ihm bereits ausgezahlte Provision der Klägerin wieder zurückzuerstatten. War die Zustimmungserklärung N* L* aber durch seine Handlungsvollmacht als „Verkaufsleiter“ der Klägerin gedeckt, dann ist damit zugleich allen aus § 2 HVG abgeleiteten rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichtes von vornherein der Boden entzogen.

Aus den angeführten Gründen war daher der Revision des Beklagten Folge zu geben und mit einer Aufhebung der Urteile der Untergerichte vorzugehen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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