OGH 1Ob64/75

OGH1Ob64/7530.4.1975

SZ 48/57

Normen

Außerstreitgesetz §9
Entmündigungsordnung §8
Außerstreitgesetz §9
Entmündigungsordnung §8

 

Spruch:

Der vorläufige Beistand ist zur Bekämpfung der Entscheidung der zweiten Instanz, mit der seine Bestellung aufgehoben wurde, berechtigt

Nahen Verwandten, die nicht die Interessen des zu Entmundigenden, sondern eigene verfolgen, steht gegen die Bestellung eines vorläufigen Beistandes kein Rekursrecht zu

OGH 30. April 1975, 1 Ob 64/75 (KG Wiener Neustadt R 71/75; BG Wiener Neustadt L 106/74)

Text

Mit dem angefochtenen Beschluß hob das Rekursgericht infolge Rekurses der Tochter des zu Entmundigenden den Beschluß des Erstgerichtes auf, womit der bisherige selbstgewählte Vertreter des zu Entmundigenden, das ist der nunmehrige Revisionsrekurswerber, zum vorläufigen Beistand des zu Entmundigenden bestellt wurde. Das Rekursgericht bejahte die Rekurslegitimation der ehelichen Tochter und hielt eine Interessenkollision zwischen dem bevollmächtigten Vertreter und dem vorläufigen Beistand für gegeben, die den ersteren für das Amt des letzteren ungeeignet erscheinen lasse.

Der Oberste Gerichtshof änderte den Beschluß des Rekursgerichtes dahin ab, daß der Rekurs der ehelichen Tochter des zu Entmundigenden gegen den erstgerichtlichen Beschluß zurückgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Da der Rekurswerber das Rechtsmittel nicht als selbstgewählter Vertreter des zu Entmundigenden, sondern ausdrücklich in seiner Eigenschaft als vorläufiger Beistand erhebt und sogar darauf verweist, daß er die erhaltene Prozeßvollmacht inzwischen gekundigt habe, ist die Zulässigkeit des Rechtsmittels danach zu beurteilen, ob der in erster Instanz bestellte vorläufige Beistand die Abänderung oder Aufhebung dieser Bestellung durch das Rekursgericht bekämpfen kann, mit anderen Worten ob ihm bereits nach der noch nicht rechtskräftig gewordenen Bestellung die Stellung eines Beteiligten im Sinne des § 9 AußStrG zukommt. Diese Frage wurde bisher - wenn auch nicht immer in Entmündigungssachen - teils bejaht (RZ 1968, 111; RZ 1971, 84; 5 Ob 230/73), teils aber verneint (2 Ob 262/65; 7 Ob 101/72). Die erstgenannten Entscheidungen stellten mit wechselnder Begründung darauf ab, daß der Kurator bereits durch seine erstinstanzliche Bestellung Beteiligter des Verfahrens geworden sei und daß ihm deshalb angesichts seiner Aufgabenstellung die Antrags- und Rekurslegitimation auch hinsichtlich seiner "Enthebung" solange zugestanden werden müsse, als der Bestellungsbeschluß nicht rechtskräftig beseitigt wurde. In der zweiten Gruppe der Entscheidungen wurde hingegen die Rechtsmittelbefugnis des in erster Instanz bestellten vorläufigen Beistandes einmal mit der Begründung verneint, daß er aus dem noch nicht rechtskräftigen Bestellungsbeschluß keine Rechte ableiten könne (gleichzeitig wurde allerdings dahingestellt, ob dem vorläufigen Beistand im Verfahren über seine Bestellung Beteiligtenstellung grundsätzlich zukomme; 2 Ob 262/65) und das andere Mal (in einem Fall, in dem es in erster Linie um die Enthebung des früheren Kurators ging) mit der Begründung, daß der Bestellte keinen Rechtsanspruch auf Bestellung habe.

Bei der neuerlichen Prüfung der Frage geht der Oberste Gerichtshof davon aus, daß es seit jeher unzweifelhaft war und in der neueren Rechtsprechung wiederholt bestätigt wurde, daß ein rechtskräftig bestellter Vormund, Kurator oder Beistand im Verfahren über seine Enthebung Beteiligter ist, weil es zu seinem Pflichtenkreis gehört, den Vertretenen vor möglichen Rechtsnachteilen zu schützen (SZ 34/89 u. v. a.). Auch der Beschluß über die Bestellung wird aber häufig nicht erst mit seiner Rechtskraft wirksam. Verfügungen über nicht streitige Rechtsangelegenheiten können vielmehr nach § 12 AußStrG, sofern in diesem Gesetz keine Ausnahmen festgesetzt sind oder der Richter nicht aus besonderen Gründen die Rekursfrist abzuwarten notwendig findet, sogleich in Vollzug gesetzt werden. Einen Fall dieser Art bildet wegen der Dringlichkeit der notwendigen Vorkehrung die Bestellung des vorläufigen Beistandes im Entmündigungsverfahren. Zur Wirksamkeit dieser Maßnahme genügt die Zustellung des Bestellungsdekretes an den vorläufigen Beistand (Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, 27), zumal wenn gleichzeitig andere Vollzugshandlungen stattfinden (SZ 34/26). Als eine Verfügung letzterer Art ist hier die Zustellung des Bestellungsdekretes AußStrForm 89b an jene Gerichtsabteilungen anzusehen, bei denen Rechtsstreitigkeiten des zu Entmundigenden anhängig sind. In einem derartigen Fall kommt tatsächlich im Sinne der Entscheidung RZ 1971, 84 der Beschluß des Rekursgerichtes einer Enthebung des bestellten Beistandes gleich, so daß dessen Legitimation zum Revisionsrekurs zu bejahen ist, auch wenn er keinen Rechtsanspruch auf Bestellung hatte.

In der Sache selbst bekämpft der Revisionsrekurswerber mit Recht die Annahme des Rekursgerichtes, daß der ehelichen Tochter des zu Entmundigenden die Legitimation zum Rekurs gegen den Beschluß des Erstrichters auf Bestellung eines vorläufigen Beistandes zustehe. Richtig ist zwar, daß im Pflegschaftsverfahren unter besonderen Umständen, die das Wohl des Kindes gefährden, dessen nahen Verwandten ein Rekursrecht im Interesse des Kindes eingeräumt wird (St 42/48 u. a.). Aber diese Ausnahme kommt schon begrifflich dann nicht zum Tragen, wenn der Rekurswerber, insbesondere im Entmündigungsverfahren, keineswegs Interessen des Pflegebefohlenen verfolgt, sondern seine eigenen (EvBl. 1958/116; JBl. 1961, 514 u. a.). In diesen Fällen hat es bei der Regel zu bleiben, daß Anregungen dritter Personen, die nicht zu den Beteiligten des Verfahrens gehören, nur gegebenenfalls zur amtswegigen Prüfung führen können (JBl. 1954, 516 u. a.), zumal dem zu Entmundigenden auch selbst das Rekursrecht zusteht (SZ 41/108 u. v. a.).

Daß im vorliegenden Fall die eheliche Tochter des zu Entmundigenden als dessen jahrzehntelange Prozeßgegnerin weder als vorläufiger Beistand in Frage kam noch mit ihrem Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Beschluß andere als ihre eigenen Interessen vertreten wollte, liegt auf der Hand, auch wenn sie in ihrem Rekurs - in Wahrheit offensichtlich, um den Prozeßvertreter ihres Vaters auszuschalten - eine Pflichtkollision oder Befangenheit für das Amt des Beistandes andeutete. Dieser Inhalt ihres Rechtsmittels konnte die mangelnde Rekurslegitimation der Tochter des zu Entmundigenden nicht ersetzen, so daß ihr Rekurs richtigerweise zurückzuweisen war.

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