European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00019.75.0409.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 2.699,52 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darunter S 600,— Barauslagen und S 155,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind seit 26. Mai 1951 miteinander verheiratet. Zwischen ihnen ist über Klage des Ehemannes zu 5 Cg 154/73 des Kreisgerichtes Wels ein Ehescheidungsverfahren anhängig.
Die Klägerin beantragte im gegenständlichen Verfahren, den Beklagten zur Zahlung eines Unterhaltsbetrages von S 500,— für Juli 1973 und ab 1. August 1973 zur Zahlung eines solchen von monatlich S 2.000,— an sie zu verurteilen; der Beklagte habe die eheliche Wohnung grundlos verlassen, er sei daher zur Leistung des Unterhalts in Form einer Geldrente verpflichtet. Er habe ihr zwar für den Monat Juli 1973 einen Betrag von S 1.500,‑‑ gegeben, andererseits aber behauptet, daß er nur zur Leistung des Unterhalts in natura verpflichtet sei. Auf Grund dieser Einstellung einerseits, sowie der Tatsache, daß der Unterhaltsbetrag von monatlich S 1.500,-‑ nicht ausreichend sei, sei sie zur Klage genötigt. Der Beklagte wendete ein, daß der Klägerin Unterhalt in Geld nicht zustehe. Sie habe ihn grundlos aus der ehelichen Wohnung verwiesen. Der von ihm laufend geleistete Unterhalt von S 1.500,— monatlich sei angemessen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte fest, die Klägerin sei vom 5. März bis 26. März 1973 im Krankenhaus gewesen; am 20. April 1973 habe der Beklagte für sie überraschend die Scheidungsklage eingebracht, der sie entgegengetreten sei. Über einen Antrag des Mannes auf Bewilligung des abgesonderten Wohnortes sei noch nicht entschieden. Anfangs Mai 1973 habe der Beklagte angekündigt, er werde am 30. Mai 1973 aus der ehelichen Wohnung ausziehen. Am 4. Juni 1973 sei es zwischen den Ehegatten zu einem Gespräch oder zu einer Auseinandersetzung gekommen. Die Klägerin habe den Beklagten aufgefordert, bei ihr zu bleiben, dessen ungeachtet habe der Mann die Wohnung verlassen und sei seither in diese nicht mehr zurückgekehrt. In der zweiten Juniwoche 1973 habe die Klägerin die eheliche Wohnung mit einem neu angebrachten Schloß versperrt. Die Klägerin sei jetzt 50 Jahre alt, sie bewohne die eheliche Wohnung und zahle monatlich S 450,— Miete. Sie sei Arbeiterin in einer Möbelfabrik in Schwanenstadt, ihr Einkommen betrage gegen 3.500,— S monatlich. Der Beklagte sei nunmehr 53 Jahre alt, wohne gegenwärtig in Vöcklabruck und arbeite in derselben Fabrik in Schwanenstadt wie die Gattin. Sein Einkommen betrage ungefähr S 6.500,— monatlich, er habe nur für die Klägerin zu sorgen. Das Erstgericht gelangte rechtlich zu dem Ergebnis, die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Unterhalt in Geld, der geforderte Betrag sei angemessen zumal eigenes Einkommen der Ehefrau nicht zu berücksichtigen sei.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es den Beklagten schuldig erkannte, der Klägerin ab 1. August 1973 monatlich S 1.500,— an Unterhalt zu leisten, während es das Mehrbegehren bezüglich S 500,— monatlich ab 1. Juli 1973 abwies. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als das Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung sowie eines mangelfreien Verfahrens und führte aus, das Erstgericht sei mit Recht von einem Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten auf Unterhalt in Geld ausgegangen. Der Beklagte habe zur Zeit der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr mit dem entsprechenden Ernst an der Aufrechterhaltung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft festgehalten. Allfällige Eheverfehlungen der Klägerin seien nicht so schwer und derart gewesen, daß sie ihren Unterhaltsanspruch verwirkt hätte. Zur Höhe sprach das Berufungsgericht aus, daß eine entsprechende Bedachtnahme auf die eigenen Einkünfte der Ehefrau angebracht sei. Unter diesen Umständen sei das erstgerichtliche Urteil dahin abzuändern, daß sich der vom Beklagten zu leistende monatliche Unterhaltsbetrag auf S 1.500,— belaufe. Daß der Beklagte nach seinem Vorbringen der Klägerin ohnedies fortlaufend S 1.500,— monatlich zugewendet habe ändere nichts, denn der Beklagte habe ja jeglichen Anspruch der Klägerin auf Unterhalt in Geld bestritten und habe diesen Standpunkt auch noch im Berufungsverfahren aufrecht erhalten.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus den Gründen nach § 503 Z 2 und 4 ZPO. mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde, allenfalls das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hatte sich zunächst mit der Frage der Zulässigkeit der Revision zu befassen, da nach § 502 Abs 2 ZPO eine Anfechtung der Entscheidung zweiter Instanz ausgeschlossen ist, soweit Verfahren und Entscheidung die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche zum Gegenstand haben. Das Rechtsmittel an die dritte Instanz ist aber dann zulässig, wenn die Anfechtung die Entscheidung über den Grund des Anspruches oder aber verfahrensrechtliche Voraussetzungen betrifft (Judikatur 60 neu, 6 Ob 64/72, 6 Ob 252/73, 1 Ob 160/74 u.a., zuletzt etwa 1 Ob 228/74). Da der Beklagte auch noch in der Revision die Ansicht vertritt, daß die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch verwirkt habe, ihr ein solcher also dem Grunde nach nicht zustehe, ist das Rechtsmittel zulässig, es ist jedoch nicht gerechtfertigt.
Den Darlegungen des Beklagten zum Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO ist zu erwidern, daß sich das Berufungsgericht im Gegensatz zu den Revisionsbehauptungen, sehr wohl mit der vom Beklagten in der Berufung erhobenen, die Beweiswürdigung betreffenden Rüge auseinandergesetzt hat (S 110 f.d.A.). Das Verfahren vor dem Berufungsgericht wäre dann mangelhaft, wenn sich das Gericht zweiter Instanz mit der Beweisfrage überhaupt nicht befaßt hätte, während eine allfällige mangelhafte oder unzureichende Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht angefochten werden kann (7 Ob 37/67, 5 Ob 118/70 = RZ 1970, 222, 1 Ob 98, 99/74, 7 Ob 170-172/74 u.a., zuletzt etwa 6 Ob 204/74).
In der Rechtsrüge weist der Beklagte darauf hin, daß ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nur dann bestünde, wenn er zumindest mit einer Unterhaltszahlung in Rückstand geraten wäre. Da dies jedoch nicht der Fall sei, hätte die Klage zurückgewiesen werden müssen.
Diese Argumentation ist nicht stichhältig. Der Beklagte übersieht nämlich – worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat – daß er im Rechtsstreit jeglichen Anspruch der Klägerin auf Unterhalt mit der Begründung bestritten hat, sie hätte einen solchen verwirkt. Diesen Standpunkt vertritt er auch noch in der Revision, so daß der Klägerin ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung ihres Unterhaltsanspruches auch für die Zukunft zuzubilligen ist.
Es kann keine Rede davon sein, daß die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch verwirkt hätte. Wie bereits die Vorinstanzen richtig erkannt haben, ist dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch ein Rechtssatz fremd, daß die Ehefrau bei aufrechtem Bestand der Ehe ihren Unterhaltsanspruch durch eine schwere Verfehlung verliere. Nur wenn eine solche Verfehlung zur Folge hat, daß der Ehemann nicht die Gemeinschaft fortsetzt, weil ihm dies nicht zumutbar ist, kann die Frau, die grundsätzlich nur Anspruch auf Naturalunterhalt hat, keinen Unterhalt in Geld verlangen (1 Ob 228/70, 5 Ob 28/71 u.a., zuletzt etwa 6 Ob 61/74). Nach einhelliger und langjähriger Rechtsprechung verliert die Ehegattin den Anspruch auf Unterhalt, der ihr bei Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft in Geld zusteht (SZ 23/245, 1 Ob 426/58 u.v.a., zuletzt etwa 1 Ob 256/72), nur dann, wenn sie sich besonders schwerer Eheverfehlungen, wie Ehebruch, fortgesetzter empfindlicher Verletzungen der ehelichen Treue, schwerer körperlicher Mißhandlungen oder Drohungen, die sich unmittelbar gegen die körperliche oder seelische Integrität des Ehepartners richten, schuldig macht. Ob so schwerwiegende Eheverfehlungen vorliegen, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (EFSlg 3877-3879, 7660, 14.765, 16.888, 6 Ob 61/74 u.v.a., zuletzt etwa 4 Ob 542/74). Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Behauptung der Klägerin habe den Beklagten aus der ehelichen Wohnung gewiesen und ihm ein paar Ohrfeigen gegeben, blieb unbewiesen. Nach den Verfahrensergebnissen war es vielmehr der Beklagte, der seinen Auszug aus der Wohnung, nachdem er für die Klägerin völlig überraschend die Scheidungsklage eingebracht hatte, ankündigte. Die Klägerin bemühte sich, ihren Ehemann von diesem Vorhaben abzubringen und sie versuchte auch, diesen zur Zurücknahme der Ehescheidungsklage zu bewegen. Wenn sie nach dem Scheitern ihrer diesbezüglichen Bemühungen und nach der vom Beklagten herbeigeführten Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft eine Änderung des Schlosses der ehelichen Wohnung vornehmen ließ ohne dem aus der Wohnung weggezogenen Ehemann einen passenden Schlüssel zu übergeben, dazu kann darin keine die Verwirkung des Unterhaltsanspruches der Klägerin herbeiführende Eheverfehlung erblickt werden.
Die Revision mußte daher erfolglos bleiben.
Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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