OGH 3Ob491/50

OGH3Ob491/506.9.1950

SZ 23/245

Normen

ABGB §91
ABGB §93
ABGB §91
ABGB §93

 

Spruch:

Zum Recht der Ehegattin auf Unterhalt nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft bei aufrechtem Bestand der Ehe.

Entscheidung vom 6. September 1950, 3 Ob 491/50.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Das Prozeßgericht erkannte mit Zwischenurteil zu Recht, daß der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten, ihren Ehegatten, dem Gründe nach zu Recht bestehe. Es stellte fest, daß die Klägerin, deren Ehe mit dem Beklagten noch aufrecht besteht, zwar den Beklagten Anfang Juli 1948 mit den beiden Kindern unter Mitnahme alles ihr nur erreichbaren Hausrates verlassen habe, ohne den Beklagten vorher zu verständigen oder sich mit ihm über die behauptete Notwendigkeit eines Erholungsaufenthaltes der Kinder auseinanderzusetzen, daß sie sich aber bereit erklärt habe, die eheliche Gemeinschaft mit dem Beklagten wieder aufzunehmen, während sich der Beklagte weigere, die Klägerin wieder in die Hausgemeinschaft aufzunehmen. Nach Ansicht des Prozeßgerichtes ist aber der Ehemann nur dann berechtigt, die Aufnahme der Gattin in die eheliche Gemeinschaft zu verweigern, wenn ihm die Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft durch das Verhalten der Frau geradezu unmöglich gemacht wird; das Prozeßgericht ist der Meinung, daß nur in einem solchen Falle, z. B. bei ernster Gefährdung der körperlichen Sicherheit des Mannes, dieser die Unterhaltsleistung ablehnen könne. Die vom Beklagten geltend gemachten Gründe (Kränkungen und Lieblosigkeit) vermögen aber nach Ansicht des Prozeßgerichtes die Ablehnung der Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft und der Unterhaltsleistung nicht zu begrunden, weshalb dem Prozeßgerichte eine Erörterung der vom Beklagten für seine Weigerung angeführten Umstände nicht notwendig erschien.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Zwischenurteil. Es vertrat die Rechtsmeinung, daß der Klägerin nur dann kein Unterhaltsanspruch zustunde, wenn sie durch ihr Verhalten dem Beklagten einen hinreichenden Grund gegeben hätte, die Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft zu verweigern, wenn also dem Beklagten das weitere Zusammenleben mit der Klägerin nicht zugemutet werden könne. Die vom Beklagten diesbezüglich behaupteten Gründe (Vernachlässigung des Klägers während seiner Haft, Verlassen der Wohnung mit den Kindern vor der Enthaftung und angebliche Sabotage des Besuchsrechtes) seien jedoch nach Ansicht des Berufungsgerichtes keine derartigen Gründe. Als solche könnten lediglich fortgesetzte Beschimpfungen oder sonstige schwere Kränkungen, erhebliche Verletzungen der ehelichen Treue oder ein sonstiges, den Hausfrieden störendes Verhalten der Ehefrau in Betracht kommen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Bestimmungen der §§ 91 und 93 ABGB. ist es den Ehegatten während des aufrechten Bestandes der Ehe nicht gestattet, eigenmächtig, also ohne gerichtliche Anordnung, die eheliche Verbindung aufzuheben und ist der Ehemann verpflichtet, der Ehegattin nach seinem Vermögen den anständigen Unterhalt zu beschaffen, ohne daß das Gesetz es einem der Ehegatten gestattet, während des Bestandes der Ehe eigenmächtig oder einseitig die eheliche Gemeinschaft aufzuheben oder die Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft zu verweigern und die Leistung des Unterhaltes abzulehnen, wenn triftige Gründe die Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft und die Leistung des Unterhaltes unzumutbar erscheinen lassen. Nun vertritt wohl die neuere Rechtsprechung, so SZ. VIII/31 und 243, SZ. IX/290, SZ. XIV/234, GH. 1933, S. 153, JBl. 1935, S. 275, die Ansicht, daß der Ehemann berechtigt ist, die Wiederaufnahme der Gattin in die Ehegemeinschaft zu verweigern und auch die Leistung des Unterhaltes abzulehnen, wenn die Gattin dem Mann begrundeten Anlaß gegeben hat, sie nicht mehr in die Hausgemeinschaft aufzunehmen. Bei den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen handelt es sich aber um besonders schwere Eheverfehlungen der Frau, die gegen die wichtigsten Grundsätze der Ehe verstoßen, wie Ehebruch oder fortgesetzte empfindliche Verletzung der ehelichen Treue, oder in denen der Ehemann von der Frau in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet wird, wie durch Meuchelmordversuch oder durch schwere körperliche Mißhandlungen oder Drohungen. Die vom Beklagten geltend gemachten Umstände, mögen sie auch an sich Eheverfehlungen der Frau darstellen und ein Scheidungsbegehren begrunden, können aber nicht als so schwere Eheverfehlungen gewertet werden, die den Beklagten berechtigen könnten, bei aufrechtem Bestand der Ehe die Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft zu verweigern. Der Beklagte ist daher im Hinblick auf diese Weigerung, die auch die Verweigerung der Leistung des Naturalunterhaltes in sich schließt, verpflichtet, der Klägerin den Unterhalt in Geld zu leisten, weshalb der Revision der Erfolg versagt bleiben mußte.

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