OGH 4Ob2/75

OGH4Ob2/758.4.1975

SZ 48/39

Normen

DHG §6
DHG §6

 

Spruch:

Die Frist des § 6 DHG ist als Ausschlußfrist verlängerbar

OGH 8. April 1975, 4 Ob 2/75 (LGZ Wien 44 Cg 181/74; ArbG Wien 2 Cr 431/74)

Text

In seiner am 9. Mai 1974 beim Erstgericht überreichten Klage hatte der klagende Baumeister vom Beklagten zunächst die Zahlung von 41.776 S samt Anhang verlangt. Er habe den Beklagten im Feber 1973 zur Entlastung des Poliers aufgenommen und ihm unter anderem die Bedienung, Wartung und Versorgung des auf den Baustellen des Klägers verwendeten Traktors mit Kompressor und Heckbagger übertragen. Am Nachmittag des 31. Oktober 1973 habe es der Beklagte trotz ausdrücklicher Weisung des Poliers unterlassen, das Kühlwasser abzulassen, wodurch am Motor des Traktors Frostschäden in der eingeklagten Höhe entstanden seien. Im Zuge des Verfahrens schränkte der Kläger sein Zahlungsbegehren auf 26.054.55 S samt Anhang ein, welchen Betrag er dadurch errechnete, daß er von den Reparaturkosten von insgesamt 32.315.95 S zwei offene Lohnforderungen des Beklagten von zusammen 6261.40 S in Abzug brachte.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete den Verfall der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche gemäß § 6 DHG ein. Er habe nur einen minderen Grad des Versehens zu vertreten, weil er kein ausgebildeter Kraftfahrer, sondern Fassader sei und vom Kläger ohnehin mehrfach, wenn auch ohne Erfolg, ein Frostschutzmittel verlangt habe; die mangelhafte Wartung des Traktors - für welche der Beklagte nicht verantwortlich gewesen sei - begrunde überdies ein Mitverschulden des Klägers. Die offenen Lohnforderungen, um die das Klagebegehren eingeschränkt worden war, wurden vom Beklagten der Höhe nach außer Streit gestellt und "der ursprünglichen Klageforderung compensando gegenübergehalten".

Der Kläger hielt dem Verfallseinwand zunächst entgegen, daß der Anspruch schon im Jänner 1974 im Verfahren 2 Cr 576/73 des Arbeitsgerichtes Wien geltend gemacht worden sei; dort sei aber wegen Vergleichsverhandlungen Ruhen des Verfahrens eingetreten, "wodurch auch die Frist des § 6 DHG gehemmt worden sei". Im übrigen habe der Kläger erst nach Mitte November 1973 Gewißheit darüber erlangt, wer den Schaden am Traktor zu vertreten habe. Bei der Verhandlungstagsatzung am 27. Juni 1974 brachte der Kläger dann vor, die Verfallsfrist sei "durch eine Vereinbarung der Streitteile, innerhalb der Ruhensfrist zu 2 Cr 576/73 diese Klage nicht einzubringen, unterbrochen"; innerhalb der genannten Frist sollte nämlich ein Vergleich über die nunmehr geltend gemachten Ansprüche des Klägers herbeigeführt werden. Dieses Vorbringen "ergänzte" der Kläger am 18. Juli 1974 durch die Behauptung, es sei vereinbart worden, daß "innerhalb der Ruhensfrist bzw. bis zum Abschluß eines Vergleiches" keine Klage eingebracht werde. Die Einwilligung des Beklagten, das Verfahren 2 Cr 576/73 ruhen zu lassen und Vergleichsverhandlungen auch über die jetzt eingeklagten Schadenersatzansprüche des Klägers zu führen, sei als Anerkenntnis dieser Ansprüche dem Gründe nach zu werten.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 3738.60 S samt Anhang und wies das Mehrbegehren ab. Seiner Entscheidung liegen folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

Der jetzt 30jährige Beklagte war vom Kläger am 19. Feber 1973 auf Grund eines Zeitungsinserates, in welchem der Kläger einen "tüchtigen jungen Maurer zur Entlastung des Poliers" gesucht hatte, als Fassader aufgenommen worden. Abwechselnd mit anderen Arbeitern, fuhr der Beklagte auch den gegenständlichen Traktor (Type Ochsner TK 35) mit Heckbagger, welchen er auf den Baustellen auch zu bedienen hatte. Wenn der Beklagte den Traktor im Betrieb hatte, wartete er ihn auch, insbesondere durch Abschmieren, Nachfüllen von Öl u. dgl.; dabei stellte er als Mangel nur fest, daß die Bremsen schlecht funktionierten. Ab Mitte Oktober 1973 ersuchte der Beklagte mehrfach sowohl den Polier Werner B als auch den Kläger selbst um ein Frostschutzmittel; er wurde aber immer wieder vertröstet, weil der Kläger das wenig später fällige Service abwarten wollte.

Am 30. Oktober 1973 fand der Beklagte an dem Traktor, welchen er an diesem und am folgenden Tag zu bedienen hatte, einen Zettel mit der Aufschrift "Kein Kühlwasser" vor; das Wasser war tags zuvor vom Polier ausgelassen worden. Daraufhin füllte der Beklagte in Anwesenheit des Poliers Wasser ein und ließ es nach Arbeitsschluß wieder ab (was er bis dahin noch nie getan hatte). Am Morgen des nächsten Tages (31, Oktober 1973) füllte der Beklagte - wieder in Anwesenheit des Poliers - Kühlwasser ein. Um 16 Uhr sollte der Polier den Beklagten und dessen Helfer abholen und auf die in einem anderen Wiener Gemeindebezirk gelegene Hauptbaustelle führen, wo sie sich umziehen konnten. Der Polier kam aber schon rund eine halbe Stunde früher und sagte zum Beklagten, er solle zusammenpacken und das Gerät abstellen, denn sie würden auf die Baustelle in den 14. Bezirk fahren. Der Beklagte stellte den Traktor in Anwesenheit des Poliers ab, vergaß aber dabei, das Kühlwasser abzulassen. Als es in der folgenden Nacht Frost gab, entstand am Motor des Traktors ein Schaden, dessen Behebung laut Rechnung Beilage B 26.061 S erforderte. Das Ausbauen des Motorblocks und dessen Transport zu und von der Reparaturwerkstätte besorgte der Kläger selbst; er verrechnete hiefür einen Betrag von 6254.95 S. Rechtlich war das Erstgericht der Auffassung, daß dem Beklagten nach den Umständen des Falles nur ein Versehen minderen Grades unterlaufen sei. Seine Ersatzpflicht sei daher aus Billigkeitserwägungen auf 10.000 S zu mäßigen, woraus sich nach Abzug der vom Kläger einbehaltenen Lohnbeträge von zusammen 6261.40 S der zugesprochene Betrag von 3738.60 S ergebe. Verfall nach § 6 DHG sei nicht anzunehmen, weil in der zu 2 Cr 576/73 am 14. Jänner 1974 geschlossenen Ruhensvereinbarung "ein Verzicht auf die Geltendmachung der Einrede des Verfalls bis zum Ablauf der Ruhensfrist bzw. eine angemessene Zeit danach" zu erblicken sei.

Während die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil erfolglos blieb, wies das Berufungsgericht infolge Berufung des Beklagten das Klagebegehren zur Gänze ab. Auf Grund der Neudurchführung der Verhandlung im Sinne des § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG kam das Berufungsgericht zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Erstgericht. Darüber hinaus stellte es ergänzend fest, daß im Vorprozeß 2 Cr 576/73 des Arbeitsgerichtes Wien bei der einzigen Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 14. Jänner 1974 folgendes protokolliert wurde: "Die klagende Partei trägt die Klage vor. Die Parteien vereinbaren zwecks Vergleichsverhandlungen Ruhen des Verfahrens. Vollmachten zurückgestellt". Der Kläger erfuhr von dem Schaden an seinem Traktor am 2. November 1973 und wußte, daß am 31. Oktober 1973 der Beklagte den Traktor gehabt hatte.

In rechtlicher Hinsicht billigte das Berufungsgericht die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Beklagte nicht grobe Fahrlässigkeit, sondern nur ein Versehen minderen Grades zu vertreten habe. Der Ersatzanspruch des Klägers sei aber gemäß § 6 DHG erloschen: Der Kläger habe diesen Anspruch nicht schon zu 2 Cr 576/73, sondern erst im vorliegenden Rechtsstreit "gerichtlich geltend gemacht"; da er aber schon am 2. November 1973 den Schaden und den Schädiger gekannt habe, sei die am 9. Mai 1974 überreichte Klage erst nach Ablauf der Frist des § 6 DHG erhoben worden. Eine Hemmung oder Unterbrechung dieser Frist - insbesondere durch Aufnahme von Vergleichsverhandlungen - sei im Gesetz nicht vorgesehen, eine vertragliche Verlängerung oder ein Verzicht des Beklagten auf die Verfristungseinrede aber nicht einmal behauptet worden. Schon aus diesem Grund habe das Klagebegehren abgewiesen werden müssen, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf die Höhe des eingeklagten Schadens einzugehen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision insoweit nicht Folge und bestätigte das angefochtene Urteil als Teilurteil, als damit das Begehren des Klägers auf Zahlung von 22.315.95 S samt 10% Zinsen seit 1. Jänner 1974 abgewiesen worden ist.

Im übrigen, also hinsichtlich eines weiteren Begehrens von 3738.60 S samt Anhang wurde der Revision Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Verfehlt ist die Mängelrüge des Klägers, wenn sie im Zusammenhang mit den Ausführungen des angefochtenen Urteils zum Verfristungseinwand nach § 6 DHG eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht behauptet:

Das Gericht zweiter Instanz ist hier nicht etwa, wie der Kläger meint, ohne Beweiswiederholung von der Feststellung des Erstgerichtes abgegangen, daß sich die im Verfahren 2 Cr 576/73 vereinbarten Vergleichsverhandlungen unter anderem auch auf die jetzt eingeklagte Schadenersatzforderung bezogen haben; es hat vielmehr aus rechtlichen Gründen eine "gerichtliche Geltendmachung" dieses Anspruches bei der Tagsatzung vom 14. Jänner 1974 ebenso verneint wie die Möglichkeit einer Hemmung oder Unterbrechung der Frist des § 6 DHG durch Einleitung von Vergleichsverhandlungen und im übrigen die Ansicht vertreten, daß dem Vorbringen des Klägers weder die Behauptung einer vertraglichen Verlängerung der Verfallsfrist noch die eines Verzichtes auf diese Frist entnommen werden könne. Ob diese Auffassung zutrifft und das Berufungsgericht daher mit Recht die Aufnahme der vom Kläger in diesem Zusammenhang angebotenen Beweise abgelehnt hat, ist aber bereits eine Frage der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts.

In seiner Rechtsrüge wendet sich der Kläger zunächst abermals gegen die Auffassung der Untergerichte, daß der Beklagte im vorliegenden Fall nur einen "minderen Grad des Versehens" (§ 2 Abs. 1 Satz 1 DHG), nicht aber grobe Fahrlässigkeit zu verantworten habe. Mit diesen Ausführungen ist er freilich nicht im Recht: Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kann grobe Fahrlässigkeit eines Dienstnehmers in solchen Fällen nur dann angenommen werden, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Eintritt des Schadens nicht bloß als möglich, sondern als wahrscheinlich voraussehbar war (Arb. 9105 = SozM I A e, 1025; SozM I A e, 1021 u. a.). Es muß sich also um ein Versehen handeln, das mit Rücksicht auf seine Schwere oder Häufigkeit nur bei besonders leichtsinnigen oder nachlässigen Menschen vorkommt (SZ 43/80 = Arb. 8762; Arb. 8930; SozM I A e, 955, 981 u. a., zuletzt etwa 4 Ob 42/74) und sich daher auffallend aus der Menge der unvermeidlichen Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens heraushebt, wobei im Einzelfall immer auf die persönlichen Verhältnisse des Schädigers einzugehen ist (ZAS 1974, 141; 4 Ob 42/74; vgl. auch Dirschmied, Gedanken zur Schadenersatzpflicht der Dienstnehmer und zur Rechtsprechung zum Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, RdA 1973, 46 ff. (48 f.)). Diese Voraussetzungen liegen aber hier nicht vor: Nach den Feststellungen der Untergerichte hatte der Beklagte schon ab Mitte Oktober 1973 sowohl den Polier B als auch den Kläger selbst wiederholt um ein Frostschutzmittel für den Kühler des Traktors gebeten, war aber mit diesem Ansinnen immer wieder bis zum nächsten Service vertröstet worden. Damit hatte der Beklagte immerhin unter Beweis gestellt, daß ihm das Schicksal des Traktors, mit welchem er ungeachtet dessen, daß er kein ausgebildeter Kraftfahrer ist - die gegenteilige Behauptung der Revision ist aktenwidrig - und auch vom Kläger nicht als Kraftfahrer, sondern als Fassader aufgenommen worden war, immer wieder zu fahren und auf Baustellen zu arbeiten hatte, keineswegs gleichgültig war und er seine Aufgabe, beim Betrieb dieses ihm anvertrauten Fahrzeuges auch für dessen Wartung zu sorgen, durchaus ernst nahm. Daß er dann am Nachmittag des 31. Oktober 1973 dennoch vergaß, das Kühlwasser welches er selbst am Morgen desselben Tages eingefüllt hatte - auch wieder abzulassen, ist sicherlich auf einen Mangel der gehörigen Aufmerksamkeit im Sinne des § 1294 ABGB zurückzuführen. Das Versehen des Beklagten erscheint aber in wesentlich milderem Licht, wenn man berücksichtigt, daß der Polier B an diesem Tag schon eine halbe Stunde vor der ursprünglich vereinbarten Zeit erschienen war und den Beklagten aufgefordert hatte, alles zusammenzupacken und mit ihm auf die Hauptbaustelle im 14. Gemeindebezirk zu fahren. Wenn der Beklagte unter diesen Umständen auf das Ablassen des Kühlwassers vergaß - eine ausdrückliche Weisung des Poliers in dieser Richtung ist von den Untergerichten nicht als erwiesen angenommen worden -, dann kann aus diesem - nach den Feststellungen offenbar erstmaligen - Versehen des Beklagten entgegen der Meinung der Revision keineswegs der Schluß gezogen werden, daß der Beklagte allein deshalb schon als besonders leichtsinniger und nachlässiger Mensch, seine Pflichtverletzung aber als außergewöhnliche Sorglosigkeit angesehen werden müßte. Die Untergerichte haben vielmehr durchaus zutreffend in dem Verhalten des Beklagten nur ein Versehen minderen Grades im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 DHG erblickt und die Annahme einer grob fahrlässigen Handlungsweise abgelehnt.

Geht man aber von dieser Rechtsansicht aus, dann erweist sich die Revision des Klägers zunächst insoweit als unbegrundet, als sie sich gegen den bestätigenden Teil des Berufungsurteils wendet: Da dem Beklagten nur ein minderer Grad des Versehens zur Last fällt, sind die Voraussetzungen für eine Ausübung des Mäßigungsrechtes gemäß § 2 Abs. 1 DHG gegeben. Das Erstgericht hat davon Gebrauch gemacht und die Ersatzpflicht des Beklagten auf 10.000 S also rund ein Drittel der gesamten vom Kläger behaupteten Schadenssumme von 32.315.95 S herabgesetzt. Eine solche Mäßigung erscheint aber auch dem OGH als durch die Umstände des konkreten Falles vollauf gerechtfertigt, zumal der Kläger selbst im Rechtsmittelverfahren nichts dagegen vorzubringen vermochte. Daraus folgt aber, daß der den Betrag von 3738.60 S samt Anhang übersteigende Teil des Klagebegehrens von den Untergerichten mit Recht abgewiesen worden ist und der Revision in diesem Umfang jedenfalls ein Erfolg versagt bleiben muß.

Was aber den noch offenen Restbetrag von 3738.60 S samt Anhang anlangt, so ist die Revision des Klägers hier insoweit berechtigt, als sie dem angefochtenen Urteil einen Rechtsirrtum bei Beurteilung der Frage des Erlöschens der eingeklagten Schadenersatzansprüche (§ 6 DHG) zum Vorwurf macht: Das Berufungsgericht hat zwar zunächst zutreffend erkannt, daß die - entsprechend der Behauptung des Klägers vom Erstgericht als erwiesen angenommene - Erörterung dieser Forderung im Vorprozeß schon deshalb nicht als "gerichtliche Geltendmachung" im Sinne des § 6 DHG angesehen werden kann, weil es dazu jedenfalls einer - in das Verhandlungsprotokoll aufzunehmenden (§ 208 Abs. 1 ZPO) - Aufrechnungseinrede im Sinne des § 391 Abs. 3 ZPO bedurft hätte (vgl. dazu Dirschmied, DHG 110). Da der Beginn der Verfallsfrist des § 6 DHG mit der bereits am 2. November 1973 erlangten Kenntnis des Klägers vom Schaden und von der Person des Schädigers (vgl. ZAS 1974, 141; ebenso 4 Ob 42/74) im Revisionsverfahren nicht mehr streitig ist, hat der Kläger, welcher die vorliegende Klage am 9. Mai 1974 beim Erstgericht überreicht hat, seinen Ersatzanspruch in der Tat erst mehr als 6 Monate nach Ablauf des Tages, an dem er erhoben werden konnte, "gerichtlich geltend gemacht".

Zu prüfen bleibt aber noch, welche Bedeutung dem Vorbringen des Klägers zukommt, er habe mit dem Beklagten im Verfahren 2 Cr 576/73 des Erstgerichtes am 14. Jänner 1974 nicht nur die Aufnahme von Vergleichsverhandlungen (auch) über die gegenständliche Schadenersatzforderung, sondern im Zusammenhang damit auch einen zeitweiligen Aufschub der klageweisen Geltendmachung dieses Anspruches vereinbart. Das Berufungsgericht hat diesen Behauptungen jede rechtliche Relevanz abgesprochen, weil bei der Ausschlußfrist des § 6 DHG weder eine Hemmung noch eine Unterbrechung in Frage komme, eine vertragliche Verlängerung dieser Frist aber vom Kläger ebensowenig behauptet worden sei wie ein entsprechender Verzicht des Beklagten. Diese Ausführungen des angefochtenen Urteils halten aber nach Ansicht des OGH einer rechtlichen Prüfung nicht stand:

Der Kläger hat, wie schon erwähnt, im Zuge des Verfahrens erster Instanz ausdrücklich behauptet und unter Beweis gestellt, er habe im Verfahren 2 Cr 576/73 am 14. Jänner 1974 mit dem Beklagten vereinbart, "daß innerhalb der Ruhensfrist bzw. bis zum Abschluß eines Vergleiches keine Klage eingebracht werde". Dieses - sicherlich wenig präzise - Vorbringen kann entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes immerhin auch so verstanden werden, daß der Kläger damit eine vertragliche Verlängerung der Ausschlußfrist des § 6 DHG nicht bloß für die Dauer der "Ruhensfrist" im Vorprozeß - welche am 14. April 1974 und damit noch innerhalb der erst am 2. Mai 1974 endenden gesetzlichen 6-Monatsfrist abgelaufen wäreÜ -, sondern gegebenenfalls auch über diese Frist hinaus "bis zum Abschluß eines Vergleiches" (gemeint offenbar: für die Dauer der einzuleitenden Vergleichsverhandlungen) behaupten wollte. Ging aber das "ergänzende Vorbringen" des Klägers vom 18. Juli 1974 tatsächlich in diese Richtung - was von den Untergerichten erforderlichenfalls gemäß § 182 Abs. 1 ZPO klarzustellen gewesen wäre -, dann käme ihm bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der vorliegenden Schadenersatzklage entscheidende Bedeutung zu: Eine Vereinbarung, bis zum Abschluß von Vergleichsverhandlungen "keine Klage einzubringen", könnte, wie bereits erwähnt, nur als vertragliche Verlängerung der zur Einbringung der Schadenersatzklage offenstehenden, an sich am 2. Mai 1974 ablaufenden Frist des § 6 DHG bis zu einem zwar nicht nach dem Kalender festgelegten, aber durch den Fortgang der Vergleichsverhandlungen bestimmten Endzeitpunkt verstanden werden. Gegen die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung bestunden aber im vorliegenden Fall keine rechtlichen Bedenken: Anders als Verjährungsfristen (§ 1502 ABGB), können Ausschluß-(Präklusiv-)Fristen durch Parteienvereinbarung grundsätzlich auch verlängert werden (Klang[2] VI, 567; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 554; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[3] I, 141 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Arb. 7048; EvBl. 1972/113). Daß eine solche Vereinbarung hinsichtlich der Frist des § 6 DHG schlechthin unzulässig wäre, kann dem Gesetz nicht entnommen werden; das Gegenteil ist vielmehr aus der Anordnung des § 5 DHG zu erschließen, welcher eine Reihe von Bestimmungen dieses Gesetzes zugunsten des Dienstnehmers mit einseitig zwingender Wirkung ausstattet und nur eine beschränkte Abdingung durch Kollektivvertrag für zulässig erklärt, sich dabei aber ausdrücklich nur auf die dem Dienstnehmer nach §§ 2 bis 4 zustehenden Rechte und nicht auch auf die - erst im folgenden Paragraphen normierte - Ausschlußfrist des § 6 DHG bezieht. Daß auch der Gesetzgeber von der Möglichkeit einer einvernehmlichen Verlängerung der Ausschlußfrist des § 6 DHG durch die Dienstvertragspartner ausgegangen ist, zeigt der Bericht des Justizausschusses zur Regierungsvorlage dieses Gesetzes (653 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen, X. GP), wo es auf S. 3 ausdrücklich heißt, daß "auf die Ausschlußfrist während ihres Laufes nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit verzichtet und ihre Verlängerung von den Parteien vereinbart werden" kann. In der Tat wäre es auch mit Rücksicht darauf, daß die Regelung des § 6 DHG nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers (EB zur Regierungsvorlage des DHG, der Beilagen zu den stenographischen Protokollen, 631 X. GP, 5) einer gütlichen Bereinigung eines Streitfalles nicht im Wege stehen und die Parteien keineswegs zur Anrufung des Gerichtes zwingen soll (vgl. dazu Dirschmied, DHG 112), nicht einzusehen, warum es einem Dienstnehmer verwehrt sein sollte, während des Laufes der Ausschlußfrist im Hinblick auf Vergleichsverhandlungen, die er mit seinem Dienstgeber über einen von diesem erhobenen Schadenersatzanspruch führt, rechtswirksam einer Verlängerung der zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs festgesetzten Frist des § 6 DHG bis zum Ende der - regelmäßig im beiderseitigen Interesse gelegenen - Verhandlungen zuzustimmen. Die gegenteilige Ansicht würde den Dienstgeber dazu zwingen, ohne Rücksicht auf die noch schwebenden Verhandlungen in jedem Fall noch vor dem Ablauf der 6monatigen Frist den Rechtsweg zu beschreiten und damit entgegen den Intentionen des Gesetzes das Gericht und den Vertragspartner mit einem Aufwand zu belasten, der sich in vielen Fällen nachträglich als nutzlos erweist.

Der OGH hat daher gegen die Rechtwirksamkeit einer Vereinbarung, wie sie hier nach den Behauptungen des Klägers am 14. Jänner 1974 zwischen den Parteien abgeschlossen worden sein soll, keine Bedenken. Da das Berufungsgericht, von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, auf das diesbezügliche Vorbringen des Klägers überhaupt nicht eingegangen ist und die von ihm dazu angebotenen Beweise nicht aufgenommen hat, erweist sich schon aus diesem Grund die Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des noch offenen Betrages von 3738.60 S samt Anhang zur Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht als erforderlich. Sollte dem Kläger im fortgesetzten Verfahren der Nachweis der von ihm behaupteten vertraglichen Verlängerung der Ausschlußfrist des § 6 DHG gelingen, dann wird allerdings in der Folge nicht nur geprüft werden müssen, ob und wie lange die Parteien im Sinne dieser Vereinbarung tatsächlich Vergleichsverhandlungen geführt haben, sondern insbesondere auch, ob der Kläger diesfalls seiner - jeder Abmachung dieser Art nach der Übung des redlichen Verkehrs auch ohne besondere Abrede innewohnenden - Verpflichtung nachgekommen ist, nach dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen innerhalb angemessener Frist Klage zu erheben (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des OGH zur Verjährungseinrede nach dem Fehlschlagen von Vergleichsverhandlungen; aus jüngster Zeit etwa EvBl. 1974/158 mit weiteren Zitaten). Auch zur Klarstellung dieser Umstände wird das Berufungsgericht in Erfüllung der ihm nach § 182 Abs. 1 ZPO obliegenden materiellen Prozeßleitungspflicht zunächst auf ein entsprechendes Sach- und Beweisvorbringen der Parteien hinzuwirken und die dazu angebotenen Beweise aufzunehmen haben; erst dann wird es verläßlich beurteilen können, ob der auf § 6 DHG gestützte Verfristungseinwand des Beklagten im konkreten Fall berechtigt ist oder nicht.

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