OGH 6Ob200/74

OGH6Ob200/743.4.1975

SZ 48/36

Normen

ABGB §916
ABGB §1174
ABGB §916
ABGB §1174

 

Spruch:

Die mündliche Kaufabrede bleibt auch dann gültig, wenn im schriftlichen Kaufvertrag aus steuerlichen Gründen ein niedrigerer als der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis angegeben wird; dem Begehren auf Zahlung des gesamten Kaufpreises steht hier kein gesetzliches Verbot entgegen

Vertragsbestimmungen des verdeckenden Geschäftes, die auch auf das verdeckte Geschäft anwendbar sind, bleiben für dieses in Kraft

OGH 3. April 1975, 6 Ob 200/74 (OLG Wien 7 R 106/74; KG St. Pölten lc Cg 238/73)

Text

Die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehegatte Franz P verkauften den Beklagten im Jahre 1967 die Liegenschaft EZ X. Auf den Kaufpreis wurden bisher 90.000 S bezahlt.

Die Klägerin behauptet, daß ein Kaufpreis von 180.000 S und dessen Wertsicherung nach dem Verbraucherpreisindex 1966 vereinbart worden sei. Aus Gründen der Steuerersparnis sei in den notariellen Kaufvertrag vom 5. 6. 1967 nur ein Kaufpreis von 100.000 S aufgenommen worden. Der Kaufpreis sei seit 1. 6. 1968 fällig und ab diesem Zeitpunkt mit 5% zu verzinsen. Die auf die Klägerin entfallende Hälfte des Restkaufpreises betrage unter Berücksichtigung der Wertsicherung 62.248.50 S. Die Klägerin begehrt von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung dieses Betrages samt 5% Zinsen seit 7. März 1970.

Die Beklagten behaupten hingegen, daß ein Kaufpreis von 100.000 S vereinbart worden sei und daß die Wertsicherungsklausel für einen allenfalls mündlich vereinbarten höheren Kaufpreis nicht gelte. Sie wendeten überdies Annahmeverzug der Klägerin und Verjährung sowie Irreführung durch Verschweigen eines Bauverbotes ein.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten im Sinne des Begehrens der Klägerin. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Im Feber 1967 sprachen die Klägerin und deren Ehegatte erstmals mit den Beklagten über den Verkauf der Liegenschaft EZ X. An diesen Besprechungen nahm auch Karl A, der Schwager der Klägerin und des Erstbeklagten, teil. Dieser machte die Beklagten darauf aufmerksam, daß für die Bauparzelle Nr. 28 ein Bauverbot besteht. Die Beklagten waren damals am Erwerb der Liegenschaft nicht interessiert. Sie traten aber im Frühjahr 1967 wegen eines Erwerbes der Liegenschaft an Franz P heran. Dieser nannte zunächst einen Kaufpreis von 200.000 S. Schließlich einigten sich Franz P und die Beklagten auf einen Kaufpreis von 180.000 S. Um die Gründerwerbsteuer niedriger zu halten, kamen sie überein, in den schriftlichen Kaufvertrag nur einen Kaufpreis von 100.000 S aufzunehmen. Auf den Kaufpreis waren bei Vertragserrichtung 50.000 S zu zahlen. Der Rest des mündlich vereinbarten Kaufpreises sollte nach der Vereinbarung des Franz P mit den Beklagten später zu dem im schriftlichen Kaufvertrag festzulegenden Bedingungen gezahlt werden. Im notariellen Kaufvertrag vom 5. Juni 1967 wurde vereinbarungsgemäß ein Kaufpreis von 100.000 S angegeben. In Punkt X lit. b dieses Vertrages wurde festgelegt, daß der nicht bar berichtigte Kaufpreis von 50.000 S bis zum 1. Juni 1968 zinsen- und sicherstellungsfrei gestundet werden und wertgesichert nach der Kaufkraft der österreichischen Währung am Zahlungstag unter Zugrundelegung des vom Statistischen Zentralamt verlautbarten Verbraucherpreisindex 1966 zu zahlen sei. Außerdem wurde vereinbart, daß ab 1. Juni 1968 von dem noch aushaftenden Kaufpreisrest 5% Verzugszinsen zu entrichten seien.

Ungefähr zur Zeit der Vertragserrichtung erzählte die Zweitbeklagte ihrem Schwager Karl A, daß Franz P 200.000 S verlangt und dann 20.000 S nachgelassen habe. Am 26. Dezember 1967 besuchten die Beklagten die Eheleute A in deren Wohnung. Damals stellte Karl A eine Bestätigung über ein dem Erstbeklagten einige Tage vorher gewährtes Darlehen von 10.000 S aus. Bei dieser Gelegenheit regten die Beklagten an, auch über den noch nicht schriftlich festgelegten Kaufpreisteil von 80.000 S eine Niederschrift abzufassen, damit "der P sein Schreiben hat". Karl A verfaßte ein Schreiben des Inhalts, daß die Beklagten anerkannten, den Eheleuten P aus dem Kauf der Liegenschaft 80.000 S zu schulden, und daß sie diesen Betrag "analog dem Kaufvertrag" zu bezahlen hätten. Den Zahlungstermin ließ Karl A offen; er riet den Beklagten, sich diesbezüglich mit Franz P zu einigen. Nach Erörterung des Inhaltes dieses Schriftstückes begaben sich die Beklagten und die Eheleute A in die im selben Haus gelegene Wohnung der Eheleute P. Der Ehegatte der Klägerin war darüber verärgert, daß A das Schreiben "hinter seinem Rücken" verfaßt habe. Karl A zerriß darauf das Schreiben, das Franz P noch gar nicht gelesen hatte. Die Zweitbeklagte sagte nun zu Franz P: "Schwager, hab Dich nicht, wir schreiben's halt ein anderes Mal".

Nach dem Tode des Franz P mahnte Karl A den Erstbeklagten auf Ersuchen der Klägerin mehrmals wegen der versprochenen Bestätigung, letztmals zu Weihnachten 1968. Im Herbst 1969 übergaben die Beklagten der Klägerin 40.000 S und sagten ihr zu, im darauffolgenden Frühjahr 10.000 S zu zahlen und dann eine Bestätigung über die im Kaufvertrag nicht aufscheinenden 80.000 S auszustellen. Im Frühjahr 1970 waren die Beklagten zwar zur Zahlung von 10.000 S bereit, lehnten aber die Ausstellung der zugesagten Bestätigung ab. Die Klägerin verweigerte daher die Annahme des angebotenen Geldbetrages. In der Folge lehnten die Beklagten eine weitere Zahlung ab und behaupteten, durch das Verschweigen des Bauverbotes in Irrtum geführt worden zu sein. Bei einer Besprechung im Jahre 1972 versuchten die Brüder Karl, Franz und Ferdinand K den Streit wegen des Kaufpreisrestes zu schlichten. Die Beklagten gaben zu, daß der Kaufpreis 180.000 S betragen habe, meinten aber, daß dieser Betrag im Hinblick auf das Bauverbot zu hoch sei. Die Klägerin war zu dem vom Sohn der Beklagten geforderten Nachlaß von 20.000 S bereit. Eine diesbezügliche Vereinbarung sollte an einem der folgenden Tage im Beisein des Karl A festgelegt werden, kam aber dann nicht zustande.

Der Verbraucherpreisindex 1966 betrug für Juni 1967 103.3 und für Dezember 1973 142.9, die Steigerung daher 38.34%. Im Rahmen der Beweiswürdigung stellte das Erstgericht auch noch fest, daß nach dem Willen der Vertragsparteien die in Punkt X lit. b des Notariatsaktes getroffenen Vereinbarungen, insbesonders die Absicherung gegen die Geldwertminderung, auch für den nur mündlich festgelegten Kaufpreisteil von 80.000 S gelten sollten.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß von dem mit 180.000 S vereinbarten Kaufpreis noch ein Betrag von 90.000 S zuzüglich der sich aus der Wertsicherungsklausel ergebenden Erhöhung aushafte und seit spätestens l. Juni 1968 fällig sei. Die Klägerin sei zur Annahme von Teilzahlungen nicht verpflichtet gewesen und befinde sich deshalb nicht im Annahmeverzug. Die Verjährungseinrede sei unberechtigt, da die allgemeine Verjährungszeit von 30 Jahren zur Anwendung komme. Der Klägerin stehe daher eine Forderung von 62.253 S zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es erachtete die Beweisrüge der Beklagten für unberechtigt, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte auch dessen rechtliche Beurteilung. Den Punkt X lit. b des notariellen Kaufvertrages legte das Berufungsgericht dahin aus, daß bei Zahlungsverzug die vereinbarten Verzugszinsen nicht an Stelle, sondern neben der Aufwertung vom aufgewerteten Kaufpreisrest zu zahlen seien.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten teilweise Folge und änderte die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß die Beklagten schuldig erkannt wurden, der Klägerin je 31.124.25 S samt Anhang binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen; das Mehrbegehren, die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung weiterer 31.124.25 S siehe Anhang zu verurteilen, werde abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der Rechtsrüge macht die Revision geltend, daß der Kaufvertrag zumindest hinsichtlich des "schwarzen Kaufpreisteiles" von 80.000 S gemäß § 879 ABGB nichtig sei, weil er gegen ein gesetzliches Verbot verstoße. Dem Begehren der Klägerin nach Zahlung des Mehrkaufpreises stehe auch die Bestimmung des § 1174 ABGB entgegen. Die Klägerin habe daher auch keinen Anspruch auf die darauf entfallenden Aufwertungsbeträge.

Die Revisionswerber übersehen, daß sie nicht aus dem im Notariatsakt beurkundeten Kaufvertrag, sondern aus dem dadurch verdeckten Rechtsgeschäft gleicher Art, aber mit anderen Bedingungen, nämlich aus dem mündlich geschlossenen Kaufvertrag, in Anspruch genommen werden. Der Kaufvertrag ist ein Konsensualvertrag, der Kauf ist zustande gekommen, sobald die Parteien über Ware und Preis einig sind (JBl. 1962, 501 u. a.). Das verdeckte Geschäft ist grundsätzlich gültig (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 424). Der mündliche Kaufvertrag, in dem ein Kaufpreis von 180.000 S vereinbart wurde, verstößt weder gegen ein gesetzliches Verbot noch ist er sittenwidrig. Verboten und strafbar war lediglich die Falschbeurkundung im notariellen Kaufvertrag, weil dadurch die Wahrheits- und Offenlegungspflicht verletzt und eine Steuerhinterziehung vorbereitet wurde (§ 33 FinStrG). Im Fall der unrichtigen Beurkundung des Entgeltes verlangt der Zweck des Verbotsgesetzes keineswegs die Nichtigkeit des beurkundeten Geschäftes. Im übrigen gilt auch im Abgabenrecht der Grundsatz des § 916 Abs. 1 ABGB, daß für die Abgabenerhebung das verdeckte Geschäft maßgebend ist (§ 23 Abs. 1 BAO). Der OGH hat denn auch bereits wiederholt ausgesprochen, daß bei Abschluß eines Scheingeschäftes zwecks Gebührenhinterziehung das verdeckte Geschäft nicht ungültig ist (SZ 24/183, SZ 26/143 u. a.). Aus der von der Revision bezogenen Entscheidung RZ 1957, 73 ist für den Standpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen, da ihr ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde lag. Dort handelte es sich um die Gültigkeit eines Vertrages auf Lieferung von Waren, die für den Schmuggel bestimmt waren, während im vorliegenden Fall ein an sich erlaubtes Geschäft geschlossen und nur der Kaufpreis zum Schein niedriger angegeben wurde. Der Verkauf der Liegenschaft und der Kaufpreis von 180.000 S wurden daher gültig vereinbart. Durch die Zahlung dieses Kaufpreises wird eine Steuerhinterziehung nicht bewirkt; dem Zahlungsbegehren steht daher auch die Bestimmung des § 1174 ABGB nicht entgegen.

Unberechtigt ist auch der Einwand der Revision, daß die Wertsicherungsklausel nur für den beurkundeten Kaufpreisteil Gültigkeit habe. Die Untergerichte haben nämlich festgestellt, daß nach dem Willen der Vertragsparteien die in Punkt X lit. b des Notariatsaktes getroffenen Vereinbarungen, insbesondere die vereinbarte Wertsicherung, auch für den nur mündlich festgelegten Teil des Kaufpreises gelten sollten. Diese vom Erstgericht auf Grund der Aussagen des Zeugen Karl A und der Klägerin getroffenen Feststellungen sind tatsächlicher Natur und im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbar. Der OGH kann Urkunden nicht selbständig unabhängig von den übrigen Beweismitteln würdigen. Eine selbständige Würdigung einer Urkunde wäre nur möglich, wenn sie das einzige Beweismittel bildete. Im übrigen bleiben die Vertragsbestimmungen des verdeckenden Geschäftes, die auch auf das verdeckte Geschäft Anwendung finden können, für dieses in Kraft (Gschnitzer in Klang, 424). Daß im Notariatsakt von der Wertsicherung nur im Zusammenhang mit dem Kaufpreisrest von 50.000 S die Rede ist, findet seine Erklärung in der unrichtigen Beurkundung des Kaufpreises und ist daher kein Argument für die von der Revision gewünschte Auslegung.

Schließlich kann auch der Ansicht der Revision, daß die in Punkt X lit. b des notariellen Kaufvertrages vereinbarten Verzugszinsen an die Stelle der Wertsicherung treten sollten, nicht beigetreten werden. Es ist vielmehr dem Berufungsgericht beizupflichten, daß bei Verzug die Wertsicherung neben den Verzugszinsen weiter bestehen soll. Das Argument der Revision, daß ausgesprochen kaufmännische Wertsicherungs- und Zinsenvereinbarungen bei Rechtsgeschäften zwischen Verwandten nicht üblich seien, ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil eine Wertsicherungsklausel tatsächlich vereinbart wurde. Der in Punkt X lit. b des Kaufvertrages angegebene Termin bezieht sich lediglich auf das Ende der Stundung und die Zahlung, nicht aber auf die Wertsicherung. Es darf schließlich nicht übersehen werden, daß Wertsicherung und Verzugszinsen zwei voneinander verschiedenen Zwecken dienen.

Da die sich aus der Wertsicherungsklausel ergebende Erhöhung ein Teil des Kaufpreises ist, gilt auch für sie die Verjährungszeit von 30 Jahren. Die Verjährungseinrede ist daher unbegrundet.

Eine Solidarhaftung der Beklagten für die Zahlung des Kaufpreises wurde nicht vereinbart, die Klägerin hat eine solche Vereinbarung auch nicht behauptet. Ohne besondere Vereinbarung und ohne gesetzliche Anordnung kann eine Solidarhaftung nur dann angenommen werden, wenn eine solche Haftung in der Parteiabsicht oder nach der Verkehrssitte begrundet ist. Da diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, wenn zwei Personen, mögen sie auch Ehegatten sein, eine Liegenschaft je zur Hälfte erwerben, haftet jede der beklagten Parteien nur für ihren Anteil am Kaufpreis (§ 889 ABGB). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß nach Punkt VI des notariellen Kaufvertrages alle Kosten und Gebühren des Rechtsgeschäftes sowie seiner grundbücherlichen Durchführung die Käufer allein und zur ungeteilten Hand tragen. Aus dieser Vertragsbestimmung kann nicht geschlossen werden, daß der Parteiwille auf die Begründung einer Solidarhaftung auch für den Kaufpreis gerichtet war. Daraus ist im Gegenteil abzuleiten, daß eine Solidarhaftung der Käufer für den Kaufpreis nicht in der Absicht der Parteien lag, sonst wäre dies ausdrücklich gesagt worden. Wenn auch in der Revision auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt nicht hingewiesen worden ist, so ist doch nach ständiger Rechtsprechung das angefochtene Urteil nach allen möglichen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, wenn nur überhaupt der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht und gesetzmäßig ausgeführt worden ist (JBl. 1950, 140; ÖBl. 1968, 9 u. v. a.).

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