OGH 2Ob362/74

OGH2Ob362/7413.2.1975

SZ 48/14

Normen

ABGB §164a Abs1 Z1
ABGB §164a Abs1 Z1

 

Spruch:

Der Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses der Vaterschaft ist stattzugeben, wenn das Anerkenntnis deshalb erfolgte, weil die Mutter des Kindes den Anerkennenden unter der listigen Vorstellung, sie werde ihn heiraten, zur Abgabe des Anerkenntnisses der Vaterschaft bewog

OGH 13. Feber 1975, 2 Ob 362/74 (KG Leoben R 573/74; BG Murau S 91/74)

Text

Die taubstumme Theresia A lernte im Mai 1973 durch Vermittlung ihrer Schwester Klothilde den Kläger kennen. Sie war damals schon nach einem Geschlechtsverkehr mit Walter S am 11. März 1973 schwanger und teilte dies auch im Beisein ihrer Schwester und ihrer Mutter dem Kläger mit. Am 15. Juni 1973 kam es zum ersten Geschlechtsverkehr mit dem Kläger, der sie trotz ihrer Schwangerschaft heiraten wollte. Am 21. Dezember 1973 brachte Theresia A die mj. Sabine A, die Beklagte, zur Welt. Die Empfängniszeit des Kindes reicht vom 22. Feber 1973 bis zum 24. Juni 1973. Am 7. Feber 1974 erklärte der Kläger vor der Bezirkshauptmannschaft M in Erwartung der vereinbarten Eheschließung, die Vaterschaft zur mj. Sabine A anzuerkennen und verpflichtete sich in einem Unterhaltsvergleich zur Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 500 S. Die Mutter der mj. Sabine A, Theresie A, hat am 7. Feber 1974 den Kläger vor der Bezirkshauptmannschaft M als den Vater der mj. Sabine bezeichnet. Da sich der Kläger weigerte, das erste uneheliche Kind der Theresie A, den mj. Reinhold, mit in die künftige Ehegemeinschaft zu nehmen, lehnte Theresia A schließlich eine Eheschließung mit dem Kläger ab.

Mit der am 1. Juli 1974 erhobenen Klage begehrte der Kläger den Ausspruch, daß er nicht der Vater der mj. Sabine A sei und daß das Vaterschaftsanerkenntnis und der Unterhaltsvergleich der Bezirkshauptmannschaft M vom 7. Feber 1974 nichtig und rechtsunwirksam seien. Er brachte zur Begründung seines Begehrens vor, daß er die Vaterschaft in Erwartung der beabsichtigten Eheschließung anerkannt habe und sich in dieser Erwartung zur Bezahlung eines Unterhaltsbetrages verpflichtet habe. Durch die Weigerung der Mutter sehe er sich gezwungen, sein unrichtiges Vaterschaftsanerkenntnis sowie den Unterhaltsvergleich anzufechten. Er sei auch blutmäßig und nach den Reifemerkmalen des Kindes von der Vaterschaft zur mj. Sabine auszuschließen.

Die beklagte Partei hat das Klagsvorbringen bestritten und eingewendet, daß der Kläger der Mutter des Kindes in der kritischen Zeit beigewohnt habe und daher dessen Vater sei.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen und ausgeführt, es sei zwar auszuschließen, daß der Kläger der Vater der mj. Sabine A sei, weil die Mutter Theresia A im Zeitpunkt des ersten Geschlechtsverkehrs mit dem Kläger bereits zwei Monate schwanger gewesen sei. Gemäß § 164a Abs. 1 ABGB könne jedoch die Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses nur festgestellt werden, wenn solche Umstände vorliegen, die die Vermutung der Vaterschaft entkräften und die der Kläger zur Zeit der Anerkennung nicht gekannt hat. Im vorliegenden Fall seien diese Umstände, nämlich die Schwangerschaft der Theresia A, dem Kläger aber bekannt gewesen. List oder Irrtum rechtfertigten die Klage nur dann, wenn sie sich auf den Umstand beziehen, daß der Kläger der Mutter innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt habe. Hierüber sei der Kläger aber nicht in Irrtum befangen gewesen. Im übrigen sei die Klage auch wegen Verstreichens der Ausschlußfrist des § 164a Abs. 2 ABGB unbegrundet. Vorliegendenfalls könne nur damit Abhilfe geschaffen werden, daß der Staatsanwalt gemäß § 164c Abs. 1 Z. 3 ABGB im öffentlichen Interesse die Klage auf Feststellung der Vaterschaft gegen den mutmaßlichen Vater Walter S einbringt.

Das Berufungsgericht hat der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung Folge gegeben, das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zum Rekursantrag sei vorerst bemerkt, daß im Rekurs gegen einen berufungsgerichtlichen Beschluß, womit das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Sachentscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wird, vom Obersten Gerichtshof nicht die Entscheidung in der Hauptsache selbst begehrt werden kann (MGA ZPO[13] § 519 Z. 3/8). Dies steht jedoch der sachlichen Erledigung des Rechtsmittels nicht im Wege.

Der Rekurswerber führt aus, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, daß die Voraussetzungen der Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses der Vaterschaft gemäß § 164a ABGB gegeben seien, weil der Kläger durch listiges Verhalten der Mutter, nämlich durch ihre Zusage, den Kläger ehelichen zu wollen, zur Anerkennung der Vaterschaft und zum Abschluß des Unterhaltsvergleichs bewogen worden sei. Ein listiges Verhalten sei aber nach dieser Gesetzesstelle nur dann von Bedeutung, wenn es sich darauf beziehe, daß der Beklagte der Mutter innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt habe. Hierüber sei aber der Beklagte nicht getäuscht worden.

Diesen Ausführungen kann jedoch nicht gefolgt werden. Auszugehen ist davon, daß der Kläger die Vaterschaft zur mj. Sabine A am 7. Dezember 1974 vor der Bezirkshauptmannschaft M anerkannt hat; dieses Anerkenntnis entspricht inhaltlich den Formerfordernissen des § 163c ABGB. Der Kläger wurde auch gemäß § 163c Abs. 2 des ABGB von der Mutter gegenüber der Bezirkshauptmannschaft M als Vater bezeichnet. Es ist daher davon auszugehen, daß dem Anerkenntnis feststellende Wirkung im Sinne des § 163c ABGB zukommt. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, sieht das Gesetz grundsätzlich zwei Wege vor, um die Rechtswirkungen eines Anerkenntnisses der Vaterschaft zu beseitigen. Das Gericht hat die Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses bei Vorliegen der im § 164 Abs. 1 ABGB genannten Gründe von Amts wegen (§ 164 Abs. 1 Z. 1 ABGB), auf Grund eines Widerspruchs des Kindes oder seiner Mutter (§ 164 Abs. 1 Z. 2 ABGB) oder auf Antrag des Anerkennenden (§ 164 Abs. 1 Z. 3 ABGB) im Außerstreitverfahren festzustellen. Darüber hinaus kann die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses auf Klage des Anerkennenden gegen das Kind erfolgen, wenn die in § 164a Abs. 1 ABGB angeführten Willensmängel vorliegen oder aber Umstände geltend gemacht werden, die die Vermutung der Vaterschaft entkräften und die der Anerkennende zur Zeit der Anerkennung noch nicht gekannt hat. Die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses in anderer Weise oder aus anderen Gründen als in den §§ 164 Abs. 1 und 164 A Abs. 1 ABGB vorgesehen ist gemäß § 164b ABGB unzulässig. Dem Berufungsgericht ist nun darin beizupflichten, daß dem Klagebegehren hinreichend deutlich entnommen werden kann, daß der Kläger seine Klage auf listige Irreführung durch die Mutter des beklagten Kindes stützt. Gemäß § 164a Abs. 1 Z. 1 ABGB hat das Gericht die Rechtsunwirksamkeit das Anerkenntnis festzustellen, wenn der Anerkennende beweist, daß sein Anerkenntnis durch List, ungerechte und gegrundete Furcht oder Irrtum darüber veranlaßt worden ist, daß er der Mutter innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat. Die Erläuternden Bemerkungen zum Bundesgesetz über die Rechtsstellung des unehelichen Kindes (6 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP) heben hervor, daß die Ausdrucksweise "List" und "ungerechte und gegrundete Furcht" sichere, daß diese Voraussetzungen im Sinne des § 870 ABGB ausgelegt werden. Die Voraussetzungen für den Rechtsunwirksamkeitsgrund des Irrtums seien hingegen nicht im Sinn der §§ 871 ff. ABGB zu deuten. Ein Irrtum werde nämlich nur dann als Rechtsunwirksamkeitsgrund anerkannt, wenn sich der Anerkennende darüber geirrt hat, daß er der Mutter innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt habe. Neben dieser aus den Erläuternden Bemerkungen zu erschließenden Absicht des Gesetzgebers ist darauf hinzuweisen, daß es schon rein sprachlich nicht möglich wäre, daß sich der Anfechtungsgrund der ungerechten und gegrundeten Furcht auf den Umstand beziehen könne, der Mutter beigewohnt zu haben; gleiches muß dann aber auch für die List gelten. Auch Kralik, Die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes, JBl. 1971, 273 ff., hält den Anspruch der Rechtsunwirksamkeit bei List und Zwang schlechthin für zulässig (280); ebenso wohl auch Kapfer (vgl. MGA ABGB[29] § 164a Anm. 3 und 4). Dieser Auffassung ist beizupflichten, weil schon die am Wortlaut des Gesetzes orientierte Auslegung zum Ergebnis führt, daß die Anfechtung wegen List schlechthin, nämlich bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 870 ABGB zulässig ist und nur die Irrtumsanfechtung, wie ausgeführt, Beschränkungen unterliegt. Diese Auslegung steht auch, wie dargelegt, mit den Gesetzesmaterialien in Einklang. Nach § 870 ABGB berechtigt aber auch ein durch Täuschung veranlaßter Motivirrtum zur Anfechtung (EvBl. 1967/437 und Gschnitzer in Klang, Komm.[2] IV/1, 109). Sollte demnach erweislich sein, daß Theresia A den Kläger durch die listige Vorstellung, sie werde ihn heiraten, zur Abgabe des Anerkenntnisses der Vaterschaft bewogen hat, so wäre der Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit stattzugeben. Dies gilt - auch hierin ist dem Berufungsgericht zu folgen - auch dann, wenn Theresia A dem Kläger verschwiegen haben sollte, daß sie ihn nur dann heiraten wolle, wenn er ihr erstes außereheliches Kind in die neue eheliche Gemeinschaft aufnehme.

Der Beklagte stützt sein Klagebegehren weiters auch darauf, daß er nach dem Reifegrad des Kindes und den Blutmerkmalen von der Vaterschaft auszuschließen sei. Er macht damit den Anfechtungsgrund des § 164a Abs. 1 Z. 2 ABGB geltend, wonach die Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses festzustellen ist, wenn solche Umstände vorliegen, die die Vermutung der Vaterschaft entkräften und die der Anerkennende zur Zeit der Anerkennung nicht gekannt hat. Mit dieser Bestimmung sollte im wesentlichen die Anfechtung des Anerkenntnisses wegen neuer Tatsachen und Beweise ermöglicht und dem Anerkennenden dieselbe Anfechtungsmöglichkeit eröffnet werden, wie demjenigen, dessen Vaterschaft urteilsmäßig festgestellt wurde (Erläuternde Bemerkungen zu § 164a). Hatte aber der Kläger positive Kenntnis davon, daß die Mutter des Kindes im Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs bereits schwanger war und hat er sich ungeachtet dieses Umstandes zur Erklärung des Anerkenntnisses verstanden, kommt eine Feststellung der Rechtsunwirksamkeit nach § 164a Abs. 1 Z. 2 ABGB nicht in Betracht, weil dem Kläger ja von vornherein bewußt war, daß Umstände vorliegen, welche die Vermutung der Vaterschaft (Beiwohnung innerhalb der kritischen Zeit) widerlegen. Daß die Klage fristgerecht erhoben wurde, wird im Rekurs nicht mehr in Zweifel gezogen; es kann daher insofern auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluß verwiesen werden. Ausgehend von dieser Rechtslage sind aber - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - ergänzende Feststellungen über den Inhalt des dem Kläger gemachten Eheversprechens erforderlich. Entscheidende Bedeutung wird dem Umstand zukommen, ob Theresia A dem Kläger verschwiegen hat, daß sie die Eheschließung von der Aufnahme ihres ersten unehelichen Kindes, des mj. Reinhold, in die eheliche Gemeinschaft abhängig macht und ob der Kläger dadurch zur Erklärung des Anerkenntnisses der Vaterschaft bewogen wurde.

Im Rekurs wird zur Frage der Anfechtung des abgeschlossenen Unterhaltsvergleiches keine Stellung bezogen. Nun kann aber der Unterhaltsvergleich als zweiseitig verbindlicher, entgeltlicher Vertrag nur durch dessen Anfechtung außer Wirksamkeit gesetzt werden. Er tritt demnach nicht schon dann automatisch außer Kraft, wenn dem Begehren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses stattgegeben wird. Die Anfechtungsvoraussetzungen sind vielmehr nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes (§ 1385 ABGB) getrennt zu beurteilen. (Vgl. hiezu auch 1 Ob 287/70). Ein Vergleich kann aber wegen List (§ 870 ABGB) angefochten werden (Wolff in Klang[2] VI, 281, weiter SZ VIII/197, wobei auch - wie erwähnt - die listige Irreführung über Umstände in Betracht kommt, die das Motiv des Erklärenden gebildet haben, wie hier die in Aussicht gestellte Eheschließung. Im vorliegenden Fall sind daher die Voraussetzungen sowohl für die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses der Vaterschaft als auch des abgeschlossenen Unterhaltsvergleiches identisch.

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