OGH 2Ob354/74

OGH2Ob354/7413.2.1975

SZ 48/13

Normen

ABGB §1327
ABGB §1327

 

Spruch:

Die Ersatzpflicht, die sich aus der Tötung eines Menschen nach § 1327 ABGB ergibt, erstreckt sich auch auf Unterhaltsansprüche, die vom Getöteten erst später oder nach Eintritt einer Bedingung zu erfüllen gewesen wären

OGH 13. Feber 1975, 2 Ob 354/74 (OLG Wien 9 R 154/74; LGZ Wien 33 Cg 844/73)

Text

Am 29. August 1970 ereignete sich in Weissenbach bei Liezen ein Verkehrsunfall, bei dem der Ehemann der Klägerin, Karl G, getötet wurde. Das Alleinverschulden am Unfall trifft Jakob Z aus Zagreb. Der beklagte Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs ist haftpflichtig.

Die Klägerin begehrt als Witwe und Erbin nach Karl G die Feststellung, daß ihr die beklagte Partei für alle zukünftigen Ansprüche, die durch den von Jakob Z am 29. August 1970 verschuldeten Unfallstod ihres Gatten Karl G gemäß § 1327 ABGB entstehen könnten, hafte, jedoch beschränkt auf die im Zeitpunkt des Unfalls geltenden Mindestversicherungssummen.

Die beklagte Partei hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und vorgebracht, daß der Klägerin das Feststellungsinteresse mangle, weil innerhalb von drei Jahren nach Schadenseintritt kein auf § 1327 ABGB gegrundetes Leistungsbegehren gestellt worden sei und demnach auch künftige Schäden aus diesem Rechtsgrund nicht ersatzfähig seien.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben und festgestellt:

Karl G leitete ein Transportunternehmen und bezog aus dessen Einkünften seinen Unterhalt. Seiner Ehegattin Katharina G leistete er monatliche Unterhaltszahlungen bis zur Höhe von 10.000 S. Karl G hat als Erben seines Nachlasses testamentarisch die Klägerin und die Tochter aus der gemeinsamen Ehe berufen. Für die vor Einantwortung des Nachlasses verstorbene Tochter traten deren zwei Kinder, also die Enkelkinder des Ehepaares G, als Erben ein. Am 21. Oktober 1970 haben die Erben bedingte Erbserklärungen zu Gericht abgegeben. Die beiden Enkelkinder haben auf die Fortführung des Transportunternehmens als Deszendentenbetrieb verzichtet. Das Unternehmen wird von der Klägerin weitergeführt. Das Abhandlungsverfahren wurde mit Einantwortungsurkunde vom 14. November 1972 beendet.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Klägerin habe nach dem Tod ihres Mannes Anspruch auf Ersatz des ihr künftig entgehenden Unterhalts auch dann, wenn derzeit ein solcher Alimentationsanspruch der Witwe zu verneinen sei, weil sie das Unternehmen ihres Gatten weiterführt. Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung sei gegeben, weil nur auf diese Weise der Eintritt der Verjährung künftig entstehender Ansprüche verhindert werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes tendiere zwar dahin, eine Feststellungsklage auf Ersatz künftig entstehender Schäden in weitem Umfang zuzulassen, doch könne ein solches Begehren nur dann gestellt werden, wenn die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts bestehe. Die Klägerin habe aber nicht behauptet, daß die ihr zukommenden Erträgnisse aus dem geerbten Unternehmen ihres Gatten die Höhe des ihr zustehenden Unterhaltsanspruchs zu irgendeinem Zeitpunkt aus irgendeinem Gründe nicht mehr erreichen würden und somit in Zukunft die Möglichkeit eines weiteren Schadens gegeben sei. Im übrigen rechtfertige ein Rentenanspruch nach § 1327 ABGB noch kein Feststellungsbegehren.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und stellte das Ersturteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 1327 ABGB hat der Schädiger im Falle der Tötung eines Menschen den Hinterbliebenen für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, zu ersetzen. Nach ständiger Rechtsprechung ist "entgangen" auch das, was künftig entgeht, also alles was die Hinterbliebenen erhielten, wenn der zur Unterhaltsleistung nach dem Gesetz Verpflichtete nicht getötet worden wäre (vgl. Kapfer MGA, ABGB[29] § 1327/2 a). Die Ersatzpflicht, die sich aus der Tötung eines Menschen nach § 1327 ABGB ergibt, erstreckt sich demnach auch auf Unterhaltsansprüche, die vom Getöteten erst später oder nach Eintritt einer Bedingung zu erfüllen gewesen wären. (8 Ob 112/74 u. a.). Es kann daher - entgegen der Ansicht des Revisionsgegners - keine Rede davon sein, daß die Ersatzpflicht für künftige Schäden davon abhängig wäre, daß bereits innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 1489 ABGB) ein konkreter Schaden eingetreten ist. Nun hat der Erstrichter unbekämpft festgestellt, daß der Getötete seiner Ehefrau, der Klägerin, monatlich bis zu 10.000 S an Unterhalt geleistet hat. Wenn auch die Klägerin derzeit das Unternehmen ihres Mannes weiterführt - ob als Witwenfortbetrieb im Sinne der Gewerbeordnung kann dahingestellt bleiben - und nach ihrer eigenen Darstellung derzeit ein Anspruch gemäß § 1327 ABGB noch nicht existent geworden ist, so kann dies doch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Der Oberste Gerichtshof bejaht auch in ständiger Rechtsprechung die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens, wenn der Anspruch des Klägers auch nur aus einer Rente nach § 1327 ABGB besteht (SZ 40/158; ZVR 1974/165). Dabei genügt zur Begründung des Feststellungsinteresses (§ 228 ZPO) der allgemeine Hinweis, daß weitere Schäden aus dem Schadensereignis nicht mit Sicherheit auszuschließen sind; konkrete Angaben über die Art der zu erwartenden Schäden sind hingegen nicht erforderlich (EvBl. 1966/381; ZVR 1970/122; ZVR 1973/45). Die Klägerin hat aber in der Klage ausgeführt, daß die Anrechnung von Einkünften aus der Fortführung des Unternehmens über kurz oder lang ein Ende finden würde und sodann ihre Forderung gemäß § 1327 ABGB gegenüber der beklagten Partei zum Tragen kommen könnte. Nun kann tatsächlich nicht mit Gewißheit ausgeschlossen werden - auch die beklagte Partei hat dies nicht behauptet -, daß die Einnahmen der Klägerin aus dem von ihr fortgeführten Unternehmen nicht ihr Ende finden, oder doch auf ein Ausmaß zurückgehen könnten, das die Erhebung eines Anspruchs nach § 1327 ABGB rechtfertigt. Demzufolge ist aber das rechtliche Interesse an der Feststellung (§ 228 ZPO) zu bejahen. Es ergibt sich dies auch aus der Erwägung, daß der Eintritt der Verjährung und spätere Beweisschwierigkeiten verhindert werden sollen.

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