Spruch:
Die Eintragung im Beurkundungsregister des Notars sowie die notarielle Beurkundung der Echtheit einer Unterschrift auf einer Privaturkunde sind Urkunden. Dagegen ist der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig
OGH 14. November 1974, 2 Ob 241/74 (OLG Wien 4 R 48/74 LG Eisenstadt 1 Cg 170/72
Text
Mit beglaubigter Vollmacht vom 21. Mai 1970 erteilte Johann F (Inhaber einer "Finanzkanzlei" in X) der Ingrid B (Kreditvermittlerin in Y) "Prozeßvollmacht" und bevollmächtigte sie insbesondere, Einverleibungs-, Vorrangseinräumungs- und Löschungserklärungen abzugeben, Gesuche um Bewilligung grundbücherlicher Eintragungen und Rangordnungsanmerkungen jeder Art zu unterfertigen und unbewegliche Sachen und Rechte zu veräußern, zu verpfänden oder entgeltlich oder unentgeltlich zu übernehmen, sowie Darlehensverträge zu schließen.
Am 6. Dezember 1971 erteilte der Beklagte dem Johann F eine gleichartige Vollmacht; auf dieser befindet sich eine Bestätigung der Echtheit der Unterschrift des Beklagten durch den öffentlichen Notar Dr. P in Z (Beurkundungsregisterzahl 2449/1971).
Am 17. Mai 1972 erteilte Johann F der Ingrid B nochmals eine gleichartige Vollmacht.
Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 1584 des Grundbuches für die Katastralgemeinde G. Im Lastenblatt dieser Liegenschaft war unter COZ 7 die bis 13. Dezember 1972 wirksame Rangordnung für die beabsichtigte Eintragung des Pfandrechtes im Betrage von 100.000 S samt Anhang angemerkt.
Laut Schuldschein vom 27. Juni 1972 bestätigte der Beklagte, von den beiden Klägern je ein Darlehen von 50.000 S zusammen also 100.000 S, bar zugezählt erhalten zuhaben und diesen Betrag den Genannten zu schulden. Der Beklagte verpflichtet sich, diese Darlehen am 26. November 1972 zurückzuzahlen und bis zur Rückzahlung, vom 26. Jänner 1972 angefangen, mit 12% jährlich zu verzinsen. Zur Sicherstellung dieser 100.000 S samt Anhang verpfändete der Beklagte seine Liegenschaft. Dieser Schuldschein wurde von Ingrid B "für Josef T (Beklagter), geboren 24. Jänner 1940", unterschrieben. Die Echtheit der Unterschrift der Ingrid B wurde notariell bestätigt.
Das Bezirksgericht O bewilligte die Einverleibung des Pfandrechtes der beiden Kläger. In seinem dagegen erhobenen Rekurs behauptete der Beklagte, daß er die beglaubigte Vollmacht vom 6. Dezember 1971 nicht unterschrieben und auch die Darlehensbeträge nicht zugezahlt erhalten habe. Das Rekursgericht bewilligte lediglich die Vormerkung der Pfandrechte und erteilte den beiden Klägern Frist zur Erhebung der Rechtfertigungsklage. Es begrundete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Da dem Grundbuchsgericht eine beglaubigte Vollmachtsurkunde vorliege, könne auf den Einwand des Rekurswerbers, es handle sich nicht um seine Unterschrift, nicht eingegangen werden. Nach § 31 Abs. 6 GBG könne aber die Bewilligung der Einverleibung gegen den Machtgeber nur dann erfolgen, wenn die Verbücherungsurkunde vom Machthaber selbst unterfertigt worden sei, nicht aber dann, wenn der Substitut des Machthabers einschreite; dies auch dann nicht, wenn die Substitution im Sinne des § 1010 ABGB ausdrücklich gestattet worden sei. Dazu komme, daß die Substitution durch den Machthaber erfolgt sei, ehe dieser Machthaber vom Liegenschaftseigentümer Vollmacht erhalten hatte. Gemäß §§ 35, 36 GBG sei aber auf Grund der vorliegenden Urkunden die Vormerkung des Pfandrechtes möglich, weil sowohl die Forderung als auch der Rechtsgrund zum Pfandrecht hinlänglich bescheinigt sei und die Vormerkung von den Antragstellern nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden sei.
Inzwischen war der Beklagte mit rechtskräftigem Versäumungsurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen W vom 1. Feber 1973 schuldig erkannt worden, den beiden Klägern je 53.050 S samt Anhang zu bezahlen.
In der vorliegenden, am 8. Mai 1973 eingebrachten Rechtfertigungsklage behaupten die Kläger, der Beklagte weigere sich, die erteilte Bevollmächtigung anzuerkennen, den errichteten Schuldschein beglaubigt zu unterfertigen oder eine Erklärung abzugeben, auf Grund deren die Rechtfertigung der Vormerkung erfolgen könne.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, die Beglaubigung der Vollmacht vom 6. Dezember 1971 sei durch eine strafbare Handlung zustandegekommen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende Feststellungen: Ingrid B war von Johann F bevollmächtigt, namens des letzteren, der seinerseits hiezu vom Beklagten bevollmächtigt war, den Darlehensvertrag laut Schuldschein vom 27. Juni 1972 abzuschließen. Am 26. Jänner 1972 hat Ingrid B die Darlehensvaluta von insgesamt 100.000 S abzüglich der Zinsen und Kosten in der Höhe von 14.400 S von den beiden Klägern in Empfang genommen und dem Johann F übergeben. Es ist nicht erwiesen, daß der Beklagte am 6. Dezember 1971 in der Kanzlei des Notars Dr. P in Z die beglaubigte Vollmacht an Johann F unterfertigt hat. Der Beklagte war weder am 6. Dezember 1971 noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in der erwähnten Kanzlei. Die Unterschrift auf der Vollmachtsurkunde stammt aber von der Hand des Beklagten. Er hat die Vollmachtsurkunde in Gegenwart des Johann F zu einem früheren Zeitpunkt, also vor dem 6. Dezember 1971, unterschrieben, ohne den Inhalt der Urkunde durchzulesen. Der Beklagte hat die Darlehensvaluta von Johann F nicht erhalten.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Bestand der bücherlich einzutragenden Forderung zwischen den beiden Klägern als Gläubigern und dem Beklagten als Personalschuldner mit Rechtskraftwirkung durch das Versäumungsurteil festgestellt worden sei. Darauf, ob der Beklagte die Darlehensvaluta von seinem Bevollmächtigten wirklich erhalten habe, könne im Rechtfertigungsprozeß nicht eingegangen werden. Johann F habe mit beglaubigter Vollmacht vom 17. Mai 1972 Ingrid B zum Abschluß von Darlehensverträgen und zur Verpfändung von Liegenschaften bevollmächtigt und diese auf Grund des Bevollmächtigungsverhältnisses mit dem Beklagten im Sinne des § 1010 ABGB substituiert. Die am 27. Juni 1973 von Ingrid B für den Beklagten vorgenommene Verpfändung seiner Liegenschaft sei daher rechtswirksam erfolgt. Der Beklagte hafte deshalb auch als Realschuldner.
Das Berufungsgericht wies die Rechtfertigungsklage ab, weil einem normwidrigen Beurkundungsvorgang die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde abgehe. Trotz der auf der Vollmacht vom 6. Dezember 1971 aufscheinenden Legalisierungsklausel genüge sie zur grundbücherlichen Einverleibung des gegenständlichen Pfandrechtes nicht. Ob der Beklagte verpflichtet sei, auf Grund des durch seinen Vertreter abgeschlossenen Darlehensvertrages eine einverleibungsfähige Urkunde auszustellen, sei bei der Entscheidung über die Rechtfertigungsklage belanglos.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird darin erblickt, daß das Urteil sich bloß darauf stütze daß der Beklagte am 6. Dezember 1971 nicht in der Kanzlei des Notais Dr. P gewesen sei. Eine dem Gesetz entsprechende Legalisierung könne von einem öffentlichen Notar auch außerhalb seiner Amtskanzlei vorgenommen werden. Im erstinstanzlichen Verfahren sei die Frage, wo die Beglaubigung erfolgte, nicht von Bedeutung gewesen.
Mit diesem Vorbringen versuchen die Kläger, unzulässigerweise in dritter Instanz ein neues Tatsachenvorbringen zu erstatten, indem sie den erstgerichtlichen Feststellungen den Sinn zu unterlegen trachten, es sei bloß festgestellt worden, daß die Beglaubigung nicht in der Kanzlei des Notars Dr. P erfolgt sei, nicht aber, wo sie sonst erfolgt sei. Es wurde aber vor dem Prozeßgericht niemals behauptet, daß der erwähnte Notar die Beglaubigung etwa außerhalb seines Amtssitzes in Gegenwart des Beklagten vorgenommen habe.
Die Rechtsrüge fuhren die Kläger dahin aus, im Rechtfertigungsprozeß sei eine auf die Vollmacht des Beklagten an Johann F vom 6. Dezember 1971 nachfolgende beglaubigte Vollmacht des letzteren an Ingrid B vom 17. Mai 1972 nachgewiesen worden. Weder die Parteien noch das Grundbuchsgericht hatten formell entsprechende Urkunden zu überprüfen. Noch dazu habe der Beklagte die Echtheit seiner Unterschrift auf der Vollmachtsurkunde an F anerkannt und taisächlich ein Darlehen aufnehmen wollen. Die Kläger hätten im Vertrauen auf die Richtigkeit der vorliegenden Urkunden Geld hingegeben und müßten in ihrer Gutgläubigkeit geschützt werden, weil sonst jedem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet wäre.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Die auf eine Privaturkunde gesetzte Beurkundung der Echtheit einer Unterschrift ist eine Urkunde für sich, und zwar eine öffentliche Urkunde (Kostner, Handbuch zur Notariatsordnung, 27 zu § 2). Desgleichen sind die Eintragungen im Beurkundungsregister Öffentliche Urkunden (265 zu § 82). Nach § 292 Abs. 2 ZPO ist der Beweis zulässig, daß der in einer öffentlichen Urkunde bezeugte Vorgang uririchtig ist. Dieser Gegenbeweis ist dem Beklagten gelungen, weil das Erstgericht festgestellt hat, daß die angebliche Beglaubigung der Unterschrift des Beklagten entgegen der Beurkundung nicht in Gegenwart des Beklagten beim Notar erfolgt ist. Es liegt daher in Wahrheit keine beglaubigte Unterschrift des Beklagten auf der dem Johann F erteilten Vollmacht vor (§§ 2, 76 Abs. 2 NotO). Daraus folgt, daß eine Voraussetzung für die Einverleibung des Pfandrechtes zugunsten der Kläger nach wie vor nicht gegeben ist, so daß die Rechtfertigungsklage, die nicht etwa eine Leistungs-, sondern eine Feststellungsklage ist (SZ 5/296), erfolglos bleiben muß.
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