Spruch:
Die von einem Zustimmungsberechtigten ohne gerechtfertigten Grund verweigerte Zustimmung ist auch bei einer Inkognito-Adoption auf Grund der Bestimmung des § 181 Abs. 3 ABGB durch Gerichtsbeschluß ersetzbar; in diesem Fall ist auch die verweigerte Verzichtserklärung gemäß § 259 AußStrG durch Gerichtsbeschluß ersetzbar
OGH 22. Oktober 1974, 3 Ob 202/74 (LG Linz 13 R 329/74; BG Linz 2 P 412/72)
Text
Das am 20. Oktober 1972 geborene Kind Peter S ist das zweite eheliche Kind von Walter und Karin S deren Ehe am 31. Oktober 1972 geschieden wurde, Hauptgrund hiefür war, daß Walter S am 4. Oktober 1972 seine damals hochschwangere Gattin in Mordabsicht lebensgefährlich verletzte. Er wurde deshalb wegen versuchten Mordes rechtskräftig verurteilt und verbüßt derzeit die über ihn verhängte Strafe.
Das bei diesem Sachverhalt gemäß § 176 ABGB zum Vormund der ehelichen Kinder bestellte Stadtjugendamt L beantragte die Genehmigung eines am 28 September 1973 hinsichtlich des minderjährigen Peter S abgeschlossenen Inkognito-Adoptionsvertrages, die Ersetzung der vom ehelichen Vater hiezu verweigerten Zustimmung und für den Fall der Verweigerung einer Verzichtserklärung im Sinne des § 259 AußStrG auch deren Ersetzung. Die eheliche Mutter hatte sowohl ihre Zustimmung zu dieser Inkognito-Adoption erklärt, als auch eine Verzichtserklärung gemäß § 259 AußStrG abgegeben.
Das Erstgericht ersetzte zunächst die vom ehelichen Vater verweigerte Zustimmung zur Adopition gemäß § 181 Abs. 3 ABGB; die dagegen vom ehelichen Vater an das Rekursgericht und den Obersten Gerichtshof ergriffenen Rechtsmittel blieben erfolglos.
Der eheliche Vater weigerte sich auch nach Zustellung der oberstgerichtlichen Entscheidung, eine Verzichtserklärung im Sinne des § 259 AußStrG, abzugeben.
Das Erstgericht wies daraufhin den Antrag des Vormundes, den vom ehelichen Vater verweigerten Verzicht auf Bekanntgabe von Namen und Anschrift der Wahleltern sowie auf Zustellung des den Adoptionsvertrag bewilligenden Beschlusses durch Gerichtsbeschluß zu ersetzen, mit der Begründung ab, daß hiefür eine gesetzliche Grundlage fehle.
Das Rekursgericht sprach in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses aus, daß der vom Vater verweigerte Verzicht auf Bekanntgabe des Namens und des Wohnortes der Wahleltern sowie auf Zustellung des Bewilligungsbeschlusses ersetzt werde.
Das Rekursgericht legte nach einem Hinweis auf die unterschiedlichen Auffassungen der Literatur (Edlbacher, ÖJZ 1964, 226 einerseits und Steininger, JBl. 1963, 453 sowie Osthe im, JBl. 1966, 113 andererseits) ausführlich seine (vom Erstgericht abweichende) Auffassung dar, daß die Ersetzung der Zustimmung zur Adoption gemäß § 181 Abs. 3 ABGB einen schwerwiegenderen Eingriff darstelle als die Ersetzung der Verzichtserklärung im Sinn des § 259 AußstrG; die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes über die Annahme an Kindesstatt seien nur als verfahrensrechtliche Grundlagen zur Anwendung der materiell-rechtlichen Bestimmungen der §§ 179 f. ABGB zu beurteilen; es seien daher nicht bloß die verweigerte Zustimmung zur Adoption (infolge der ausdrücklichen Bestimmung des § 181 Abs. 3 ABGB), sondern auch die verweigerte Verzichtserklärung gemäß § 259 AußStrG grundsätzlich ersetzbar. Diese Ersetzung könne zwar wegen der Tragweite einer derartigen Verzichtserklärung nur in Ausnahmefällen Platz greifen; ein derartiger Ausnahmefall liege jedoch hier vor.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des ehelichen Vaters nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Rechtsmittelwerber ist einzuräumen, daß jede gegen den Willen eines Zustimmungsberechtigten bewilligte Adoption einen erheblichen Eingriff in dessen Rechtssphäre darstellt sowie daß dieser Eingriff bei einer sogenannten "lnkognito-Adoption" besonders schwer wiegt. Dessen ungeachtet eröffnet das Gesetz im § 181 Abs. 3 ABGB die Möglichkeit, die von einem Zustimmungsberechtigten ohne gerechtfertigten Grund verweigerte Zustimmung zur Adoption durch Gerichtsbeschluß zu ersetzen. Dies gilt nach dem Wortlaut der angeführten Gesetzesbestimmung ohne jede Einschränkung, ihr Wortlaut bildet somit kein Hindernis, sie auch auf sogenannte Inkognito-Adoptionen anzuwenden.
Der Zweck einer derartigen Inkognito-Adoption würde jedoch vereitelt, falls die Zustimmungsberechtigten (Anhörungsberechtigten) durch die Zustellung des die Adoption bewilligenden Beschlusses den Namen und die Anschrift des bzw. der Annehmenden erfahren wurden. Aus diesem Grund sieht das Gesetz bei einer Inkognito-Adoption neben der Zustimmung zur Adoption auch die Erklärung des Verzichtes der Zustimmungsberechtigten (bzw. Anhörungsberechtigten) auf Mitteilung des Namens und des Wohnortes des Annehmenden sowie auf Zustellung des die Adoption bewilligenden Beschlusses vor (§ 259 AußStrG), allerdings ohne ausdrücklich zu bestimmen, ob auch diese Verzichtserklärung im Falle ihrer Verweigerung ohne gerechtfertigte Gründe - analog der Bestimmung des § 181 Abs. 3 ABGB - ersetzbar ist.
Bei dieser Gesetzeslage vertritt die bereits vom Rekursgericht zitierte Literatur überwiegend die Auffassung, daß § 181 Abs. 3 ABGB auch für Inkognito-Adoption gilt und daß bei Bedachtnahme auf den Zweck dieser Bestimmung auch die verweigerte Verzichtserklärung im Sinn des § 259 AußStrG durch Gerichtsbeschluß ersetzbar ist (ebenso Steininger und Ostheim, a. M. allerdings Edlbacher unter Berufung auf die Erläuternden Bemerkungen 29); Schwimann (in FamRZtg. 1973, 345) hält die Bestimmung des § 181 Abs. 3 ABGB auch bei Inkognito-Adoption für anwendbar vertritt jedoch zur Verzichtserklärung gemäß § 259 AußStrG die Ansicht, daß ein Zustimmungsberechtigter, dessen verweigerte Zustimmung gemäß § 181 Abs. 3 ABGB ersetzt worden sei, aus dem in § 259 AußStrG angeführten Personenkreis ausscheide und daher von ihm keine Verzichtserklärung nach dieser Gesetzesstelle mehr erforderlich sei (351).
Der Oberste Gerichtshof war mit den sich bei einer Inkognito-Adoption infolge Verweigerung der Zustimmung bzw. Verzichtserklärung ergebenden Problemen, soweit ersichtlich, bisher lediglich in den Entscheidungen 8 Ob 154/66 (in SZ 39/104 und anderwärts veröffentlicht) sowie 6 Ob 138/69 und 3 Ob 54/74 (unveröffentlicht) befaßt, wobei er in den beiden zuletzt zitierten Entscheidungen infolge Bestätigung der jeweiligen erstinstanzlichen Entscheidung lediglich zum Ausdruck brachte, daß sowohl die Ersetzung der verweigerten Zustimmung zu einer Inkognito-Adoption (6 Ob 138/69 und 3 Ob 54/74), als auch die Ersetzung der verweigerten Verzichtserklärung im Sinn des § 259 AußStrG (6 Ob 138/69) durch Gerichtsbeschluß nicht "offenbar gesetzwidrig" sind. Die Entscheidung SZ 39/104 erörterte zwar nicht ausdrücklich die Frage, ob bei einer Inkognito-Adoption die verweigerte Zustimmung ersetzbar ist, brachte jedoch dadurch, daß sie für den konkret vorliegenden Fall einer Inkognito-Adoption ausführte, das Gericht habe die ohne gerechtfertigte Gründe verweigerte Zustimmung zur Adoption gemäß § 181 Abs. 3 ABGB zu ersetzen, zumindest mittelbar zum Ausdruck, daß auch bei einer Inkognito-Adoption (entgegen der Auffassung Edlbacher) die Bestimmung des § 181 Abs. 3 ABGB anzuwenden ist.
Wie von der bereits zitierten Literatur (Steininger, Ostheim und Schwimann) richtig hervorgehoben wurde, lassen die Bestimmungen des Gesetzes vom 17. Feber 1960 in manchen Bereichen die erforderliche Genauigkeit und Übereinstimmung vermissen. Auch zur eindeutigen Regelung des gegenständlichen Problemes wäre es zweckmäßig gewesen, entweder auszusprechen, daß die Bestimmung des § 181 Abs. 3 ABGB bei Inkognito-Adoptionen nicht anwendbar ist, oder auch bei der Verzichtserklärung gemäß § 259 AußStrG ausdrücklich anzuordnen, daß die ohne gerechtfertigte Gründe verweigerte Verzichtserklärung durch Gerichtsbeschluß ersetzbar ist.
Bei Betrachtung des geltenden Adoptionsrechtes in seiner Gesamtheit läßt sich jedoch deutlich der Grundsatz erkennen, daß jenen Personen, die einer Adoption zuzustimmen haben, kein absolutes "Vetorecht" gegen eine (noch so wünschenswerte) Adoption zustehen soll. Da die sogenannte "lnkognito-Adoption" als zulässige Adoptionsform anerkannt wurde, muß der vorerwähnte Grundsatz auch für diese Adoptionsform Geltung haben; die Bestimmung des § 181 Abs. 3 ABGB, die eine Einschränkung auf bestimmte Adoptionsformen nicht enthält, ist daher auch auf Inkognito-Adoptionen anzuwenden (ebenso Steininger, Ostheim und Schwimann, ferner im Sinne der vorstehenden Ausführungen SZ 39/104), wobei es freilich im Hinblick auf die Auswirkungen dieser Adoptionsform nur in Ausnahmefällen zu einer Ersetzung der verweigerten Zustimmung wird kommen können.
Im vorliegenden Fall ist dies bereits rechtskräftig geschehen;, hiedurch wurde jedoch keine andere Rechtslage geschaffen, als wenn der eheliche Vater von sich aus seine Zustimmung zur Adoption erklärt hätte. Demzufolge kann - entgegen der von Schwimann vertretenen Auffassung - nicht gesagt werden, daß Walter S nunmehr nicht mehr zu den "Zustimmungsberechtigten" im Sinn des § 259 AußStrG zähle. Vor allem wäre Schwimanns Ausführungen in dem durchaus denkbaren Fall der Boden entzogen, daß ein Zustimmungsberechtigter zwar die Zustimmung zur Inkognito-Adoption erklärt und damit eine Beschlußfassung gemäß § 181 Abs. 3 ABGB ausschaltet, aber sich weigert, eine dem § 259 AußStrG entsprechende Verzichtserklärung abzugeben.
Gerade diese Überlegung zeigt, daß es äußerst unbefriedigend wäre, zwar die Ersetzung der verweigerten Zustimmung zu einer Inkognito-Adoption, nicht aber die Ersetzung der verweigerten Verzichtserklärung gemäß § 259 AußStrG als zulässig anzusehen, weil das Gesetz eine derartige Möglichkeit nicht ausdrücklich vorsieht. Zu dieser Frage ist vielmehr den überzeugenden Ausführungen Ostheims (194) zu folgen, daß die Verzichtserklärung im Sinne des § 259 AußstrG nur einen "besonderen Fall des Zustimmungsrechtes" darstellt, also mit der Zustimmung zu einer Inkognito-Adoption die damit zusammenhängende Verzichtserklärung im Sinne des § 259 AußstrG verbunden ist. Dieses Argument in Verbindung mit dem zutreffenden Hinweis des Rekursgerichtes, daß die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes nur die verfahrensrechtliche Seite der durch das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geregelten Adoption darstelle, beweist die Richtigkeit der Auffassung des angefochtenen Beschlusses, daß bei einer Ersetzung der verweigerten Zustimmung zur Inkognito-Adoption gemäß § 181 Abs. 3 ABGB auch die verweigerte Verzichtserklärung im Sinn des § 259 AußStrG durch Gerichtsbeschluß ersetzbar ist.
Von dieser nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich zulässigen Beschlußfassung hat das Rekursgericht hier zutreffend Gebrauch gemacht.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)