OGH 1Ob136/74

OGH1Ob136/7411.9.1974

SZ 47/93

 

Spruch:

Miteigentümern steht gegen andere Miteigentümer kein klagbarer Anspruch darauf zu, von einer Löschungsbewilligung eines Pfandgläubigers bei ihren Miteigentumsanteilen in gleicher Weise Gebrauch zu machen wie sie selbst.

OGH 11. September 1974, 1 Ob 136/74 (OLG Wien 6b R 242/73; LGZ Wien 22 Cg 150/73)

 

Entscheidungsgründe:

Die Kläger, die nach ihren Behauptungen Miteigentümer der Liegenschaft EZ 208 KG N sind, begehrten gegen Hedwig Z und die beiden Beklagten, die nach Behauptungen der Kläger Miteigentümer der restlichen Anteile sind, das Urteil, sie seien schuldig zuzustimmen, daß im Grundbuch der Liegenschaft EZ 208 KG N folgende Eintragungen vorgenommen werden: a) Auf den zusammen 4728/21.518 Anteilen der Edith L und Josef L die Einverleibung der Teillöschung des Darlehens des Wohnhauswiederaufbau-Fonds hinsichtlich eines Teilbetrages von

2.653.515 S, so daß diese 4728/21.518 Anteile für ein restliches Darlehen von 222.075 S haften; b) auf den restlichen insgesamt 16.790/21.518 Anteilen die Einverleibung der Teillöschung des Darlehens des Wohnhauswiederaufbau-Fonds hinsichtlich eines Teilbetrages von 222.075 S, so daß diese 16.790/21.518 Anteile für ein restliches Darlehen von 2.653.515 S haften, und daß die hiezu erforderlichen Verbücherungsanträge gestellt werden. Die Liegenschaft besäße einen Straßentrakt und einen Hoftrakt. Der Straßentrakt sei im Krieg zerstört, der Hoftrakt lediglich beschädigt worden. Zur Wiederherstellung des Straßentraktes und zur Reparatur des Hoftraktes habe der Wohnhauswiederaufbau- Fonds ein Darlehen in der Höhe von 2.875.570 S gewährt. Da dieses Darlehen nicht gleichermaßen für beide Trakte verwendet worden sei und überdies lediglich der Straßentrakt im Wohnungseigentum vergeben worden sei, während der alte Hoftrakt den Klägern Edith L und Josef L zur alleinigen Verfügung stehe, sei das genannte Darlehen aufgeteilt und errechnet worden, daß auf den Straßentrakt 2.653.515 S und auf den Hoftrakt 222.075 S aufgewendet worden seien. Der Straßentrakt stehe zu 16.790/21.518 Anteilen im Miteigentum der Wohnungseigentümer, während auf den Hoftrakt die je 2364/21.518 Anteile der Edith L und des Josef L entfielen. Infolge der unterschiedlichen Verwendung der Darlehensmittel seien die Miteigentumsanteile intern unterschiedlich belastet worden, so daß die Wohnungseigentümer des Straßentraktes den Teilbetrag von2.653.515 S und Edith sowie Josef L für den Hintertrakt den Darlehensteilbetrag von 222.075 S zu tilgen hätten. Im Sinne dieser von den Parteien unbestrittenen Aufteilung sei auch die Verrechnung der Darlehensrückzahlungsraten erfolgt. Auch der Wohnhauswiederaufbau-Fonds habe diese interne Regelung für seinen Bereich anerkannt und habe sich mit Bescheid vom 15. Juni 1970 mit der entsprechenden jeweiligen Teillöschungserklärung einverstanden erklärt. Da der Wohnhauswiederaufbau-Fonds die Herstellung der Grundbuchsordnung im obigen Sinn begehre und weil für den Fall vorzeitiger Darlehenstilgungen die geänderte Rechtslage auch nach außen hin und grundbücherlich ersichtlich sein müsse, hätten alle Miteigentümer mit Ausnahme der Hedwig Z ein Grundbuchsgesuch zur Teillöschung unterfertigt. Da jedoch sämtliche Miteigentümer den Antrag stellen müßten, habe die Teillöschung nicht durchgeführt werden können. Der Wohnhauswiederaufbau-Fonds dränge jedoch auf die Herstellung der Grundbuchsordnung und auf Klageführung. Hedwig Z verweigere nach wie vor ausdrücklich die Mitwirkung zur Herstellung der Grundbuchsordnung im obigen Sinn. Die übrigen Beklagten anerkennen zwar die Sach- und Rechtslage, seien jedoch zu einem weiteren Vorgehen, insbesondere zur Klageführung gegen Hedwig Z, nicht zu bewegen gewesen und hätten auch keine weitere Vollmacht erteilt. Da die Rechtslage hinsichtlich aller Liegenschaftseigentümer jedoch die gleiche sein müsse, müßten alle Miteigentümer am Verfahren beteiligt sein und zwar diejenigen, die ihre Mitwirkung versagen, als Beklagte, da sonst die Verbücherung neuerlich nicht möglich wäre.

Die beiden Beklagten erschienen zur ersten Tagsatzung trotz ausgewiesener Ladung nicht, die Kläger beantragten die Fällung eines Versäumungsurteiles gegen sie.

Das Erstgericht wies mit Versäumungsurteil das Klagebegehren ab. Unrichtig sei die Rechtsansicht der Kläger, daß alle Miteigentümer der Liegenschaft EZ 208/KG N entweder als Kläger gegen Hedwig Z oder aber als Mitbeklagte am vorliegenden Verfahren beteiligt sein müßten. Die Miteigentümer seien keine einheitliche Streitpartei. Wäre das der Fall, wäre das Klagebegehren schon abzuweisen, weil noch eine andere Person beklagt und nicht säumig gewesen sei; deren Prozeßhandlung mußten alle Säumungsfolgen von den Beklagten abwehren. Der Wohnhauswiederaufbau-Fonds könne nicht auf Herstellung der Grundbuchsordnung drängen, weil er kein Recht darauf habe, daß ein Miteigentümer von der ihm ausgestellten Teillöschungserklärung des Pfandgläubigers Gebrauch mache. Jeder Miteigentümer habe das Verfügungsrecht über die seinen Anteil belastende Pfandstelle; bis zur Einverleibung der Löschungserklärung könne jeder Miteigentümer auf Grund einer Quittung oder einer anderen das Erlöschen der Pfandschuld dartuenden Urkunde das Pfandrecht auf eine neue Forderung übertragen, die den Betrag der eingetragenen Pfandforderung nicht übersteige (§ 469 letzter Satz ABGB). Durch nichts werde Hedwig Z gezwungen, auf ihr Verfügungsrecht über die vom Wohnhauswiederaufbau-Fonds freigegebene Pfandstelle auf ihrem Miteigentumsanteil zu verzichten. Darauf hätten weder der Wohnhauswiederaufbau-Fonds noch die übrigen Miteigentümer irgend einen Anspruch. Die Meinung der Kläger, aus dem Grundbuchsstand müsse die geänderte Rechtslage nach außen hin und grundbücherlich ersichtlich sein, finde im österreichischen Recht keine Deckung. Niemand könne bloß aus dem Grundbuch entnehmen, ob eine einverleibte Darlehensforderung tatsächlich unberichtigt aushafte oder nicht. Wenn alle Miteigentümer - Hedwig Z ausgenommen - ohnehin ein Grundbuchsgesuch wegen Einverleibung der teilweisen Pfandrechtslöschung unterfertigt hätten, liege kein Grund vor, es nicht zu überreichen und so die Einverleibung der Pfandrechtslöschung in dem durch die Teillöschungserklärung des Wohnhauswiederaufbau-Fonds gedeckten Umfang bei den Miteigentumsanteilen der zustimmenden Miteigentümer zu löschen.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige. Nach den gemäß § 396 ZPO grundsätzlich als wahr anzunehmenden Behauptungen der Kläger hätten die Beklagten bereits ein Grundbuchsgesuch zur begehrten Teillöschung unterfertigt. Schon aus diesem Grund bestehe keine Veranlassung, sie mit einem Urteil zur Zustimmung für die Teillöschung zu verhalten. Außerdem würde die Zustimmung zu den grundbücherlichen Eintragungen auf Grund der Bestimmungen des § 367 EO genügen. Deshalb sei das Begehren, daß die Beklagten auch noch zur Stellung der erforderlichen Verbücherungsanträge verhalten werden mögen, verfehlt. Die Frage, welche Miteigentümer und in welcher Form sie richtigerweise gegen die Beklagte Hedwig Z vorzugehen hätten, bedürfe keiner weiteren Erörterung. Eine einheitliche Streitgenossenschaft könne auf Seite der Beklagten schon deshalb nicht vorliegen, weil ein gleichlautendes Urteil gegen Hedwig Z einerseits und die Beklagten, die das Grundbuchsgesuch bereits unterschrieben hätten, andererseits, nicht in Frage komme.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 396 ZPO ist, wenn die erste Tagsatzung vom Beklagten versäumt wird, das auf den Gegenstand des Rechtsstreites bezügliche tatsächliche Vorbringen der erschienenen Partei, soweit es nicht durch die vorliegenden Beweise widerlegt wird, für wahr zu halten und auf dieser Grundlage auf Antrag der erschienenen Partei über das Klagebegehren durch Versäumungsurteil zu erkennen. Was das Gesetz "für wahr zu halten" nennt, hat immer nur den Sachverhalt zum Gegenstand, niemals rechtliche Behauptungen. Solche hat der Richter auch bei Fällung eines Versäumungsurteiles nachzuprüfen und das Klagebegehren abzuweisen, wenn der vorgebrachte Sachverhalt den begehrten Anspruch nicht erzeugt (RZ 1973/107 und die dort zitierte Literatur). Nach den Klagsbehauptungen sind mehrere Personen Miteigentümer der Liegenschaft EZ 208 KG N. Jeder Miteigentümer ist grundsätzlich vollständiger Eigentümer seines Anteiles; insofern er die Rechte seiner Mitgenossen nicht verletzt, kann er ihn unabhängig verpfänden, vermachen oder sonst veräußern (§ 829 ABGB). Ein Pfandrecht kann daher auch entweder auf einen ganzen Grundbuchskörper oder aber auch auf den Anteil eines jeden Miteigentümers eingetragen werden (§ 13 Abs. 1 GBG). Die Klagsbehauptungen sind dahin zu verstehen, daß nach dem Grundbuchsstand die gesamte Liegenschaft für ein Darlehen des Wohnhauswiederaufbau-Fonds in der Höhe von 2.875.570 S haftet. Jeder Miteigentümer haftet damit für die Darlehensschuld zur ungeteilten Hand, die pfandbedeckte Forderung könnte nach Willen des Gläubigers von jedem Anteil zur Gänze hereingebracht werden (SZ 30/12; SpR. 186 alt; Heller - Berger - Stix, 1617; vgl. QuGHZ 1972/99, 363; QuGHZ 1969/54, 199; Ehrenzweig[2] I/2, 481; Klang in seinem Komm.[2] II, 458). Das besagt aber nicht, daß diese Haftung nicht mit Zustimmung des Pfandgläubigers für einzelne Miteigentumsanteile ein unterschiedliches Schicksal haben könne. So sieht schon § 15 Abs. 8 WWG vor, daß ein Miteigentümer, dem Wohnungseigentum an einer mit Fondshilfe wiederhergestellten Wohnung (Geschäftsraum) eingeräumt ist und der den auf seinen Miteigentumsanteil entfallenden Darlehensbetrag zurückgezahlt hat, von seiner persönlichen Haftung für das Darlehen frei wird; der Wohnhauswiederaufbau-Fonds hat daher in die Einverleibung der Löschung des Pfandrechtes hinsichtlich des diesen Wohnungseigentümer gehörenden Miteigentumsanteiles zur Gänze und hinsichtlich der übrigen Miteigentumsanteile zu dem der Rückzahlung entsprechenden Teilbetrag einzuwilligen. Der Gläubiger kann aber überhaupt einzelne Anteile aus der Haftung entlassen (SZ 30/12; SZ 17/66 u. a.; Klang 458) Der Wohnhauswiederaufbau-Fonds als Pfandgläubiger konnte daher auch zustimmen, daß die Haftung der einzelnen Miteigentumsanteile vermindert wird. Nach den Klagsbehauptungen hat der Wohnhauswiederaufbau-Fonds zugestimmt, daß die Kläger Edith L und Josef L mit ihren je 2364/21.518 Anteilen nur mehr für 222.075 S und die übrigen Eigentümer nur mehr für 2.653.515 S haften sollten. Damit hat der Wohnhauswiederaufbau-Fonds die bisher für alle Miteigentümer geltende Haftungsverpflichtung für den vollen Darlehensbetrag von 2.875.570 S reduziert. Der hierüber ergangene Bescheid kann als Löschungsurkunde angesehen werden, die jeder einzelne Miteigentümer, falls sie so formuliert wurde, insofern verwerten kann, als er im Grundbuch für seine Miteigentumsanteile die Teillöschung des einverleibten Pfandrechtes begehrt. Ob er dies tut, bleibt jedem einzelnen Miteigentümer überlassen. Er kann sich auch, wie das Erstgericht bereits richtig darlegte, das Verfügungsrecht vorbehalten, indem er von der Löschungsurkunde nicht Gebrauch macht (§ 469 ABGB); er kann durch die Fortdauer des Bucheintrags die Rangstelle offen halten und sodann durch eine anderweitige Verfügung ein neuerliches Pfandrecht im alten Rang bis zur Höhe des alten Pfandrechtes bestellen (Klang, 532; Gschnitzer Sachenrecht, 201; Ehrenzweig [2] I/2, 478). Entgegen der Auffassung der Revision ist es keineswegs erforderlich, daß jeder Miteigentümer in gleicher Weise über die auch auf seinem Miteigentumsanteil haftende Hypothek verfügt. Schon gar nicht haben einzelne Miteigentümer gegenüber den anderen Anspruch darauf daß sie von einer Löschungsbewilligung des Pfandgläubigers bei ihren Miteigentumsanteilen in gleicher Weise Gebrauch machen wie sie. Die Kläger können auch ohne Zustimmung der Beklagten die Löschung der einverleibten Hypothek zugunsten des Wohnhauswiederaufbau-Fonds, soweit dieser mit Löschungsurkunde zustimmte, bei ihren Miteigentumsanteilen durchführen lassen. Wenn die Beklagten auf ihren Miteigentumsanteilen im Grundbuch die Haftung für den vollen Darlehensbetrag eingetragen lassen wollen, werden dadurch die Rechte der Kläger nicht berührt. Von einer einheitlichen Streitpartei (notwendigen Streitgenossenschaft), die nur dann gegeben ist, wenn die Gemeinschaftlichkeit der rechtserzeugenden Tatsachen zwangsläufig zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muß (JBl. 1969, 97; SZ 38/32 u. a.) und die im übrigen die Fällung eines Versäumungsurteiles bei Bestreitung durch andere Streitgenossen unzulässig machen würde (§ 402 Abs. 2 ZPO; SZ 14/59 u. a.; Fasching II, 199, III, 618) kann unter diesen Umständen keine Rede sein. An einem Verfahren müssen nur dann alle Miteigentümer auf der Aktiv- oder Passivseite beteiligt sein, wenn es sich um einen Streit um Rechte und Pflichten handelt, die alle Mitglieder der Gemeinschaft treffen (EvBl. 1973/229; Mietslg. 20.676). Ein Rechtsanspruch der Kläger, daß die Beklagten durch ihre Zustimmung dazu beitragen, daß die vom Wohnhauswiederaufbau-Fonds genehmigte Teillöschung bei allen Miteigentumsanteilen in gleicher Weise durchgeführt werde, besteht jedoch nicht. Soweit eine persönliche Verpflichtung der Beklagten den Klägern gegenüber bestanden haben sollte, sind die Beklagten ihr durch Unterfertigung eines Grundbuchsgesuches zur Teillöschung ohnehin nachgekommen. Die Klage behauptet auch ausdrücklich, daß die Beklagten die Sach- und Rechtslage anerkennen. Daraus allein ergibt sich aber noch kein klagbarer Anspruch im Sinne des Klagebegehrens. Zu einer Beteiligung an der Klagsführung gegen Hedwig Z waren die Beklagten nicht verpflichtet.

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