OGH 4Ob554/74

OGH4Ob554/7410.9.1974

SZ 47/92

Normen

ABGB §471
ABGB §1052
ABGB §1170
ABGB §471
ABGB §1052
ABGB §1170

 

Spruch:

"Aufwand" für die Sache sind die Kosten der Bergung eines Kfz dann, wenn es dabei aus einer Lage gebracht wird, deren Beibehaltung mit der Gefahr eines weiteren Schadens verbunden ist

Die für die Fälligkeit des Werklohnes anzuwendenden Grundsätze gelten unabhängig vom Bestehen eines Vertragsverhältnisses, wenn jemand Aufwendungen für eine Sache gemacht hat; der Herausgabepflichtige braucht die Sache nur Zug um Zug gegen Bewirkung oder Sicherstellung des Aufwandersatzes auszufolgen

OGH 10. September 1974, 4 Ob 554/74 (LG Innsbruck 2 R 210/74; BG Hall in Tirol C 498/72 )

Text

Am 12. Jänner 1972 gegen 20.30 Uhr wurde ein Lastkraftwagenzug der klagenden Partei, die ein Ferntransportunternehmen betreibt, auf der Bundesstraße 171 bei der Fahrt von Landeck Richtung Innsbruck im Gemeindegebiet von K durch einen entgegenkommenden LKW-Zug an den rechten Fahrbahnrand gedrängt; der Lastkraftwagenzug der klagenden Partei stürzte in der Folge über die Böschung. Die beklagte Partei führte in der Nacht vom 12 auf den 13. Jänner 1972 Arbeiten zur Bergung des Lastkraftwagenzuges der klagenden Partei durch und stellte dafür einen Betrag von 18.450 S in Rechnung. Die beklagte Partei gab den Lastkraftwagenzug der klagenden Partei erst nach Zahlung des Rechnungsbetrages am 14 Jänner 1972 wieder heraus.

Die klagende Partei behauptet, daß der Beklagte den Lastkraftwagenzug unberechtigt so lange zurückgehalten habe, weil die klagende Partei sich ohnehin sogleich nach Bekanntgabe des Rechnungsbetrages zu dessen Zahlung bereit erklärt habe. Durch das Zurückbehalten des Lastkraftwagenzuges sei der klagenden Partei ein Verdienstentgang in der Höhe von 3600 S entstanden. Da der Beklagte diesen Verdienstentgang verschuldet habe, müsse er ihn ersetzen.

Der Beklagte behauptet dagegen, daß ihm ein Zurückbehaltungsrecht am Lastkraftwagenzug der klagenden Partei zugestanden sei. Die Bergung sei über Auftrag der Gendarmerie und mit Billigung des Fahrzeuglenkers als dazu bevollmächtigtem Vertreter der klagenden Partei erfolgt. Dadurch sei ein Werkvertrag abgeschlossen worden, der ein beiderseitiges Handelsgeschäft gewesen sei. Der Beklagte habe bei Vertragsabschluß ausdrücklich erklärt, nur gegen Barzahlung zu leisten. Trotzdem habe die klagende Partei die Zahlung des bekanntgegebenen Rechnungsbetrages zunächst verweigert, so daß der Verdacht einer bedenklichen Vermögenslage der klagenden Partei bestanden habe; überdies habe der Beklagte am Fahrzeug der klagenden Partei auch eine Reparatur durchgeführt.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil, daß der Klagsanspruch dem Gründe nach zu Recht bestehe. Es stellte fest:

Nach dem Unfall verständigten die den Unfall aufnehmenden Gendarmeriebeamten die beklagte Partei. Der Fahrer der klagenden Partei war damit einverstanden. Über die Frage der Bevollmächtigung des Fahrers der klagenden Partei zur Auftragserteilung, die Höhe des Werklohnes sowie über die Bestellung eines Pfandes, insbesondere des Anhängers des LKW-Zuges, sowie über die Bezahlung der Bergung wurde vor derselben nicht gesprochen. Erst darnach teilte der Beklagte dem Fahrer der klagenden Partei die Höhe des Entgeltes mit. Weil dieser den geforderten Betrag von 18.450 S nicht zur Verfügung hatte, weigerte sich der Beklagte, vor der Bezahlung den Anhänger des LKW-Zuges der klagenden Partei freizugeben. Am folgenden Tage rief der Beklagte die Inhaberin der klagenden Partei in Linz an und verständigte sie vom Unfall sowie von der von ihm vorgenommenen Bergung. Gleichzeitig verlangte er die Zahlung eines Entgeltes. Obwohl die Inhaberin der klagenden Partei versprach, den geforderten Betrag zu bezahlen, sobald sie das Geld aufgebracht habe, erklärte der Beklagte, daß er den Anhänger vor dem Einlangen des Rechnungsbetrages nicht herausgeben werde. Er gab den Anhänger auch erst frei, nachdem die klagende Partei am nächsten Tag den Betrag von 18.450 S überwiesen hatte.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß der Beklagte nicht Kaufmann im Sinne des § 1 HGB sei, weil Gegenstand seines Gewerbes nur das Abschleppen und Bergen von Fahrzeugen, nicht aber die Reparatur von Fahrzeugen oder der Transport von Gütern sei. Zwischen den Parteien sei auch kein Werkvertrag zustande gekommen, weil der Lenker des Lastkraftwagenzuges der klagenden Partei zum Abschluß eines solchen Vertrages weder ausdrücklich noch stillschweigend bevollmächtigt gewesen und der Vertrag von der klagenden Partei auch nicht nachträglich - durch das Versprechen, die Kosten zu zahlen - genehmigt worden sei. Daher stehe dem Beklagten ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht nach § 369 HGB nicht zu. Aber auch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB könne er nicht geltend machen, weil seine Forderung nicht einen "für die Sache" gemachten Aufwand betreffe. Da der Beklagte den Anhänger der klagenden Partei widerrechtlich zurückbehalten habe, sei er zum Ersatz des dadurch entstandenen Verdienstentganges, dessen Eintritt in einer Höhe von mindestens 1 S zugestanden worden sei, verpflichtet.

Das Berufungsgericht wies in Stattgebung der Berufung des Beklagten das Klagebegehren ab. Es bejahte ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten gemäß § 471 ABGB. Ein solches könne nicht nur auf Grund eines Rechtsgeschäftes, sondern auch auf Grund anderer Forderungen, welche mit dem Herausgabeanspruch in Zusammenhang stehen, z. B. auch für einen Aufwand im Falle einer Geschäftsführung im Notfall gemäß § 1036 ABGB, ausgeübt werden. Eine Geschäftsführung im Notfall wäre aber - wenn nicht ohnehin davon auszugehen sei, daß der Lenker des Fahrzeuges der klagenden Partei zum Abschluß eines Vertrages über die Durchführung der Bergungsarbeiten bevollmächtigt war - jedenfalls anzunehmen. Aus der Natur der Sache ergebe sich nämlich die Besorgnis eines bevorstehenden Schadenseintrittes, da die Gefahr einer weiteren Beschädigung des Fahrzeuges infolge seiner unnatürlichen Lage nach dem Absturz und die Gefahr von Diebstählen am Fahrzeug bestanden habe. Daß die Forderung des Beklagten für den Bergungsaufwand fällig gewesen sei, sei nicht bestritten worden. Da der Bergungsaufwand ein "für die Sache" gemachter Aufwand im Sinn des § 471 ABGB sei, sei dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden. Die Verweigerung der Herausgabe sei daher nicht rechtswidrig gewesen, so daß den Beklagten auch keine Ersatzpflicht für die Folgen treffe. Auf die Kaufmannseigenschaft des Beklagten komme es nicht mehr an.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die klagende Partei macht vor allem geltend, daß die Kosten für das Abschleppen eines Kraftwagens nicht als ein "für die Sache" gemachter Aufwand im Sinn des § 471 ABGB anzusehen seien. Dazu ist darauf zu verweisen, daß dies allerdings in der Entscheidung SZ 24/206 für einen Fall ausgesprochen wurde, in dem ein Fahrzeug, das noch mit eigener Kraft bewegungsfähig war, dabei aber Schwierigkeiten hatte, abgeschleppt wurde. Der vorliegende Fall unterscheidet sich davon - was schon das Berufungsgericht hervorgehoben hat - deswegen, weil das Fahrzeug der klagenden Partei - wenigstens teilweise - abgestürzt war und nicht mehr mit eigener Kraft in Bewegung gesetzt werden konnte. Es war jedenfalls in einer unnatürlichen Lage, welche die Annahme begrundete, daß die Gefahr des Eintrittes weiterer Schäden gegeben sei, wenn das Fahrzeug nicht geborgen werde. Allerdings wird in der Entscheidung SZ 24/206 - die auch in der Entscheidung EvBl. 1959/107 erwähnt wird - auch darauf verwiesen, daß die dort vertretene Ansicht, die Kosten des Abschleppens seien nicht als ein Aufwand "für die Sache" im Sinn des § 471 ABGB zu bezeichnen, auch dann gelte, wenn das Fahrzeug vollkommen immobil gewesen wäre. Ob diese Auffassung in dieser allgemeinen Form geteilt werden kann, ist für den vorliegenden Fall nicht wesentlich. Als Aufwand "für die Sache" (nicht "an die Sache" wie nach § 331 ABGB siehe dazu Ehrenzweig, System 1923 I/2, 324) muß nämlich jener für die Bergung jedenfalls dann angesehen werden, wenn das Fahrzeug dabei (auch) aus einer Lage gebracht wird, deren Beibehaltung die Gefahr eines weiteren Schadens gegeben erscheinen laßt. Als Aufwand "für die Sache" ist nämlich nicht nur ein Aufwand zu ihrer Verbesserung, sondern auch ein solcher zu ihrer Erhaltung oder ihrer Erlangung zu verstehen (Klang in Klang[2] II, 544). Maßnahmen zur Erhaltung der Sache sind aber auch solche, durch die unmittelbar drohende Schäden abgehalten und vermieden werden sollen. Es kann hiebei keinen Unterschied machen, ob diese Maßnahmen in Arbeiten am Fahrzeug selbst oder in einer Bergung des Fahrzeuges und seiner Sicherstellung bestehen. Der Begriff "Aufwand" im Sinne des § 471 ABGB ist nicht eng zu fassen (Gschnitzer, Sachenrecht, 205 f., der Abschleppkosten vorbehaltlos zu einem für das Auto gemachten Aufwand im Sinne des § 471 ABGB zählt). Der Beklagte konnte daher wegen der ihm für die Bergung des Fahrzeuges zustehenden Kostenforderung an diesem ein Zurückbehaltungsrecht ausüben, so daß die Frage, ob er am Fahrzeug auch Reparaturarbeiten durchführte, die jedenfalls zur Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes berechtigten (EvBl. 1959/107; vgl. auch EvBl. 1973/131, SZ 34/103 u. a.), nicht mehr entscheidend ist.

Daß die Forderung des Beklagten fallig war, konnte nach dem Vorbringen der klagenden Partei als zugestanden angesehen werden. Die klagende Partei hat nämlich schon in der Klage - wie auch wieder in der Revision - behauptet, sie habe sich sogleich nach Kenntnis des Rechnungsbetrages bereit erklärt, den vollen Betrag zu überweisen und nichts davon erwähnt, daß sie erst die Übermittlung einer Rechnung abwarten wollte. Im übrigen wurde auch hinsichtlich der Fälligkeit eines Werklohnes ausgesprochen, daß dieser grundsätzlich mit der Vollendung des Werkes fällig wird, sofern sich nicht aus den getroffenen Vereinbarungen oder aus der Natur der Sache und der Verkehrsübung etwas anderes ergibt. Es wurde hiebei betont, daß es im allgemeinen der Verkehrsübung entspreche, daß der Werklohn bereits vor der Übergabe der Sache errechnet und dem Besteller vor der Übergabe zur Ermöglichung der Zug-um-Zug-Leistung durch Barzahlung "genannt" werde (EvBl. 1971/119, JBl. 1970/371, SZ. 40/44 u. a.). Diese Grundsätze müssen unabhängig vom Bestehen eines Vertragsverhältnisses gelten, wenn jemand Aufwendungen für eine Sache gemacht hat; der Herausgabepflichtige braucht die Sache nur Zug um Zug gegen Bewirkung oder Sicherstellung des Aufwandersatzes ausfolgen (Koziol - Welser, Grundriß des Bürgerlichen Rechtes I[3], 171). Damit erübrigt sich eine Prüfung der Frage, ob der Lenker des Fahrzeuges der klagenden Partei mit dem Beklagten einen Vertrag abgeschlossen hat, welchen Inhalt dieser Vertrag hatte und ob der Vertrag wegen der gegebenen oder anzunehmenden Vollmacht des Lenkers zum Abschluß oder wegen nachträglicher Genehmigung durch die klagende Partei für diese verbindlich war oder ob ein Fall einer Geschäftsführung im Notfall gemäß § 1036 ABGB vorlag.

Daß der Beklagte das zurückbehaltene Fahrzeug der klagenden Partei eigenmächtig oder listig im Sinn des § 1440 ABGB entzogen habe, wurde im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Dieser Einwand stellt daher eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung dar.

Daß ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten vertraglich vereinbart worden sei, es also durch ein Rechtsgeschäft begrundet worden sei, wurde von den Untergerichten ohnehin nicht als erwiesen angenommen. Es ist daher nur der Bestand eines gesetzlichen Zurückbehaltungsrechtes zu prüfen. Das wurde aber vom Berufungsgericht mit Recht bejaht. Damit trifft den Beklagten aber kein Verschulden an den Folgen der Ausübung dieses Rechtes, so daß er dafür auch nicht ersatzpflichtig ist.

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