OGH 3Ob72/74

OGH3Ob72/7428.5.1974

SZ 47/66

 

 

Spruch:

Kommt im Zuge des Enteignungsverfahrens unter Mitwirkung der Behörde ein verbindliches Übereinkommen über die Höhe der Entschädigung zustande, ist es im Enteignungsbescheid durch bescheidmäßige Feststellung, daß und mit welchem Inhalt es zustande gekommen ist, zu beurkunden; bei Vorliegen eines derartigen Übereinkommens fehlt der Verwaltungsbehörde jede Befugnis zu einer bescheidmäßigen Festsetzung ("Bestimmung") der bereits verbindlich vereinbarten Entschädigungsbeträge. Erfolgt trotzdem eine Festsetzung der Entschädigungsbeträge durch Enteignungsbescheid, muß dieser im Verwaltungsweg bekämpft werden unterbleibt seine Anfechtung, kann die Frage eines angeblich vorher abgeschlossenen Übereinkommens nicht mehr aufgerollt werden

 

OGH 28. Mai 1974, 3 Ob 72 - 76/74 (LG Linz 13 R 576/73; BG Urfahr-Umgebung Nc 45/71)

 

Begründung:

Mit rechtskräftigem Enteignungsbescheid des Amtes der oö. Landesregierung vom 10. Juni 1970, BauR-746/5-1970, wurde unter Berufung auf § 15 des BStG 1948 in der geltenden Fassung in Verbindung mit dem Eisenbahnenteignungsgesetz das dauernde und lastenfreie Eigentum an verschiedenen Grundflächen, unter anderem solchen der nunmehrigen Antragsgegner, für den Ausbau der K-Bundesstraße, Baulos "S", zugunsten der Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, in Anspruch genommen und gemäß § 15 BStG die jeweilige Enteignungsentschädigung für die einzelnen Grundflächen bestimmt. In der Begründung dieses Bescheides wurde festgehalten, es sei zwischen den Gründeigentümern und der Republik Österreich keine gütliche Einigung zustande gekommen, es sei daher der Enteignungsbescheid notwendig gewesen, wobei die Bestimmung der Entschädigungsbeträge nach dem Gutachten der dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen vorzunehmen gewesen sei.

Den unter Berufung auf §§ 15 Abs. 3, 20 Abs. 3 BStG gestellten Anträgen der Republik Österreich auf Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung hinsichtlich mehrerer Antragsgegner setzten letztere die im wesentlichen übereinstimmende Behauptung entgegen daß es im Rahmen der Enteignungsverhandlung zu einer verbindlichen Einigung zwischen ihnen und der Bundesstraßenverwaltung gekommen sei; infolge dieser zivilrechtlichen Einigung, an deren Wirksamkeit auch die spätere formell rechtskräftige Festsetzung einer Entschädigung nichts ändern könne seien die von der Republik Österreich gestellten Anträge unzulässig.

Tatsächlich wies das Erstgericht diese Anträge als unzulässig zurück. Es stellte im wesentlichen fest, daß es noch vor Protokollierung der Stellungnahme der einzelnen Gründeigentümer zu einer mündlichen Einigung über die Enteignung und die Bewertung der zu enteignenden Grundflächen gekommen sei und vertrat die Ansicht, es liege ein zulässiges und wirksames Übereinkommen im Sinne des § 22 EisbEG vor, welches die gerichtliche Neufestsetzung der vereinbarten Entschädigungen verhindere.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes infolge Rekurses der Antragstellerin auf.

Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, falls ein Enteignungsbescheid ergangen sei, stelle dieser und nicht ein allfälliges Übereinkommen den maßgeblichen Rechtsakt dar, die Enteignungsbehörde habe die von ihr zu beurteilende Vorfrage, ob ein gültiges Übereinkommen zustande gekommen sei, rechtskräftig in verneinendem Sinne beantwortet, die Anträge der Republik Österreich seien daher zufolge § 20 Abs. 3, 3. Satz BStG zulässig. Darüber hinaus sei beim festgestellten Sachverhalt ein verbindliches Übereinkommen nicht anzunehmen.

Der Oberste Gerichtshof gab den von mehreren Antragsgegnern erhobenen Revisionsrekursen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Primär stellte das Rekursgericht darauf ab, daß im Falle einer durch rechtskräftigen Bescheid festgesetzten Entschädigung dieser Bescheid und nicht ein (angebliches) Übereinkommen der maßgebliche Rechtsakt sei.

Diese Auffassung hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung EvBl. 1969/306 unter Berufung auf Krzizek, Das Öffentliche Wegerecht, 247, zum Ausdruck gebracht und hält daran aus nachstehenden Gründen auch für den vorliegenden Fall fest:

Falls im Zuge des Enteignungsverfahrens unter Mitwirkung der Behörde ein verbindliches Übereinkommen über die Höhe der Entschädigung zustande kommt, so ist dieses Übereinkommen im Enteignungsbescheid durch bescheidmäßige Feststellung, daß und mit welchem Inhalt das Übereinkommen zustande gekommen ist, zu beurkunden (ebenso Krzizek, 248); bei Vorliegen eines derartigen Übereinkommens fehlt der Verwaltungsbehörde jede Befugnis zu einer bescheidmäßigen Festsetzung ("Bestimmung") der bereits verbindlich vereinbarten Entschädigungsbeträge (ebenso Krzizek, 247). Die im Bescheid vom 10. Juni 1970 erfolgte Bestimmung der Entschädigungsbeträge hatte somit zur unumgänglich notwendigen Voraussetzung, daß über die Entschädigungsbeträge keine (verbindliche) Einigung zustandekam; die diesbezügliche Begründung war daher entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber weder unverbindlich noch unbekämpfbar, sondern ein integrierender Bestandteil für die Rechtfertigung der erfolgten bescheidmäßigen Festsetzung der Entschädigungsbeträge. Demzufolge hätten die nunmehrigen Antragsgegner diese bescheidmäßige Festsetzung im Verwaltungsweg anfechten müssen - ebenso wäre eine allfällige bescheidmäßige Feststellung des Zustandekommens einer gültigen Vereinbarung seitens der Republik Österreich bekämpfbar gewesen -, die Unterlassung der diesbezüglichen Anfechtung im Verwaltungsweg hat zur Folge, daß der Enteignungsbescheid vom 10. Juni 1970 mit allen seinen rechtlichen Konsequenzen, also auch der Möglichkeit eines Antrages auf Neufestsetzung der Entschädigung bei Gericht, den hier maßgeblichen Rechtsakt darstellt (ebenso EvBl. 1969/306; Krzizek, 248, und die dort zitierten Entscheidungen des VwGH). Die Frage eines allfälligen Übereinkommens, welche nach den vorstehenden Ausführungen die rechtskräftig erfolgte bescheidmäßige Festsetzung der Entschädigungsbeträge unzulässig gemacht hätte, kann somit im nunmehrigen Verfahrensstadium nicht mehr aufgerollt werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte