OGH 4Ob534/74

OGH4Ob534/7414.5.1974

SZ 47/63

Normen

ABGB §698
ABGB §700
ABGB §698
ABGB §700

 

Spruch:

Die testamentarische Anordnung der Erblasserin, daß ihr mit einem Legat bedachter Witwer im Fall seiner Wiederverehelichung sämtliche Rechte aus der letztwilligen Verfügung für die Dauer dieser zweiten Ehe verlieren sollte, ist ein gemäß § 700 ABGB als nicht beigesetzt anzusehendes Eheverbot. Das Hofdekret JGS 807/1844 gilt nur für letztwillige Zuwendungen an eine Frau, nicht aber für solche an einen Mann

Die Bestimmung, daß der Legatar seiner Ansprüche aus der letztwilligen Verfügung dann verlustig gehen solle, wenn er ohne Zustimmung des Erben eine Lebensgemeinschaft eingeht, enthält eine auf den Willen eines Dritten abgestellte Bedingung und ist daher gleichfalls ungültig

OGH 14. Mai 1974, 4 Ob 534/74 (OLG Graz 4 R 158/73; LG Klagenfurt 15 Cg 470/72)

Text

Die Gattin des Klägers, Maria E, ist am 20. Juni 1969 unter Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben. In ihrem Testament vom 22. Mai 1969 setzte sie ihren Neffen Franz F den Beklagten, zum Alleinerben ein. Ihren Gatten, den Kläger, bedachte sie unter anderem mit dem Vermächtnis der freien Station auf der hinterlassenen Liegenschaft sowie mit einer monatlichen Versorgungsrente von 4000 S für die Zeit seines Witwerstandes. Der Nachlaß wurde dem bedingt erbserklärten Beklagten mit Beschluß des Bezirksgerichtes Millstatt vom 15. Juli 1971, A 71/69-44, eingeantwortet.

Die letztwillige Verfügung der Maria E vom 22. Mai 1969, soweit sie das dem Kläger zugedachte Vermächtnis betrifft, hat folgenden Wortlaut"Meinem Ehegatten Ludwig E vermache ich aus meinem genannten Besitz die freie Station, somit also das Wohnungsrecht in zwei Räumen des Hauses L Nr. 2 samt dem Recht der Mitbenützung der Küche, des Badezimmers der Garage, die volle Verpflegung mit allen ortsüblichen Haupt- und Nebenmahlzeiten, im Krankheitsfalle auch Diätverpflegung, auf Wunsch auch ins Zimmer gestellt, weiters vor allem im Krankheitsfalle bzw. bei vorgerücktem Alter den Anspruch auf kostenlose Wartung und Pflege sowie den Anspruch auf kostenlose Beistellung des notwendigen Heizmaterials und des von ihm verbrauchten elektrischen Stromes und schließlich eine monatliche Versorgungsrente von 4000 S zahlbar jeweils bis zum Fünften jeden Monates im vorhinein, wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex des Österreichischen Statistischen Zentralamtes, und ist mein Erbe Franz F verpflichtet, diese Rechte meinem Ehegatten allerdings nur auf Dauer des Witwerstandes desselben zukomme zu lassen.

Meinem Ehegatten vermache ich weiters den ganzen, zum Zeitpunkt meines Ablebens auf meiner Liegenschaft vorhandenen Viehbestand sowie die für seine beiden Räume erforderliche Einrichtung.

Die meinem Ehegatten vermachten Rechte gelten, wie bereits erwähnt, nur für die Dauer seines Witwerstandes, und wäre mein Ehegatte daher nur mit Zustimmung meines Erben berechtigt eine Lebensgefährtin bei sich mitwohnen zu lassen. Im Falle einer Verehelichung würde er seiner sämtlichen Rechte verlustig gehen. Sollte eine allfallige zweite Ehe meines Ehegatten jedoch - sei es durch Scheidung oder Ableben - zur Auflösung kommen, so würden sämtliche Rechte meines Ehegatten, wie sie in diesem Testament ihm vermacht wurden, wieder aufleben und wäre demnach mein Erbe in diesem Falle auch zur Leistung der monatlichen Versorgungsrente wieder verpflichtet.- Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die im Testament angeführten Bedingungen a) daß der erblasserische Witwer als Vermächtnisnehmer im Falle seiner Verehelichung sämtlicher Rechte verlustig gehen solle, gemäß § 700 ABGB und b) daß der erblasserische Witwer nur mit Zustimmung des Erben Franz F berechtigt sei, eine Lebensgefährtin bei sich wohnen zu lassen, gemäß § 698 ABGB als nicht beigesetzt anzusehen seien. Der Beklagte verweigere die Erfüllung des Vermächtnisses mit der Behauptung, der Kläger unterhalte ein eheähnliches Verhältnis mit einer Frau; er zahle insbesondere nicht die dem Kläger vermachte Versorgungsrente. Das Feststellungsbegehren sei daher berechtigt.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Er bestreitet nicht das Testament und das dem Kläger zugedachte Legat. Er steht jedoch unter Hinweis auf das HfD JGS 807/1844 auf dem Standpunkt, daß die in der letztwilligen Anordnung verfügte Beschränkung des Vermächtnisses nicht gegen die Bestimmungen der §§ 698, 700 ABGB verstoße und daher wirksam sei. Der Beklagte verweigere dem Kläger nicht die Erfüllung seiner Legatsansprüche. Da der Kläger jedoch mit Frau Margarethe H in Lebensgemeinschaft lebe, müsse er die Versorgungsrente nicht leisten.

Das Erstgericht hat festgestellt, daß die im schriftlichen Testament der Maria E vom 22. Mai 1969 angeführten Bedingungen a) daß der erblasserische Witwer Ludwig E als Vermächtnisnehmer im Falle seiner Verehelichung für die Dauer der Ehe sämtlicher Rechte verlustig gehen sollte, gemäß § 700 ABGB und b) daß der erblasserische Witwer Ludwig E nur mit Zustimmung des Erben Franz F berechtigt sei, eine Lebensgefährtin bei sich - mit Ausnahme der vom Wohnungsrecht umfaßten Räume im Hause L Nr. 2 - wohnen zu lassen, gemäß § 698 ABGB als nicht beigesetzt anzusehen sind. Hingegen hat das Erstgericht das Mehrbegehren auf Feststellung, daß die Bedingung, der erblasserische Witwer sei nur mit Zustimmung des Erben Franz F berechtigt, eine Lebensgefährtin bei sich in den vom Wohnungsrecht umfaßten Räumen des Hauses L Nr. 2, wohnen zu lassen, als nicht beigesetzt anzusehen sei, abgewiesen.

In der letztwilligen Verfügung, daß der Kläger seine Legatsrechte verlieren solle, wenn er sich wieder vereheliche, liege in verhüllter Form die Bedingung der Nichtverehelichung, die im Sinne des § 700 ABGB unwirksam sei, zumal feststehe, daß der Kläger weder eheliche noch außereheliche Kinder habe. Dem Testament lasse sich in keiner Weise entnehmen, daß die Erblasserin mehr den Versorgungszweck im Auge gehabt hätte als die Absicht, den Legatar durch diese Beschränkung von der Verehelichung abzuhalten.

Die weitere Bedingung, der Kläger dürfe nur mit Zustimmung des Erben eine Lebensgefährtin bei sich wohnen lassen, verstoße in dieser allgemeinen Form gegen die guten Sitten und sei unerlaubt, weil die Erblasserin dem Erben damit einen direkten und persönlichen Einfluß auf den Kläger bei sonstigem Verlust der Vermächtnisansprüche einräumen wollte. Hingegen sei diese Bedingung insoweit zulässig und erlaubt, als sie sich auf das dem Kläger eingeräumte Wohnungsrecht im Hause L Nr. 2, bezieht. Die Dienstbarkeit der Wohnung könne hinsichtlich der Aufnahme von dritten Personen in diese Wohnung zulässigerweise beschränkt werden.

Die Berufungen beider Teile blieben erfolglos. Zur Berufung des Klägers verwies das Berufungsgericht darauf, daß die Ausübung des dem Kläger eingeräumten Wohnungsrechtes zwangsläufig ein enges Naheverhältnis zwischen ihm und dem Beklagten mit sich bringe und daher die Aufnahme einer Lebensgefährtin des Klägers in diese Wohnung notwendig Auswirkungen auf die Rechte und die Lebensverhältnisse des Beklagten habe. Die Anordnung, daß der Kläger eine Lebensgefährtin nur mit Zustimmung des Beklagten aufnehmen dürfe, sei daher insoweit zulässig, als die Aufnahme in diese Räume erfolgen soll.

Zur Berufung des Beklagten ging das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger nach dem eindeutigen und klaren Inhalt des Testamentes seine Rechte daraus verliere, wenn er eine Ehe eingehe und solange diese aufrecht sei. Damit sei dem Kläger, wenn auch in verhüllter Form, unter Androhung des Verlustes seiner Rechte aus dem Testament das Eingehen einer Ehe verboten; diesen Inhalt des Verbotes zeige gerade der Umstand, daß seine Rechte wieder auflebten, wenn die Ehe wieder aufgelöst wird. Dieses verhüllte Eheverbot müsse ebenso wie ein ausdrückliches Eheverbot gemäß § 700 ABGB als nicht beigesetzt angesehen werden. Der Hinweis, daß der Kläger ohnehin in seiner Entscheidung, ob er eine Ehe eingehen wolle, frei sei, da er seine Ansprüche dadurch nicht verliere, sondern diese nur während der Dauer der Ehe ruhten, verkenne, daß die Bestimmung des § 700 ABGB bezwecke, einen Verlust erbrechtlicher Vermögenszuwendungen wegen einer Eheschließung zu vermeiden. Das HfD vom 23. Mai 1844, JGS 807, wonach § 700 ABGB nicht hindere, daß der Erblasser seiner Ehegattin den Genuß der ganzen Erbschaft oder eines relativen Teiles derselben oder endlich eines Legates mit der Beschränkung auf die Dauer des Witwenstandes zuwenden könne, sei nur für die Frau, nicht aber auch für einen Mann anwendbar. Da der Beklagte die Zahlung der dem Kläger vermachten Rente verweigere und die begehrte Feststellung über das bereits zu 17 Cg 471/72 des Landesgerichtes Klagenfurt gestellte Begehren nach Zahlung von fällig gewordenen Rentenbeträgen hinausgehe, sei das Feststellungsinteresse, das in der Berufung gar nicht mehr bestritten werde, zu bejahen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, 50.000 S übersteigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagte wendet sich zunächst dagegen, daß ein rechtliches Interesse des Klägers im Sinne des § 228 ZPO bejaht wurde; das aber zu Unrecht: Dem Vorwurf, das Berufungsgericht hätte diese Frage auch von Amts wegen prüfen müssen und sich nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, daß der Mangel eines rechtlichen Interesses in der Berufung nicht mehr geltend gemacht worden sei, ist entgegenzuhalten, daß es an sich richtig ist, daß der Mangel eines rechtlichen Interesses an einer begehrten Feststellung auch im Rechtsmittelverfahren noch von Amts wegen wahrzunehmen ist (SZ 40/3; SZ 26/116; JBl. 1973, 421 u. a.), das Berufungsgericht aber ohnehin diese Frage behandelte und zu dem Ergebnis kam, daß ein Feststellungsinteresse des Klägers im vorliegenden Fall bejaht werden müsse. Diese Auffassung ist richtig.

Der Beklagte bringt dagegen vor, daß er ohnehin nie bestritten habe, daß der Kläger Anspruch auf die Leistungen auf Grund des Vermächtnisses habe, sondern nur erklärt habe, daß dieser Leistungsanspruch unter den derzeitigen Voraussetzungen im Sinne des letzten Willens der Erblasserin ruhte. Wenn der Kläger die Feststellung des letzten Willens der Erblasserin begehre, strebe er die Feststellung einer Tatsache an. Überdies sei dieser Wille aus dem unbestrittenen Wortlaut des Testamentes für beide Teile ersichtlich und bedürfe keiner Feststellung. Schließlich könne der Kläger jederzeit eine Leistungsklage erheben.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß unter einem "Rechtsverhältnis" eine bestimmte, durch den vorgetragenen Sachverhalt gegebene und konkretisierte, rechtlich geregelte Beziehung von Personen untereinander oder von einer Person zu einem Gegenstand, aber auch einzelne Rechtsfolgen einer solchen rechtlichen Beziehung zu verstehen sind (vgl. Fasching III, 60). Das Feststellungsurteil soll durch Klarstellung der Rechtsgrundlage die Grundlage für die weiteren Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen schaffen. Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses liegt dann vor, wenn infolge des Verhaltens des Beklagten eine erhebliche objektive Ungewißheit über das Bestehen des Rechtes hervorgerufen ist und diese Ungewißheit durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteiles beseitigt werden kann. Dies gilt insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen; hier ist eine Feststellungsklage hinsichtlich des Bestehens und des Inhaltes des Rechtes auch dann zulässig, wenn eine Leistungsklage auf einzelne, aus dem Rechtsverhältnis bereits fällig gewordene Leistungen möglich ist, sofern mit der Leistungsklage nicht all das erreicht werden kann, was mit der Feststellungsklage angestrebt wird (Fasching ZP III, 46, 60, 71; SZ 42/181; SZ 40/3; SZ 28/154; SZ 27/288; JBl. 1971, 201; JBl. 1969, 399; JBl. 1956, 370 u. a.). Bei der Beurteilung des Inhaltes des Begehrens ist nicht allein sein Wortlaut, sondern der sich aus dem Vorbringen und dem gestellten Antrag eindeutig ergebende Sinn zu berücksichtigen. Der Kläger hat im wesentlichen vorgebracht, daß der Beklagte die Ansprüche des Klägers nicht erfülle, weil das Testament bestimme, daß sie dann ruhten, wenn der Kläger in aufrechter Ehe oder in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebe. Bei dieser Auslegung des Testamentes träten aber jene nachteiligen Wirkungen ein, die der Gesetzgeber mit den Bestimmungen der §§ 700, 698 ABGB vermeiden habe wollen, so daß die Bedingungen, daß der Kläger im Falle der Verehelichung sämtlicher Rechte verlustig gehen solle und daß er nur mit Zustimmung des Beklagten eine Lebensgefährtin bei sich wohnen lassen dürfe, als nicht beigesetzt anzusehen seien. Damit will der Kläger festgestellt haben, daß seine Ansprüche während des Bestehens einer Ehe oder eines ohne Zustimmung des Beklagten eingegangenen eheähnlichen Verhältnisses entgegen der Meinung des Beklagten aufrecht und vom Beklagten zu erfüllen seien. Die Frage, ob dem Kläger diese Ansprüche auch während einer Ehe oder eines eheähnlichen Verhältnisses zustehen, betrifft aber eindeutig ein Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen. Da der Beklagte den Anspruch des Klägers auf Leistungen auf Grund des Vermächtnisses unter diesen Voraussetzungen bestreitet und wegen eines angeblichen eheähnlichen Verhältnisses des Klägers die Erfüllung verweigert, ist ein Feststellungsinteresse des Klägers im Sinne des § 228 ZPO mit Recht bejaht worden. Das Feststellungsurteil ist geeignet, die Anspruchsberechtigung des Klägers auch über den Zeitraum, während dessen bereits einzelne Leistungen fällig geworden sind, hinaus klarzustellen und eine unanfechtbare Grundlage für die Zukunft zu schaffen.

Der Beklagte führt in seiner Revision weiter aus, das Berufungsgericht habe zu Unrecht einen Verlust der Rechte des Klägers im Falle des Zusammenlebens mit einer Frau angenommen; in Wahrheit ruhten dessen Rechte nur für die Dauer dieses Zusammenlebens. In seiner Entscheidung, ob er mit einer anderen Frau zusammenleben wolle, sei der Kläger ohnehin frei, so daß ihm kein Eheverbot auferlegt worden sei.

Dazu hat aber bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß in den strittigen Bestimmungen des Testamentes das Verbot, sich zu verehelichen, zwar nicht ausdrücklich, aber doch in verhüllter Form eindeutig enthalten ist und § 700 ABGB nicht den Fall betrifft, daß ein Erbe oder ein Vermächtnisnehmer unter Verzicht auf die letztwillige Zuwendung eine Ehe eingehen will, sondern vermeiden will, daß er im Fall der Eheschließung diese Zuwendungen verliert. Hiebei macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob er die Zuwendungen für immer oder nur für die Dauer des aufrechten Bestehens der Ehe verliert, der Anspruch also - wie die Revision ausführt - während dieser Zeit ruht. Maßgeblich ist, daß der Abschluß und die Aufrechterhaltung einer Ehe durch den Kläger mit der Sanktion bedroht ist, daß er während dieser Zeit die ihm sonst aus dem Vermächtnis zustehenden Ansprüche nicht haben soll. Der Kläger als Vermächtnisnehmer wird somit vor die Wahl gestellt, den - möglicherweise zeitlich begrenzten - Verlust dieser Ansprüche in Kauf zu nehmen oder eine Eheschließung zu unterlassen. Die gestellte Bedingung dafür, im Genuß der aus dem Vermächtnis sich ergebenden Rechte zu bleiben, ist also das Unterlassen einer Ehe, somit ein Eheverbot, das gemäß § 700 ABGB bei einer letztwilligen Anordnung als nicht beigesetzt anzusehen ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers wurde durch diese Bestimmung die Bedingung der Ehelosigkeit grundsätzlich verpönt (Sp 33 = SZ 25/25). Sie kann daher auch nicht dadurch umgangen werden, daß diese Bedingung in eine andere Form gekleidet wird; maßgeblich ist der tatsächliche Inhalt der letztwilligen Anordnung und das daraus folgende Ergebnis. Das ist aber im vorliegenden Fall das gleiche wie bei der Anordnung, wonach dem Kläger ausdrücklich das Eingehen einer Ehe untersagt wäre, widrigenfalls er - für immer oder für die Dauer des aufrechten Bestehens der Ehe - die ihm zugedachten Ansprüche nicht erhalten soll. Auch bei einem solchen Verbot wäre der Kläger in seiner Entscheidung, ob er eine Ehe eingehen will oder nicht, an sich frei - worauf die Revision für den vorliegenden Fall immer wieder hinweist -, wenn er den dauernden oder zeitlich beschränkten Verlust seiner Rechte aus der letztwilligen Verfügung in Kauf nimmt. Durch die Bestimmung des § 700 ABGB, wonach die Bedingung der Ehelosigkeit bei einer letztwilligen Verfügung als nicht beigesetzt anzusehen ist, soll aber der Erbe oder Vermächtnisnehmer bei seiner Entscheidung, ob er eine Ehe eingehen will, durch die Rücksicht auf die Gefahr des Verlustes seiner Ansprüche aus der letztwilligen Verfügung nicht behindert werden. Der Wegfall der Rechte aus der letztwilligen Verfügung im Falle einer Eheschließung ist nur bei Vorliegen der vom Gesetz festgelegten Ausnahmetatbestände vorgesehen. Diese Ausnahmen sind aber schon nach allgemeinen Grundsätzen nicht ausdehnend auszulegen (vgl. SZ 25/25).

Dies gilt insbesondere für die authentische Auslegung des § 700 ABGB durch das bereits erwähnte HfD vom 23. Mai 1844, JGS 807. Diese Auslegung ist damit zu erklären, daß nach Ansicht des Gesetzgebers und den wirtschaftlichen Verhältnissen zur Zeit der Erlassung des ABGB die regelmäßige Versorgung einer Frau mit der Verehelichung erfolgte, so daß eine letztwillige Versorgung einer Frau durch die Verehelichung gegenstandslos wurde. Wenn die Frau bis zur Verehelichung durch eine letztwillige Zuwendung versorgt werde, diese Zuwendung aber mit der Verehelichung wegfallen sollte, handelte es sich in einem solchen Falle nicht um eine - durch eine.

Nichtverehelichung - bedingte, sondern um eine - bis zur Verehelichung - befristete Zuwendung (SZ 25/25). Aus diesen Überlegungen ist aber auch die Ansicht zu billigen, daß dieses Hofdekret nur bei letztwilligen Zuwendungen an eine Frau, nicht aber bei einer solchen an einen Mann anzuwenden ist (Ehrenzweig[2] II/2, 449 Anm. 13). Demgegenüber müssen die Ausführungen der Revision darüber, daß nach heutiger Ansicht eine unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau nicht mehr vertretbar sei, versagen; es könnte aus diesen Erwägungen höchstens die - im vorliegenden Fall nicht zu beurteilende - Frage aufgeworfen werden, ob der im angeführten Hofdekret zum Ausdruck kommende Gedanke an die Notwendigkeit, eine Frau bis zur Verehelichung zu versorgen, noch allgemein gültig ist.

Zu der vom Erstgericht bejahten Frage, ob auch die Bestimmung des Testamentes, daß der Kläger nur mit Zustimmung des Beklagten eine Lebensgefährtin bei sich wohnen lassen dürfe, sofern er sie nicht in die von seinem Wohnrecht im Hause L Nr. 2, umfaßten Räume aufnimmt, als nicht beigesetzt anzusehen sei, wird vom Beklagten nichts Konkretes mehr vorgebracht. Es wird nur allgemein eine "Finanzierung eines Zusammenlebens mit einer anderen Frau' und ein Verlust der Rechte des Klägers für die Dauer "des Zusammenlebens mit einer Frau" zur Begründung der Ansicht erwähnt, daß es verfehlt sei, in der Ruhensbedingung des Legates ein Eheverbot im Sinne des § 700 ABGB zu sehen. Es genügt daher der Hinweis, daß die Bestimmung, wonach der Kläger, wenn er ohne Zustimmung des Beklagten eine Lebensgemeinschaft eingeht, die Ansprüche aus der letztwilligen Verfügung verliert, eine auf den Willen eines Dritten abgestellte Bedingung für diese Ansprüche bedeutet und eine solche letztwillige Verfügung ungültig ist (Gschnitzer in Klang[2] III 652 bei FN 56). Dem Hinweis des Beklagten, daß es dem Kläger ohnehin jederzeit freistehe, eine Lebensgemeinschaft einzugehen oder nicht, so daß ihm ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung nicht zuzubilligen sei, ist entgegenzuhalten, daß der Beklagte tatsächlich die Erfüllung der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche aus dem Testament mit der Begründung verweigert, daß der Kläger eine Lebensgemeinschaff eingegangen sei. Es muß daher auch ein rechtliches Interesse des Klägers daran anerkannt werden, daß klargestellt werde, ob das Eingehen einer Lebensgemeinschaft das Bestehen seiner Ansprüche aus der letztwilligen Verfügung berührt und den Beklagten von der Erfüllung dieser Ansprüche befreit.

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