OGH 7Ob221/73

OGH7Ob221/7319.12.1973

SZ 46/126

Normen

Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 1965 Art3 Abs1 lita
Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 1965 Art3 Abs3
Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 1965 Art3 Abs1 lita
Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 1965 Art3 Abs3

 

Spruch:

Die Ersatzpflicht des Rechtsschutzversicherers betrifft im Falle der Kompensationseinrede im Passivprozeß die Kosten des gesamten Prozesses, in welchen die Kompensationseinrede erhoben wurde, und nicht nur die durch die Einwendung verursachten Mehrkosten. - Der Rechtsschutzversicherer kann nicht einwenden, der Versicherungsnehmer hätte die Prozeßführung seinem Haftpflichtversicherer überlassen müssen

OGH 19. Dezember 1973, 7 Ob 221/73 (HG Wien 1 R 133/73, BGHS Wien 1 C 465/73)

Text

Der Kläger, dem gegenüber die Beklagte als sein Rechtsschutzversicherer im Zusammenhang mit einem am 6 Jänner 1971 stattgefundenen Verkehrsunfall in eine Klageführung gegen Peter F eingewilligt hatte, belangt sie mit der vorliegenden Klage auf Zahlung von 13.327 S samt Nebengebühren. Dieser Betrag stellte die Summe der Kosten dar die ihm infolge des Einschreitens seines Rechtsanwaltes Dr. Matthias M in dem beim Bezirksgericht K geführten Schadenersatzprozesses erwachsen seien. Dort sei ihm Peter F mit der Einbringung der Klage zuvorgekommen, weshalb sich Dr. M, um Kosten zu sparen und eine Doppelgeleisigkeit in der Prozeßführung zu vermeiden, darauf beschrankt habe, seine, des Klagers Forderung aufrechnungsweise einzuwenden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe, so brachte sie vor, den Kläger nur mit der Führung eines Aktivprozesses beauftragt, wogegen sie die Besorgung eines Passivprozesses dem vom klägerischen Autohaftpflichtversicherer namhaft zu machenden Anwalt überlassen haben wurde. Nach Art 3 ARB 1965 habe sie, Beklagte, lediglich für die durch die Kompensationseinwendung entstehenden Kosten aufzukommen. Entgegen seiner Verpflichtung habe der Klager bzw. dessen Anwalt seiner Haftpflichtversicherung die Klagseinbringung durch Peter F nicht gemeldet und ihr die Prozeßführung nicht überlassen, andernfalls die Haftpflichtversicherung auch Dr. Ms Kosten zu tragen gehabt. Somit habe der Kläger gegen Art 6 Z. 5 ARB 1965 verstoßen, wonach der Versicherte jegliche unnötige Kostenerhöhung zu vermeiden habe. Außerdem habe er oder sein Vertreter Dr. M den in Art 9 ARB 1965 normierten Übergang von Kostenersatzansprüchen des Versicherten gegen Dritte auf den Rechtsschutzversicherer schuldhaft vereitelt. Auch habe der Kläger bisher an Dr. M keine Kostenzahlung geleistet. Dieser könne übrigens vom Klager eine solche Zahlung gar nicht beanspruchen, weil er, Dr. M, eine Verständigung des Haftpflichtversicherers verabsäumt habe und der Kostenersatzanspruch dieses Anwaltes gegenüber seiner eigenen Haftpflichtversicherung gemäß Art 3 Abs.4 AVBV erloschen sei. Überdies seien die von Dr.M verzeichneten Kosten überhöht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Seinen Feststellungen zufolge schrieb die Beklagte am 16. März 1971 an Dr. M sie sei mit seiner Klageführung einverstanden, werde aber nur die Kosten eines ortsansässigen Rechtsanwaltes bezahlen und bitte, ihr über den Prozeßverlauf in üblicher Weise zu berichten. Dies tat dann auch Dr. M in seinen an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 11. November 1971 sowie vom 2. März und 10. April 1972, wobei er wiederholt Peter F als Kläger bezeichnete. Dieser hatte den nunmehrigen Kläger am 2. Juni 1971 beim Bezirksgericht K wegen des Verkehrsunfalles vom 6. Jänner 1971 auf einen Schadenersatz von 12.748 S geklagt, wogegen Dr. M aufrechnungsweise eine Gegenforderung von 27.026 S an Reparaturkosten für den beim Unfall beschädigten PKW seines Mandanten und eine weitere Gegenforderung von 11.000 S aus dem Titel der Wertminderung dieses Fahrzeuges geltend machte. Auf Ersuchen Dr. Ms erlegte die Beklagte im Laufe des Schadenersatzprozesses zur Deckung der Kosten für einen durchzuführenden Sachverständigenbeweis beim Bezirksgericht K einen Vorschuß von 1000 S, das den hievon verbliebenen Rest von 400 S sodann an Dr. M überwies. Mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 2. Oktober 1972 gab das genannte Bezirksgericht der Klage des Peter F bis auf einen Betrag von 100 S samt Anhang mit dem Ausspruch statt, daß die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.

Dazu vertrat das Erstgericht die Rechtsansicht, daß die Beklagte dem Kläger keinen Kostenersatz schulde, da es zu einem Aktivprozeß gegen Peter F nicht gekommen sei. In der Tatsache, daß die Beklagte die Prozeßberichte des Dr. M kommentarlos zur Kenntnis genommen und den Vorschuß erlegt habe, sei eine von ihr still schweigend übernommene Verbindlichkeit zur Bezahlung der fraglichen Prozeßkosten nicht gelegen. Allerdings sei die Beklagte verpflichtet, die durch die Kompensationseinwendung entstandenen Kosten, aber auch nur diese, zu tragen, die jedoch durch den von ihr erlegten Kostenvorschuß im Betrage von 1000 S mehr als gedeckt seien.

Das Berufungsgericht hob über Berufung des Klägers das Ersturteil mit Rechtskraftvorbehalt auf und wies die Streitsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Beizupflichten ist der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die den Rechtsschutzversicherer treffende Ersatzpflicht im Falle der "Kompensationseinrede im Passivprozeß", welche als eine der vom Versicherungsschutz erfaßten "gerichtlichen Maßnahmen" in Art. 3 Abs. 1 lit. a ARB 1965 angeführt wird, die Kosten des gesamten Prozesses betrifft, in welchem die Kompensationseinrede erhoben wurde, und nicht lediglich die durch die Einwendung verursachten Kosten, deren Ermittlung im Einzelfall auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen kann. Mit Recht verweist die Berufungsinstanz auf Art. 3 Abs. 3 ARB 1965, wonach der Versicherer "alle Kosten des Verfahrens in allen Instanzen" übernimmt, was entgegen der Meinung der Rekurswerberin eine Einschränkung des Versicherungsschutzes auf die durch die Kompensationseinrede bedingten Verfahrenskosten ausschließt, sondern alle Kosten des Verfahrens betrifft, soweit dieses auch die Kompensationseinrede zum Gegenstand hat. Hiezu kommt, daß eine Auslegung der umstrittenen Versicherungsbedingung, wie sie im Rekurs verfochten wird, letztlich einem Rechtsschutzversicherer gar nichts einbrächte, weil es ihr Vesicherungsnehmer in der Hand hätte, dann eben, statt eine Kompensationseinwendung zu erheben, mittels der in Art. 3 Abs. 1 lit. a ARB 1965 gleichfalls angeführten Widerklage einen Aktivprozeß zu führen. Bei all dem kann die Tatsache unerörtert bleiben, daß die Beklagte die drei ihr zugegangenen Prozeßberichte, aus denen hervorging, daß der nunmehrige Kläger im Haftpflichtprozeß als Beklagter auftrat, unwidersprochen ließ und außerdem noch auf Verlangen einen Kostenvorschuß erlegte. Im übrigen hebt das Berufungsgericht auch richtig hervor, daß der Versicherungsnehmer des Versicherungsschutzes nicht schon dadurch verlustig geht, daß er an Stelle des zunächst in Aussicht genommenen und in Art. 3 Abs. 1 lit. angeführten Mittels zur Rechtsdurchsetzung in der Folge ein anderes aus der dort enthaltenen Aufzählung wählt. Was weiters die Einwendung betrifft, der Kläger habe seinem Anwalt, Dr. M, dessen Kosten noch nicht bezahlt, so ist auch sie, wie schon in der Berufungsentscheidung zutreffend ausgeführt wird, verfehlt; ist es doch gerade der Zweck der Rechtsschutzversicherung, den Versicherungsnehmer davor zu bewahren, für die unter den Versicherungsschutz fallenden Aufwendungen selbst und sei es auch nur vorläufig aufkommen zu müssen.

Der Umstand schließlich, daß der Klager auch im Rahmen einer Haftpflichtversicherung, die er über seinen am Unfall beteiligt gewesenen PKW abgeschlossen hat, Versicherungsnehmer ist, kann der Beklagten nicht zugute kommen. Dabei fällt vor allem, was das Berufungsgericht richtig herausstellt, der erklärte Eintritt der Beklagten in den gegenständlichen Versicherungsfall ins Gewicht, denn damit bleibt für die Einwendung, der Kläger hätte die Prozeßführung seinem Haftpflichtversicherer überlassen müssen, kein Raum. Aber auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 9 ARB 1965 kommt der Haftpflichtversicherung keine Bedeutung zu. Der gegenteiligen Ansicht des Berufungsgerichtes kann in diesem Zusammenhang nicht gefolgt werden. Dieses führt hiebei an, es sei denkbar, daß der Klagevertreter Dr. M in bezug auf die Prozeßkosten eine gänzliche oder teilweise Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers verschuldet habe, indem er ihn versehentlich, also in Verletzung der Obliegenheit nach Art. 8 Abs. 2 Z. 1 lit. c AKHB, von der Klageführung des Peter F nicht verständigte; dadurch aber könne der Beklagten ein Kostenersatz im Hinblick auf Art. 9 ARB 1965 erwachsen sein. Denn der danach auf den Rechtsschutzversicherer nach Maßgabe seiner Leistungen übergehende Kostenersatzanspruch des Versicherten gegen Dritte könne auch der dem Kläger nach § 150 VersVG zustehende Anspruch gegen seinen Haftpflichtversicherer sein. Habe er nun den letzteren Anspruch verwirkt, so begrunde dies eine Gegenforderung der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes. Einen diesbezüglichen Einwand habe die Beklagte in erster Instanz erhoben, ohne dabei freilich ihre Gegenforderung näher zu beziffern und ohne überhaupt diese ausdrücklich als solche zu bezeichnen. Im fortgesetzten Verfahren werde daher das Erstgericht auf eine entsprechende Ergänzung des Beklagtenvorbringens ebenso wie auf die bisher unterbliebene Stellungnahme zur Höhe der Klagsforderung hinzuwirken haben. Dem ist, soweit es sich um die Frage der Vereitlung eines Rückgriffsanspruches der Beklagten handelt, entgegenzuhalten, daß unter den gemäß Art. 9 ARB 1965 auf den Rechtsschutzversicherer übergehenden Kostenersatzansprüchen gegen Dritte wohl nur die öffentlich-rechtlichen, weil auf Verfahrensgesetzen beruhenden Kostenersatzansprüche gegen den Verfahrensgegner zu verstehen sind und nicht auch Ansprüche, die der Kostengläubiger auf Grund privatrechtlicher Vereinbarungen gegen mit dem unmittelbaren Kostenschuldner nicht identen Dritten für den Fall, als letzterer nicht zahlt, zu stellen hat, also etwa gegen den Haftpflichtversicherer. Die gegenteilige, vom Berufungsgericht vertretene Auffassung könnte nämlich zu dem nicht eben einleuchtenden Ergebnis führen, daß der Versicherungsnehmer einer Haftpflichtversicherung in einem Fall wie dem gegenwärtigen dann, wenn er die Haftpflichtprämien nicht bezahlt und es solcherart zur Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers kommen läßt (§ 158c VersVG), besser gestellt wäre, als der vertragstreue Versicherungsnehmer, dem nach § 150 VersVG Kostenersatz zusteht.

Die Rechtssache erweist sich daher nur insoweit noch nicht als im Sinne der Klage spruchreif, als über die Anspruchshöhe noch Feststellungen erforderlich sind.

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