Spruch:
Für die Vereinbarung einer bestimmten Tatsache als Kündigungs- oder Auflösungsgrund gilt das Erfordernis der Schriftform im Sinne des § 886 ABGB. Zur Wirksamkeit einer solchen schriftlichen Vereinbarung bedarf es daher der Unterfertigung beider Parteien
OGH 7. Juni 1973, 6 Ob 92/73 (LG Innsbruck 2 R 29/73; BG Rattenberg C 193/72 )
Text
Die klagende Partei kundigte der beklagten Partei zum 31. Oktober 1972 die in der Liegenschaft EZ 222 II KG M gelegenen Bestandobjekte, und zwar die Partierloge Werks-Nr. 32, das Geschoßwerk (1. Stock) Werks-Nr. 17, das Hülsenwerk Werks-Nr. 16 und das Heizhaus Werks-Nr. 22, gerichtlich auf. Als Kündigungsgrund macht sie dringenden Eigenbedarf nach § 19 Abs 1 und § 19 Abs. 1 Z. 6 MG (Aufbau ihrer Maschinenfabrik) und den Eintritt der gemäߧ 19 Abs. 6 MG als Kündigungsgrund vereinbarten Tatsache des Verkaufes der Liegenschaft geltend.
Die beklagte Partei beantragte die Aufhebung der Kündigung und wendete ein, daß nicht zum 31. Oktober 1972 gekundigt werden könne, daß der Bestandvertrag durch fünf Jahre unkundbar sei und daß der Bestandgegenstand unrichtig bezeichnet sei, da auch die Parterreräumlichkeiten mitgemietet seien. Ein dringender Eigenbedarf liege nicht vor und die Vereinbarung nach § 19 Abs. 6 MG sei mangels Schriftlichkeit ungültig.
Die Untergerichte gingen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:
Im Jahre 1970 mietete die beklagte Partei vom Rechtsvorgänger des Klägers aus dessen Fabriksareal in K mehrere Gebäude und Räumlichkeiten einer stillgelegten Fabrik. Ein von beiden Teilen unterfertigter Mietvertrag wurde nicht erstellt. Wohl aber wurde ein Schriftstück verfaßt, in dem es u. a. heißt:
Abgesehen von im Mietengesetz oder in anderen gesetzlichen Vorschriften enthaltenen Bestimmungen über die Kündigung oder Auflösung des Mietverhältnisses, ist die Mieterin (soll richtig heißen Vermieterin) bei Eintritt eines der folgenden Umstände berechtigt, das Mietverhältnis zur Gänze oder auch nur in Ansehung einzelner Grundstücke, einzelner Gebäude oder Gebäudeteile unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu jedem Monatsletzten aufzukundigen (§ 19 Abs. 6 MG).
- 1) Wenn das Bestandobjekt im ganzen oder teilweise verkauft wird ...
- 2) bis 4) ...
XIII, XIV ...
XV.
Die Kosten der Errichtung dieses Vertrages ... trägt die Mieterin.
XVI ...
XVII.
Dieser Vertrag wird in zwei Ausfertigungen errichtet. Jeder Vertragsteil erhält eine Ausfertigung.
XVIII ...
Dieses Schriftstück wurde von der beklagten Partei, nicht aber von der Vermieterin, unterfertigt und in der Folge von den zuständigen Organen der Vermieterin (einer AG) mündlich angenommen. Daß es je zur Errichtung des in Punkt XV angekundigten Vertrages kam und daß eine zweite Ausfertigung des Schriftstückes besteht, das die Unterschrift der Vermieterin trägt, wurde von der klagenden Partei nie behauptet.
Das Erstgericht hob die Kündigung auf. Die Kündigungsfrist sei vertragsgemäß. Die Bezeichnung des Bestandgegenstandes entspreche dem Mietvertrag. Falls später auch die Parterreräume dazugemietet worden seien, berühre dies nicht die Zulässigkeit dieser Kündigung. Eine Unkundbarkeit für die ersten fünf Jahre sei daher weder dem Vertrag noch dem Räumungsvergleich vom 28. September 1970 zu entnehmen. Ein dringender Eigenbedarf sei zwar zu bejahen, da aber keine Ersatzräume angeboten würden, könne die klagende Partei damit nicht durchdringen. Die Tatsache des Verkaufes sei zwar als Kündigungsgrund vereinbart worden, aber nicht schriftlich.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Revisionswerber releviert nur noch die Rechtsfrage, ob das von der beklagten Partei unterschriebene Anbot den Erfordernissen des § 19 Abs. 6 MG genüge. Er vermeint, daß die Worte "schriftlich festgesetzt" anders als etwa "schriftlich vereinbart" lediglich auf ein schriftliches Festhalten, also ein Fixieren einer bestimmten Tatsache hinweisen, woraus zu schließen sei, daß der Gesetzgeber nicht darauf Wert legt, daß der bestimmte Kündigungsgrund schriftlich vereinbart wurde, sondern nur darauf, daß dieser im vorhinein schriftlich festgehalten wurde. Dem Zweck der gesetzlichen Bestimmung, daß nämlich der Mieter auf die Bedeutung einer von ihm eingegangenen Vereinbarung besonders hingewiesen und spätere Unklarheiten und Streitigkeiten vermieden werden sollten, sei durch die vorliegend von den Parteien gewählte Form eines vom Mieter unterfertigten Anbotes Genüge getan; § 19 Abs. 6 MG erfordere lediglich eine Beweisurkunde, nicht aber einen schriftlichen Vertrag.
§ 19 Abs. 6 MG i. d. F. des MRÄG (BGBl. 1967/281) enthält in seinem ersten Satz die Anordnung, daß eine Vereinbarung, wonach dem Vermieter das Kündigungsrecht unbeschränkt oder in einem weiteren als dem vorstehend bestimmten Maße zustehen soll, ungültig ist. Die Ausnahme von der generellen Bestimmung des ersten Satzes enthält Satz 2 der angeführten Gesetzesstelle; er bestimmt, daß (jedoch) durch die Generalklausel des § 19 Abs. 6 erster Satz Vereinbarungen nicht berührt werden, womit eine bestimmt bezeichnete Tatsache ... von vornherein schriftlich als Kündigungs- oder Auflösungsgrund festgesetzt wird. Zu dieser Neuregelung des § 19 Abs. 6 MG führen die Erläuternden Bemerkungen (500 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XI. GP, 19 zu Art. I Z. 30) aus: "Der Entwurf stellt daher den im Gesetz normierten Kündigungstatbeständen den bestimmt vereinbarten Kündigungs- oder Auflösungsgrund unter der Voraussetzung gleichwertig zur Seite, daß die bestimmt bezeichnete (als Kündigungs- oder Auflösungsgrund schriftlich vereinbarte) Tatsache in bezug auf die Kündigung oder die Auflösung des Mietverhältnisses als wichtig oder bedeutsam anzuerkennen ist. Um dem Mieter die Bedeutung einer solchen Vereinbarung besonders augenscheinlich zu machen sowie zur Vermeidung von allfälligen späteren Unklarheiten wird auch die Schriftlichkeit dieser Vereinbarung gefordert."
Aus den Erläuternden Bemerkungen geht somit hervor, daß der Gesetzgeber bei der Einführung der gegenständlichen Kündigungs- bzw. Auflösungsmöglichkeit eines Bestandverhältnisses weder zwischen einer "schriftlichen Vereinbarung" und einem "schriftlichen Festhalten" unterscheiden noch, daß er ein bloßes schriftliches Festhalten in irgendeiner Form als für die Vereinbarung des bestimmten Gründes ausreichend ansehen will. Vielmehr kann es nach der Fassung des Gesetzestextes und den Erläuternden Bemerkungen nicht zweifelhaft erscheinen, daß es dem Gesetzgeber darum ging, für die Vereinbarung eines derartigen Kündigungs- oder Auflösungsgrundes das Erfordernis der Schriftform im Sinne des § 886 ABGB ("Unterschrift der Parteien") aufzustellen. Der vom Gesetzgeber angestrebte Zweck ist nicht die Schaffung einer Beweisurkunde, sondern der Schutz des Mieters, dem die Bedeutung einer solchen Vereinbarung besonders augenscheinlich gemacht werden soll. Dieser Zweck läßt sich füglich aber dann nicht erreichen, wenn der Mieter bloß ein schriftliches Anbot an den Vermieter richtet, das dieser mündlich annimmt, sondern nur dann, wenn die bestimmte Tatsache "von vornherein schriftlich als Kündigungs- oder Auflösungsgrund festgesetzt wird". Zur Wirksamkeit einer solchen schriftlichen Vereinbarung bedarf es aber, wie dargetan, der Unterfertigung beider Parteien. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum (Czech - Michlmayr, Das neue Wohnungsrecht II, 57; Zingher, Das Mietengesetz[15], 94; Limbek - Ruttar, Das Mietengesetz II, 110) vertreten. Sofern der Revisionswerber sich aber auf die Entscheidungen GIU 2119 und 2139 beruft, führt dies für ihn zu keinem günstigeren Ergebnis, weil für die diesen Entscheidungen zugrundeliegende Frage der Intabulationsfähigkeit einer Zessionsurkunde andere Voraussetzungen zur Anwendung gelangen.
Wohl hat im vorliegenden Fall der zu schützende beklagte Mieter eine schriftliche Erklärung abgegeben, doch fehlt die schriftliche Annahme von seiten des Vermieters, um die zur Gültigkeit erforderliche Schriftlichkeit der Vereinbarung herzustellen. Diese ist, anders als etwa im Fall des § 1346 Abs. 2 ABGB, wo der Gesetzgeber die Verpflichtungserklärung nur eines Vertragsteils, nämlich des Bürgen, für notwendig erklärt, im vorliegenden Fall erforderlich.
Auch der Umstand, daß sich aus dem vereinbarten Kündigungsgrunde vornehmlich die Befugnis des auf dem schriftlichen Anbot nicht unterfertigten Vermieters zur Lösung des Bestandvertrages, somit ein Recht zu Gunsten des Vermieters, ergibt, rechtfertigt kein Abgehen von der gesetzlich normierten Schriftform. Da dem Erfordernis der Schriftform durch die (einseitige) Unterfertigung des Anbotes durch den Beklagten und die bloß mündliche Annahme desselben durch den Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin des Klägers nicht Genüge getan ist, haben die Untergerichte zu Recht den geltendgemachten Küridigungsgrund des § 19 Abs. 6 MG nicht als gegeben angesehen.
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