OGH 6Ob96/73

OGH6Ob96/7326.4.1973

SZ 46/46

Normen

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §144
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §144

 

Spruch:

Eine in das Handelsregister eingetragene GmbH kann von Amts wegen nicht mehr als nichtig gelöscht werden, gleichgültig, ob es sich um eine Scheingrundung oder um eine Gründung durch Personen handelt, die für Rechnung eines Dritten tätig geworden sind (Strohmänner)

OGH 26. April 1973, 6 Ob 96/73 (OLG Wien 3 R 124/72; KG Korneuburg HRB 115-52)

Text

Im Handelsregister des KG K ist seit 22. März 1958 unter HRB 115 die Handelsgesellschaft G, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eingetragen. Die Kammer der Gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich beantragte deren "Entregistrierung" und brachte dazu vor, diese Gesellschaft sei lediglich eine Scheinfirma, ihre Geschäftsführer seien die jeweiligen Verwalter der Lagerhausgenossenschaft G, ihr Standort sei mit deren Standort ident und ihre Geschäfte würden über die Genossenschaft abgewickelt. Durch die Gründung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung seien die Bestimmungen des § 1 GenG umgangen worden.

Das Erstgericht gab nach Anhörung der Gesellschaft diesem Antrag keine Folge. Es stellte im wesentlichen fest, daß die Gesellschaft und die Genossenschaft voneinander völlig getrennt seien. Der Umstand, daß die Gesellschafter auch Funktionäre der Genossenschaft seien, sei der Einschreiterin schon seinerzeit bekannt gewesen, und sie habe dennoch keine Bedenken gegen die Eintragung ausgesprochen. Diesen Standpunkt können sie nicht jetzt in das Gegenteil verkehren. Die Gesellschaft habe ihre eigene Buchhaltung, verfüge über ihre eigenen Kraftfahrzeuge, habe auf ihren Namen lautende Geschäftsbücher, lege alljährlich ihre eigene Bilanz und werde selbständig besteuert. Ein Zusammenhang mit der Genossenschaft bestehe nicht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Einschreiterin Folge und hob den Beschluß des Erstgerichtes auf. Es habe versäumt, seine Erhebungen auch auf die Vorgänge bei der seinerzeitigen Gründung der Gesellschaft auszudehnen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Handelsgesellschaft G Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Einschreiten der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich zielt auf eine Löschung der Rekurswerberin gemäß § 144 FGG. Die in dieser Gesetzesstelle bezeichneten Kapitalgesellschaften, zu denen auch eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gehört, um die es sich hier handelt, können wegen Nichtigkeit nur aus den dort bezeichneten Gründen gelöscht werden, während in diesem Umfange die allgemeinen Bestimmungen des § 142 Absatz 1 FGG ausgeschlossen sind (Jansen, Freiwillige Gerichtsbarkeit[2] II, 536). Nach diesen maßgeblichen Bestimmungen kann eine in das Handelsregister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung als nichtig gelöscht werden, wenn der Gesellschaftsvertrag der notariellen Beurkundung entbehrt oder wenn er nicht die nach § 4 GmbHG notwendigen Bestimmungen enthält oder wenn eine dieser Bestimmungen den Vorschriften des bezeichneten Gesetzes widerspricht. Was die Form des Gesellschaftsvertrages und seinen notwendigen Inhalt betrifft, vermag auch die Einschreiterin keine Bedenken vorzubringen. Sie meint lediglich, es handle sich um eine Scheinfirma während in Wahrheit die Lagerhausgenossenschaft die Geschäfte abwickle. Dazu ist es nun richtig, daß sich das Registergericht bei der gemäß § 11 GmbHG zu prüfenden Gesetzmäßigkeit der Anmeldung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht nur auf eine Prüfung der formellen Voraussetzungen der Eintragung beschränken darf, sondern daß es auch die sachlichen (materiellen) Voraussetzungen prüfen muß (NZ 1917, 25, 189). Es hätte seine Prüfungspflicht verletzt, wenn es ungeachtet der Aufnahme ungesetzlicher Bestimmungen in den Gesellschaftsvertrag die Eintragung bewilligt hätte. Was das Vorbringen der Einschreiterin betrifft, bedarf es in diesem Zusammenhange auch einer Prüfung, ob nicht der Gesellschaftsvertrag wegen unzulässiger Beteiligung einer Genossenschaft ungültig ist (SZ 39/110.). Bedenken in dieser Richtung bestehen aber nicht. Der Gesellschaftsvertrag wurde von Franz B, Leopold H, Johann O und Johann Z geschlossen, die in der Folge ihre Anteile an ÖkR Johann P, Leopold S, Josef L und Franz N abtraten. Da sie im eigenen Namen handelten und Verpflichtungen für sich selbst eingingen, treffen sie die Pflichten als Gründer und Gesellschafter. Sie wurden die Träger der Gesellschaftsrechte und - pflichten, und für sie entstanden auch die vermögensrechtliche und strafrechtliche Haftung. Daran könnte sich auch bei Richtigkeit der Behauptungen der Einschreiterin, die Gesellschaft diene in Wahrheit der Lagerhausgenossenschaft, nichts ändern. Die Gesellschafter wären in diesem Falle wohl Treuhänder der Genossenschaft und als solche im Innenverhältnis deren Weisungen unterworfen. Es wäre dadurch aber Ihre Stellung nach außen mit der vorbezeichneten für sie bestehenden Haftung nicht geändert. Von einer Scheingrundung kann daher keine Rede sein. Abgesehen davon kann eine in das Handelsregister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung von Amts wegen nicht mehr als nichtig gelöscht werden, gleichgültig, ob es sich um eine Scheingrundung oder um eine Gründung durch Personen, die für Rechnung eines Dritten tätig geworden sind (Strohmänner), handelt (Jansen, 538, BGHZ 21, 378), dies im gegebenen Falle umsoweniger als es sich nach den gar nicht bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes bei dem Betrieb der Gesellschaft um einen von dem der Lagerhausgenossenschaft völlig getrennten handelt.

Es bedarf daher nicht der vom Rekursgericht vermißten Erörterungen. Da die Sache vielmehr entscheidungsreif im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes ist, konnte der Oberste Gerichtshof in dieser Außerstreitsache in der Sache selbst erkennen (EvBl. 1970/255, JBl. 1971/138, u. v. a.).

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