OGH 2Ob124/72

OGH2Ob124/726.7.1972

SZ 45/78

Normen

ABGB §1218
ABGB §1220
ABGB §1327
ABGB §1218
ABGB §1220
ABGB §1327

 

Spruch:

Der Anspruch wegen Entganges eines Heiratsgutes ist ein Schadenersatzanspruch iS des § 1327 ABGB

OGH 6. 7. 1972, 2 Ob 124/72 (OLG Wien 9 R 264/71; LGZ Wien 24 Cg 56/71)

Text

Der eheliche Vater der minderjährigen Klägerin, Johann K, verunglückte am 12. 1. 1970 bei einem Verkehrsunfall tödlich. Das Alleinverschulden an diesem Unfall trifft unbestritten den Zweitbeklagten. Die Erstbeklagte ist dessen Haftpflichtversicherer.

Die Klägerin begehrte die urteilsmäßige Feststellung, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig seien, ihr im Zeitpunkt ihrer Verehelichung den Betrag von S 40.000.-, wertgesichert nach dem Index der Verbraucherpreise 1966 zu dem für Feber 1971 verlautbarten Index, zur Anschaffung von Möbeln für Schlaf- und Eßzimmer sowie von Bettwäsche zu bezahlen. Weiters stellte sie das Eventualbegehren auf Feststellung, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand verpflichtet seien, ihr jeden Schaden im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu ersetzen, der ihr in Zukunft aus Anlaß des Unfalltodes ihres Vaters, Johann K, am 12. 1. 1970 erwachsen werde. Sie brachte hiezu vor, ihr Vater habe ihr ein Heiratsgut, bzw Aussteuer für den Fall ihrer Eheschließung im Wert von S 40.000.- versprochen; der Anspruch sei zwar noch nicht fällig, doch habe sie die feste Absicht, sich zu verehelichen. Hinsichtlich der Zulässigkeit des für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens gestellten Eventualbegehrens brachte die bereits selbsterhaltungsfähige Klägerin noch ergänzend vor, durch den Tod ihres Vaters sei ihr zwar nicht ein gegenwärtiger Unterhaltsanspruch gegen ihn entgangen, doch könnte dies in Zukunft bei Unglücksfällen wie Krankheit usw der Fall sein.

Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen. Es sei unrichtig, daß die Klägerin jemals von ihrem Vater ein Heiratsgut erhalten hätte. Es sei auch auszuschließen, daß dieser, wäre er am Leben geblieben, im Fall von Unglücksfällen wie Krankheit usw zu Unterhaltsleistungen für die Klägerin verpflichtet sein würde, weil sie durch Leistungen aus der Sozialversicherung vollständig gesichert sein würde.

Das Erstgericht erkannte iS des Hauptbegehrens. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es das Hauptbegehren zur Gänze abwies und dem Eventualbegehren stattgab.

Die Unterinstanzen trafen folgende, für die Entscheidung über die Revision wesentliche Feststellungen:

Johann K, geboren am 23. 10. 1922, hat das Schlosserhandwerk erlernt und die Gesellenprüfung bestanden. Vom 10. 3. 1969 bis zu seinem Tod am 12. 1. 1970 war er bei der Firma R als Schalungsschlosser, zeitweise auch als Kraftfahrer beschäftigt; er hat in dieser Zeit einen Gesamtnettolohn von S 78.700.55 bezogen. Seine Gattin, Anna K, war während ihrer Ehe mit ihm nie berufstätig. Im Jahr 1965 begannen die Eheleute K einen Hausbau in K. Dort wohnten sie seit dem Herbst 1970. Die Klägerin hat sich zu Weihnachten 1969 mit Hermann E verlobt. Damals versprach der Vater der Klägerin, ihr die gesamte Wohnungseinrichtung beizustellen. Der Termin der Hochzeit der Klägerin stand weder damals noch bei Schluß der Verhandlung fest. Die Klägerin ist im technischen Büro einer Elektrofirma tätig und verdient dort S 2800.- monatlich netto. Hermann E, ihr Verlobter, ist im Verkaufsbüro einer Baugroßhandlung beschäftigt und verdient monatlich etwa S 3500.- netto.

Das Erstgericht hielt den Ausstattungsanspruch von S 40.000.- nach diesen und den weiteren, wirtschaftliche Detailfragen betreffenden Sachverhaltsfeststellungen für gegeben und daher das Hauptbegehren für berechtigt. Es vertrat hierbei die Ansicht, das versprochene Heiratsgut stelle einen Entgang iS des § 1327 ABGB dar, und hielt diesen Anspruch der Klägerin auch der Höhe nach für gerechtfertigt; da der Zeitpunkt der Eheschließung der Klägerin noch nicht feststehe und die Beklagten den Anspruch der Klägerin auch dem Grund nach bestreiten, sei das Feststellungsbegehren gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht vertrat im wesentlichen die Ansicht, daß der Anspruch auf Bestellung eines Heiratsgutes erst mit der Eheschließung entsteht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen in diesem Zeitpunkt gegeben sind. Es könne daher derzeit nicht beurteilt werden, ob die Klägerin im Zeitpunkt ihrer künftigen Eheschließung einen Anspruch auf Bestellung eines Heiratsgutes in der Höhe von S 40.000.- gegen ihren Vater gehabt hätte, weshalb das Hauptbegehren nicht berechtigt sei. Da aber der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf Entgang eines Heiratsgutes als Schadenersatzanspruch iS des § 1327 ABGB gegen die Beklagten entstehen könne und auch die formellen Voraussetzungen für die Einbringung einer diesbezüglichen Feststellungsklage vorlägen, erweise sich das Eventualbegehren der Klägerin als begrundet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach Ansicht der Beklagten hätte auch das Eventualbegehren abgewiesen werden müssen, weil die wichtigste im § 1327 ABGB geforderte Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch nach dieser Bestimmung, daß nämlich Johann K nach dem Gesetz für den Unterhalt der Klägerin im Zeitpunkt seines Todes zu sorgen hatte, nicht gegeben sei; es sei dieser Bestimmung auch nicht zu entnehmen, daß diese Ersatzpflicht wiederaufleben würde, falls der betreffende Angehörige zu einem späteren Zeitpunkt seine Selbsterhaltungsfähigkeit wieder verlieren sollte.

Es bedarf zunächst der grundsätzlichen Klärung der Frage, ob die Dotierungspflicht als Unterhaltsverpflichtung iS des § 1327 ABGB angesehen werden kann. Das Berufungsgericht hat dies zutreffend bejaht und darauf verwiesen, daß die Bestellung eines Heiratsguts für die Braut (mag sie selbsterhaltungsfähig sein oder nicht) die an sich zum gesetzlichen Unterhalt verpflichteten Angehörigen treffe (§ 1220 ABGB), die Pflicht zur Bestellung eines Heiratsgutes im übrigen aus der der elterlichen Unterhalts- und Versorgungspflicht hervorgehe (Weiß in Klang[2] V, 727; SZ 19/35; SZ 27/247). Noch treffender bezeichnet Gschnitzer (Familienrecht 84) die Verpflichtung zur Bestellung eines Heiratsgutes als den letzten Akt der Versorgungs- und Unterhaltspflicht der Eltern oder Großeltern. Es besteht daher kein Grund zur Annahme, daß der Gesetzgeber diesen besonderen, nur einmal zu erfüllenden Versorgungsanspruch nicht dem Anspruch auf laufende Versorgung und Ernährung gleichstellen wollte. Dies gilt auch entsprechend für § 12 Abs 2 EKHG, welche Bestimmung zur Auslegung des § 1327 ABGB heranzuziehen ist (SZ 41/31, RZ 1972, 13; vgl auch Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil und Schadenersatz, 174 f). Setzt man den Dotierungsanspruch dem laufenden Unterhaltsanspruch gleich, so besteht der Anspruch auf Entgang des Heiratsguts infolge Tötung des zur Leistung Verpflichteten unabhängig davon, ob letzterer im Zeitpunkt des Todes (der tödlichen Verletzung) auch noch laufende Unterhaltsleistungen erbracht hat, bzw. ob der Anspruchsberechtigte in diesem Zeitpunkt bereits selbsterhaltungsfähig war oder nicht.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes bestand das Verlöbnis der Klägerin mit Hermann E bereits im Zeitpunkt des Todes ihres Vaters. Der Klägerin stand daher bereits im Zeitpunkt des Todes ihres Vaters dem Grund nach ein gesetzlicher Anspruch auf Bestellung eines Heiratsgutes zu. Ein solcher Anspruch wird allerdings erst im Zeitpunkt der Eheschließung fällig, vorher steht es der Braut frei, den Anspruch notfalls der Höhe nach gerichtlich feststellen zu lassen (§ 1221 ABGB; Weiss aaO 732). Die Klägerin kann den Schaden, den sie durch den Entgang des Heiratsgutes infolge der Tötung ihres Vaters erleidet, erst nach Fälligkeit im streitigen Verfahren geltend machen. Es ist daher das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Haftung der Beklagten iS des Eventualbegehrens gegeben; es genügt zur Bejahung des Feststellungsinteresses iS des § 228 ZPO; daß die Möglichkeit eines künftigen Schadenseintrittes besteht (ZVR 1963/102, 1970/122, EvBl 1969/185). Es kann daher unerörtert bleiben, ob auch das mögliche Wiederaufleben der elterlichen Unterhaltspflicht im Fall der Bedürftigkeit der Klägerin infolge von Krankheitsfällen etc. das Feststellungsinteresse begrunden wurde.

Der dem Eventualbegehren in Abänderung des Ersturteils stattgebende Teil der angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichtes war daher zu bestätigen.

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