OGH 6Ob86/72

OGH6Ob86/7210.5.1972

SZ 45/59

Normen

HGB §407
HGB §411
HGB §407
HGB §411

 

Spruch:

Auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Hauptspediteur und dem Zwischenspediteur finden die allgemeinen Vorschriften über die Spedition Anwendung. Zwischen ihnen besteht ein echter Speditionsvertrag, bei dem Versender der Hauptspediteur und Spediteur der Zwischenspediteur ist. Im Zweifel ist davon auszugehen, daß der Spediteur die ihm aufgetragenen Verrichtungen selbständig erfüllen will, der von ihm zugezogene andere Spediteur also nur seine Hilfsperson und damit nur Unterspediteur ist. Dem Unterspediteur gegenüber gelten die Grundsätze des § 411 HGB nicht

OGH 10. 5. 1972, 6 Ob 86/72 (HG Wien 1 R 179/71; BG f Handelssachen Wien 2 C 612/70)

Text

Die Klägerin behauptete, sie habe im Auftrag der Beklagten Transporte durchgeführt, für die ihr diese - nach mehrfachen Klagsänderungen - noch den Betrag von S 1898.- sA schulde.

Die Beklagte bestritt diese Forderung nicht, wendete aber aus ihrer Rechnung vom 10. 2. 1970 über einen im Auftrag der Klägerin durchgeführten Transport eine Gegenforderung in gleicher Höhe ein.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit dem Betrag von S 1898.- sA und die Gegenforderung mit dem Teilbetrag von S 498.- sA als zu Recht bestehend und verpflichtete daher die Beklagte zur Zahlung des Betrages von S 1400.- sA. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Am 10. 11. 1969 erhielt die Firma B in P in Niederösterreich einen Auftrag, sofort, bis spätestens 11. 11. 1969, eine Fuhre Dachziegel nach Wien zu liefern. In der Regel läßt die Firma B solche Transporte durch ihren Hausfrächter Franz L aus P durchführen, mit dem auch ein Preisabkommen besteht. Damals war L aber zunächst nicht erreichbar, weshalb die Firma B ihren Wiener Fachberater beauftragte, wegen der besonderen Dringlichkeit des Transportes eine Wiener Spedition einzusetzen. Er betraute die Klägerin, mit deren Prokuristen Walter K er ein Entgelt von zirka S 2500.- vereinbarte. K gab den Auftrag telefonisch an die Beklagte weiter und vereinbarte mit ihr ein Entgelt von zirka S 1900.-. Die Beklagte beabsichtigte zunächst, den Transport mit einem eigenen Fahrzeug durchzuführen. Als sich dies aber als unmöglich herausstellte, beauftragte sie ihren Angestellten Rudolf K, einen Frachtführer, wenn möglich aus P, ausfindig zu machen und diesem den Auftrag zu erteilen, K kam mit Hilfe des niederösterreichischen Telefonverzeichnisses auf Franz L. Beim ersten Anruf erreichte er nur dessen Gattin, mit der er vereinbarte, wegen eines dringlichen Transportes noch einmal anzurufen. Die Gattin des L teilte diesen Anruf der Versandleiterin der Firma B, M, von der L üblicherweise seine Aufträge erhält, mit. Als L später zu ihr kam, machte ihm diese von dem gegenständlichen dringenden Transport Mitteilung, erklärte aber zugleich, daß diesbezüglich schon eine Wiener Spedition eingeschaltet worden sei und daß die Beklagte deshalb auch bei seiner Gattin angerufen habe. Sie ersuchte L, nach Hause zu fahren und den neuerlichen Anruf der Beklagten abzuwarten. L informierte sich sofort über Art und Umfang des Transportes, besichtigte die Frachtpapiere und sagte die Durchführung des Transportes zu. M erklärte, sie wolle sich in die Sache nicht einmischen, weil bereits eine Wiener Spedition eingeschaltet sei. L teilte bei seinem späteren Anruf K mit, daß er über den Auftrag bereits informiert sei und ihn durchführen könne. Er erwähnte auch, daß er der Hausfrächter der Firma B sei. K betonte insbesondere die Dringlichkeit des Transportes und erwähnte auch, daß die Beklagte den Auftrag über die Klägerin erhalten habe. Er vereinbarte mit L ein Entgelt von S 1400.-. Darüber, wem L Rechnung legen sollte, wurde nicht gesprochen. L nahm den Auftrag an, ohne sich eine vorherige Rücksprache mit B vorzubehalten.

L führte den Transport am 11. 11. 1969 ordnungsgemäß durch und legte darüber sogleich der Firma B Rechnung, die ihm prompt bezahlt wurde. Den vom Empfänger unterfertigten Gegenschein gab er ebenfalls bei B ab. Es handelte sich um eine Franco-Sendung, die Transportkosten waren nicht vom Empfänger, sondern vom Absender, der Firma B, zu bezahlen.

Als in der Folge die Beklagte von L mehrmals Rechnungslegung über den Transport verlangte, lehnte er mit der Begründung ab, er habe bereits direkt mit B verrechnet. Er schlug der Beklagten vor, von B eine Vermittlungsprovision zu verlangen, was diese Firma ablehnte. Schließlich legte die Beklagte am 10. 2. 1970 der Klägerin über den Transport eine Rechnung per S 1898-. Die Klägerin buchte sie zunächst und legte ihrerseits der Firma B Rechnung über S 2500-. B verweigerte die Zahlung mit der Erklärung, die Streitteile seien als Frachtführer nicht tätig geworden, den Transport habe vielmehr L durchgeführt und mit diesem sei schon verrechnet worden. Darauf belastete die Klägerin die Beklagte wieder mit dem Betrag von S 1898.-.

Es besteht kein Handelsbrauch, wonach Leistungen eines Subfrächters dem Auftraggeber erst nach der Abrechnung des Subfrächters und der Vorlage der entsprechenden Belege zu verrechnen seien. Der erste Unternehmer kann sofort nach Durchführung des Transportauftrages durch seinen Subunternehmer mit dem Auftraggeber abrechnen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt unter Bedachtnahme auf die §§ 413, 432 Abs 2 HGB dahin, L sei durch Übernahme von Gut und Frachtbrief bei der Firma B in den bestehenden Frachtvertrag eingetreten und damit in ein unmittelbares Auftragsverhältnis zum Absender, der Firma B, getreten. Er sei demnach berechtigt gewesen, mit dieser direkt zu verrechnen. Da der Beklagten bereits vor Einbringung der Klage bekannt gewesen sei, daß L an sie keine Forderungen stelle, sei die Grundlage für eine Forderung ihrerseits gegenüber der Klägerin insoweit weggefallen. Sie könne aus der Vereinbarung mit der Klägerin nur den Differenzbetrag zwischen der der Höhe nach unbestrittenen Forderung und der von ihr mit L mit S 1000.- vereinbarten Fracht, das seien S 498.-, als Vermittlungsprovision oder entgangenen Gewinn fordern. Mit dem Mehrbetrag bestehe ihre Forderung dagegen nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht, dagegen jener der Beklagten Folge und änderte das Urteil dahin ab, daß es die Gegenforderung auch mit dem weiteren Betrag von S 1400.- sA als zu Recht bestehend erkannte und daher das Klagebegehren abwies. Es beurteilte die Klägerin im Verhältnis zu B als Frachtführerin, die die Beklagte als Unterfrachtführer beschäftigt habe, die ihrerseits wieder Franz L als weiteren Unterfrachtführer bestellt habe. Jedoch seien die Voraussetzungen des § 432 Abs 2 HGB nicht gegeben. L sei daher in den Hauptfrachtvertrag nicht eingetreten und auch nicht berechtigt gewesen, mit B direkt abzurechnen. Die Beklagte, die durch ihren Unterfrachtführer den Transport durchgeführt habe, habe Anspruch gegenüber der Klägerin als ihrer Vertragspartnerin auf das vereinbarte Entgelt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit die Klägerin in ihrer Mängelrüge geltend macht, das Berufungsgericht hätte das Rechtsverhältnis der Streitteile nicht als das von Frachtführern beurteilen dürfen, versucht sie überhaupt keinen Verfahrensmangel aufzuzeigen, sondern sie wendet sich damit in Wahrheit gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes. Selbst wenn nun der Klägerin gefolgt und angenommen wird, daß sie und ebenso die Beklagte als Spediteure tätig gewesen seien, ist daraus für sie nichts zu gewinnen. Denn nach den Feststellungen der Untergerichte adressierte die Klägerin jedenfalls nicht das Gut an die Beklagte zum Zwecke der Weiterleitung und Ablieferung. Das wäre aber Voraussetzung, um die Beklagte als Zwischenspediteur zu behandeln (RGR-Kommentar[2] V 124 f, Anm 4. Schlegelberger HGB[4] IV 2425, Anm 5c, 2482 f, Anm 11, HS I/58). Nur einem Zwischenspediteur wird aber der Auftrag zur selbständigen Erledigung in vollem oder beschränktem Umfange vom Spediteur übertragen (Schlegelberger HGB[4] IV 2485 Anm 12). Auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Hauptspediteur und dem Zwischenspediteur finden die allgemeinen Vorschriften über die Spedition Anwendung. Zwischen ihnen besteht ein echter Speditionsvertrag, bei dem Versender der Hauptspediteur und Spediteur der Zwischenspediteur ist (Schlegelberger HGB[4] IV 2482 f, Anm 11). Fehlt es jedoch an dieser Versendung des Gutes durch die Klägerin an die Beklagte, damit diese es weiterversende, so bediente sie sich lediglich der Beklagten als einer Hilfskraft zur Durchführung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber dem Versender als ihres Unterspediteurs. Zumindest ist im Zweifel davon auszugehen, daß der Spediteur die ihm aufgetragenen Verrichtungen selbständig erfüllen will, der von ihm hinzugezogene andere Spediteur also nur seine Hilfsperson und damit nur Unterspediteur ist (Schlegelberger HGB[4] IV 2485, Anm 12). Dem Unterspediteur gegenüber gelten aber die Grundsätze des § 411 HGB nicht (Schlegelberger HGB[4] IV 2544, Anm 1 b). Für dieses Rechtsverhältnis ist vielmehr lediglich der Vertrag der Streitteile maßgebend. Der Fall liegt dann ähnlich, als hätte die Klägerin einen ihrer Dienstnehmer mit der weiteren Durchführung betraut. Dieser hätte dann Ansprüche gegen sie nach seinem zugrundeliegenden Dienstverhältnis ohne Rücksicht auf die handelsrechtlichen Bestimmungen über die Spedition. Da die Klägerin für die Durchführung des Auftrages ein Entgelt von S 1898.- mit der Beklagten vereinbarte, hat auch diese spätestens nach der festgestellten ordnungsgemäßen Durchführung des Transportes Anspruch auf dieses Entgelt, ohne daß ihr die Klägerin entgegensetzen könnte, daß sie dem von ihr beigezogenen Partner aus irgendwelchen Gründen keine oder doch noch keine Zahlung geleistet habe.

Zu dem selben Ergebnis ist das Berufungsgericht mit Recht aber auch bei seiner Beurteilung der Klägerin als Frachtführerin und der Beklagten und des von ihr bestellten L als Unterfrachtführer gelangt. Denn gemäß § 432 Abs 2 HGB setzt der Eintritt des nachfolgenden Frachtführers in den Frachtvertrag voraus, daß ihm das Gut mit durchgehendem Frachtbrief übergeben wurde. Die Ausstellung eines solchen Frachtbriefes wurde aber nicht festgestellt. Daraus folgt, daß die von L mit B wohl vorgenommene Abrechnung für das Rechtsverhältnis der Beklagten zur Klägerin unbeachtlich bleiben muß. Von einem der Beklagten durch die Zahlung der Firma B an L zugekommenen Vorteil kann entgegen der Meinung der Klägerin keine Rede sein. Die Forderung der Beklagten gegenüber der Klägerin haftet vielmehr zur Gänze unberichtigt aus.

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