OGH 1Ob303/71

OGH1Ob303/7111.11.1971

SZ 44/172

Normen

JN §24 Abs2
JN §24 Abs2

 

Spruch:

Gegen die der Ablehnung eines zum Gerichtskommissär bestellten Notars stattgebende Entscheidung ist jedes Rechtsmittel ausgeschlossen

OGH 11. 11. 1971, 1 Ob 303/71 (LG Innsbruck 4 R 194/71; BG Imst A 139/69)

Text

Der am 21. 11. 1969 in N verstorbene Erblasser Ludwig C hinterließ ein schriftliches Testament, in dem er ua seinen Bruder Dr Karl C als Erben eingesetzt hat. Über Antrag dieses Erben wurde zunächst die schriftliche Abhandlungspflege bewilligt und mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß des Erstgerichtes vom 9. 10. 1970 Dr. Hans B. öffentlichen Notar in I, zum Verlassenschaftskurator bestellt. Noch vor Beendigung der schriftlichen Abhandlungspflege zog der eingesetzte Erbe Dr Karl C seinen Antrag auf Durchführung der schriftlichen Abhandlungspflege zurück, worauf am 16. 10. 1970 die Akten dem Notar Dr Hans B zur Durchführung der Abhandlung als Gerichtskommissär übermittelt wurden.

Mit dem Beschluß vom 31. 3. 1971 enthob das Erstgericht den Notar Dr Hans B über dessen Antrag als Verlassenschaftskurator und bestellte Dr Paul B, Rechtsanwalt in I, zum nunmehrigen Verlassenschaftskurator. Es begrundete diese Entscheidung damit, daß hinsichtlich des Notars Dr Hans B eine Interessenkollision vorliege, da dieser die Funktion eines Verlassenschaftskurators und diejenige eines Gerichtskommissärs nicht gleichzeitig ausüben könne. Ein Verlassenschaftskurator sei aber notwendig, weil der eingesetzte Erbe bisher keine Erbserklärung abgegeben habe und für den Nachlaß die Vornahme von Rechtshandlungen erforderlich werden könnte.

Im Zuge der Behandlung des von den Vermächtnisnehmern Ruth D, Carola S, Helga H, Ruth C und Gisela H gegen die Bestellung des Rechtsanwaltes Dr Paul B zum Verlassenschaftskurator erhobenen Rekurses trug das LG Innsbruck dem Erstgericht auf, vorerst die Frage zu prüfen, ob nicht Notar Dr Hans B im vorliegenden Fall von einer Tätigkeit als Gerichtskommissär ausgeschlossen sei.

Das Erstgericht wies in der Folge mit dem Beschluß vom 5. 7. 1971 den inzwischen von den Vermächtnisnehmern Ruth D, Carola S, Ruth C und Gisela H gestellten Antrag auf Ablehnung des Notars Dr Hans B unter Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 21 Abs 2 und 26 Abs 1 JN ab und verneinte das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes.

Den gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der letztgenannten Vermächtnisnehmer wies das Erstgericht unter Berufung auf die Vorschriften des § 26 Abs 1 und 2 JN als unzulässig zurück.

In Stattgebung des von den Ablehnungswerbern gegen diesen Zurückweisungsbeschluß erhobenen Rechtsmittels behob das Rekursgericht diesen Beschluß, hob zugleich das bisherige Abhandlungsverfahren als nichtig auf, widerrief die Feststellung des Notars Dr Hans B zum Gerichtskommissär und beauftragte Dr Manfred R, öffentlicher Notar, mit der Abhandlungspflege als Gerichtskommissär. Dem Erstgericht sei entgangen, daß das BG 11. 11. 1970 BGBl 343 über die Tätigkeit der Notare im Verfahren außer Streitsachen in § 6 Bestimmungen über die Ausschließung eines Notars enthalte. Nach § 6 Abs 1 leg cit seien dann, wenn bei dem zum Gerichtskommissär zu bestellenden oder bereits bestellten Notar ein Grund vorliege, der einen Richter von der Ausübung des Richteramtes in bürgerlichen Rechtssachen ausschließen wurde oder seine Unbefangenheit in Zweifel stelle, die Bestimmungen der §§ 19 bis 25 JN sinngemäß anzuwenden. Die Entscheidung hierüber obliege dem Richter, der den betreffenden Notar zu bestellen hätte oder bestellt habe. Erachte er einen der genannten Gründe für gegeben, so habe er von der Bestellung dieses Notars abzusehen oder den bereits erteilten Auftrag zu widerrufen. Der von den Vermächtnisnehmern erhobene Rekurs sei zulässig, er sei aber auch in der Sache gerechtfertigt, weil Dr Hans B in seiner Eigenschaft als Verlassenschaftskurator als Bevollmächtigter anzusehen und es dabei ohne Bedeutung sei, ob dieses Bevollmächtigungsverhältnis noch aufrecht bestehe. Damit liege aber der Ausschließungsgrund nach § 20 Abs 1 JN vor.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs des Gerichtskommissärs zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Auszugehen ist - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - von der Bestimmung des § 6 Abs 1 BG 11. 11. 1970 BGBl 343 über die Tätigkeit der Notare als Beauftragte des Gerichtes (Gerichtskommissäre) im Verfahren außer Streitsachen. Danach sind bei einem zum Gerichtskommissär bestellten Notar die von der Ablehnung von Richtern handelnden Vorschriften der §§ 19 bis 25 JN sinngemäß anzuwenden. Die Entscheidung darüber, ob bei einem Gerichtskommissär ein Ausschließungsgrund vorliegt, fällt in die Kompetenz des Richters, der den Notar zum Gerichtskommissär bestellt hat. Diese Regelung macht zunächst deutlich, daß der in erster Instanz entscheidende Abhandlungsrichter zur Beschlußfassung über den sich auf Dr Hans B beziehenden Ablehnungsantrag zuständig war. Nach der im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmung des § 24 Abs 2 JN ist jedes Rechtsmittel gegen die dem Ablehnungsantrag stattgebende Entscheidung ausgeschlossen. Dieser Bestimmung liegt der Gedanke zugrunde, daß bei der Stattgebung eines Ablehnungsantrages durch Richterspruch stets ein gewisser - wenn auch im Einzelfall noch so geringer - Grad der Befangenheit des abgelehnten Organs (Richter, Gerichtskommissär, Laienrichter) angenommen werden muß und auch ein erfolgreiches Rechtsmittel diesen Anschein nicht mehr zu beseitigen vermag (vgl Fasching 1211 f).

Die dargestellte Rechtsmittelbeschränkung verwehrt es dem OGH, die Sachentscheidung des Rekursgerichtes, die den Ablehnungsantrag der Vermächtnisnehmer als gerechtfertigt erkannte, zu überprüfen, so daß der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen war.

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