Spruch:
Macht der Unternehmer wegen Nichtzahlung des Werklohnes vom Zurückbehaltungsrecht Gebrauch, so gerät der Besteller in Annahmeverzug. Dies hat zur Folge, daß sich die Haftung des Schuldners, hier also des Unternehmers, insoweit mildert, als dieser nur noch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einstehen muß
OGH 27. 10. 1971, 7 Ob 151/71 (OLG Linz 3 R 63/71; LG Linz 32 Cg 19/70)
Text
Aus den vom Berufungsgericht für unbedenklich befundenen erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen ergibt sich im wesentlichen folgender Sachverhalt: Der Kläger brachte am 25. 3. 1965 einen ihm gehörigen, mehrfach beschädigten LKW zur Instandsetzung in die Reparaturwerkstätte der Beklagten, die sodann, nachdem sie dem Kläger entsprechende Kostenvoranschläge erstattet hatte, die Reparaturarbeiten durchführte. Als sie am 13. 4. 1965 die Schäden behoben hatte und der Kläger einige Tage später das reparierte Fahrzeug in Empfang nehmen wollte, stellte sich heraus, daß er die Reparaturskosten im Gesamtbetrage von S 22.028.40 nur zu einem Teil bezahlen konnte. Ihm wurde daher seitens der Beklagten bedeutet, er werde den LKW erst nach vollständiger Bezahlung der diesbezüglichen Rechnungen ausgefolgt erhalten. In der Folge wiederholt unternommene Versuche des Klägers, die Herausgabe des LKW durch eine Teilzahlung und Sicherstellung der dann noch aushaftenden Restzahlung mittels anderer Kraftfahrzeuge zu erwirken, scheiterten daran, daß er die letzteren nicht als sein Eigentum ausweisen konnte. Das an ihn gerichtete Aufforderungsschreiben der Beklagten, den LKW auszulösen, da sonst der Kreditschutzverband die noch offene Forderung eintreiben werde, ließ der Kläger unbeantwortet. Daraufhin von der nunmehrigen Beklagten beim Erstgericht zu 9 Cg 360/66 auf Zahlung belangt, schloß er mit ihr am 11. 10. 1966 einen gerichtlichen Vergleich. Danach sollte er der Beklagten S 22.183.85 samt Nebengebühren zahlen, hievon S 18.000.- binnen 14 Tagen und den Rest bis 15. 1. 1967, die Beklagte ihrerseits aber dem Kläger bei fristgerechter Zahlung des Teilbetrages von S 18.000.- den LKW ausfolgen, und zwar Zug um Zug gegen sicherstellungsweise Übergabe eines näher bezeichneten anderen LKW des Baujahres 1953 mit Typenschein. Dieser Vergleich wurde vom Kläger nicht erfüllt, weshalb die Beklagte zur Hereinbringung ihrer Geldforderung auf den von ihr reparierten LKW Exekution führte. Um dessen Versteigerung abzuwenden, leistete der Kläger am 18. 12. 1966 an die Beklagte eine Zahlung von S 18.000.- und anerkannte in einer schriftlichen Erklärung den Bestand einer Restschuld von S 4183.85 samt Zinsen und Kosten; zur Sicherstellung dieser Verbindlichkeit verpfändete er der Beklagten den vorerwähnten LKW des Baujahres 1953. Sobald er ihr dieses Fahrzeug übergeben hatte, erhielt er von ihr am 28. 12. 1966 das instandgesetzte Lastauto. Hiebei bemängelte er aber gegenüber der Beklagten, daß, wie eine von ihm gelegentlich der Übernahme durchgeführte Untersuchung ergeben hatte, das Fahrzeug verrostet war und Bestandteile fehlten, deren einige, insbesondere Zierleisten, die Beklagte ihm daraufhin ersetzte. Den noch aushaftenden Betrag von S 4183.85 samt Anhang zahlte der Kläger erst nach vorangegangener Exekution am 16. 1. 1967, worauf ihm der verpfändete LKW freigegeben wurde. Der seinerzeit zur Reparatur in die Werkstatt der Beklagten gebrachte LKW stand dort in der Zeit vom 25. 3. 1965 bis 28. 12. 1966 auf ihrem umzäunten Betriebsgelände bald unter freiem Himmel, bald wieder, wenn gerade genügend Platz war, unter einem Flugdach, unter dem aber für gewöhnlich Fahrzeuge abgestellt sind, die die Beklagte zum Weiterverkauf übernommen hat. Daß sein LKW bis zu seiner Ausfolgung im Freien abgestellt sein werde, wurde dem Kläger seitens der Beklagten wiederholt erklärt. Übrigens parkte auch der Kläger dieses Auto schon immer im Freien und hält es damit auch jetzt noch so.
Nach dem Klagsvorbringen habe der Kostenvoranschlag der Beklagten über die von ihr zu leistenden Reparaturarbeiten auf höchstens S 17.000.- gelautet. Die Beklagte habe ihm dann die Ausfolgung des reparierten LKW grundlos verweigert, obwohl er zur Zahlung von S 17.000.- und hinsichtlich der Mehrforderung zu einer hinreichenden Sicherstellung bereit gewesen sei. Nur unter dem Druck der Tatsache, daß er das Fahrzeug dringend benötigt habe, habe er sich zum Abschluß des Vergleiches vom 11. 10. 1966 verstanden. Infolge unsachgemäßer Verwahrung des von der Beklagten zurückbehaltenen Fahrzeuges seien daran mit S 35.000.- zu beziffernde Rostschäden entstanden und außerdem sei Wasser in die Kardanlager eingedrungen, was einen Reparaturaufwand in der Höhe von S 7500.- erfordert habe. Der mit dieser Reparatur einhergehende Verdienstentgang habe sich auf S 4900.- belaufen. Die fehlenden Bestandteile seien mit S 1096.- zu bewerten. Die zur Feststellung und Behebung dieses Mangels notwendig gewesene Arbeit habe S 500.- gekostet und der durch die diesbezügliche Stehzeit verursachte Verdienstentgang habe S 800.- betragen. Insgesamt verlangt demnach der Kläger von der Beklagten mit der vorliegenden, am 9. 2. 1970 eingebrachten Klage einen Schadenersatz von S 49.796.- samt Nebengebühren.
Die Beklagte beantragte Abweisung des von ihr dem Gründe und der Höhe nach bestrittenen Begehrens. Wegen des Zahlungsverzuges des Klägers habe sie die angeblichen Witterungsschäden des Fahrzeuges nicht zu verantworten, zumal der Kläger auch gewußt habe, daß dieses im Freien abgestellt worden sei. Auch sei der Klagsanspruch nach § 1489 ABGB verjährt. Da der Kläger von den behaupteten Schäden und Mängeln spätestens bei der Übergabe des Wagens am 28. 12. 1966 Kenntnis erlangt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ist der Ansicht, die Beklagte habe unter den gegebenen Umständen von ihrem Zurückbehaltungsrecht berechtigterweise Gebrauch gemacht und sie sei auch der ihr auf Grund des Werkvertrages obliegenden Pflicht und Obsorge für den LKW im Rahmen des Zumutbaren nachgekommen; im übrigen aber sei ja der Kläger mehrmals darauf aufmerksam gemacht worden, daß der Wagen bis zur vollständigen Bezahlung der Reparaturen im Freien abgestellt sein werde, sodaß es seine Sache gewesen wäre, das Fahrzeug durch geeignete Vorkehrungen zu schützen. Darüber hinaus sei die Klagsforderung, soweit es sich um die abhanden gekommenen Teile und die Rostschäden handle, verjährt, da der Kläger von diesen Mängeln schon durch die von ihm im Dezember 1966 vorgenommene Untersuchung gewußt habe.
Die zweite Instanz gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Sie hielt seine Mängelrüge sowie die von ihm unternommene Bekämpfung der Beweiswürdigung bis auf eine hier nicht interessierende Einzelheit für unbegrundet und billigte auch die der Sache im Ersturteil zuteil gewordene rechtliche Beurteilung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens macht der Revisionswerber zunächst geltend, daß im Verfahren erster Instanz die Klagsbehauptung über einen im Kostenvoranschlag festgelegten Höchstbetrag von S 17.000.- nicht hinreichend erörtert und auch bei der Beweisaufnahme, namentlich bei der Parteienvernehmung, nicht genügend berücksichtigt worden sei. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß die Entscheidung der Frage, ob die Beklagte berechtigt war, den LKW bis zur gänzlichen Bezahlung der Reparaturrechnungen zurückzubehalten, wesentlich davon abhängt, ob das offensichtlich auf § 1170a ABGB abgestellte Klagsvorbringen, wonach die umstrittenen S 17.000.- als Höchstbetrag veranschlagt worden seien, zutrifft. In diesem Belange enthält das Ersturteil allerdings keinerlei Feststellung; auch in der dort vorkommenden Wiedergabe der Klagsbehauptungen wird das in Frage stehende klägerische Vorbringen trotz seiner rechtlichen Bedeutsamkeit nicht erwähnt. Dem Ersturteil haftet dadurch ein erheblicher, auf einem Rechtsirrtum beruhender Feststellungsmangel an. Das Berufungsgericht aber verweist den Rechtsmittelwerber mit seiner Bemängelung, über die Klagsbehauptung von den durch Voranschlag auf höchstens S 17.000.- beschränkten Reparaturkosten habe keine Beweisaufnahme stattgefunden, auf den Umstand, daß dieses Prozeßvorbringen nicht einmal durch seine eigene Parteivernehmung bestätigt werde; vielmehr habe danach die Beklagte, da die durchzuführenden Reparaturen vier verschiedene Schäden des Fahrzeuges betroffen hätten, für jeden derselben einen gesonderten Kostenvoranschlag erstellt; doch habe der Kläger nicht behauptet, daß es dann zu einer wesentlichen Überschreitung dieser Voranschläge gekommen wäre. Mit diesen Ausführungen brachte die Berufungsinstanz zum Ausdruck, daß sie angesichts der Parteiaussage des Klägers das Klagsvorbringen über den umstrittenen Höchstbetrag von S 17.000.- nicht für erwiesen erachtet. Darin liegt, weil das Ersturteil in dieser Richtung überhaupt nichts besagt, eine erstmals vom Berufungsgericht getroffene Feststellung tatsächlicher Natur, die lediglich durch Verwertung einer bereits vorgegebenen Aktenlage, nicht aber auf Grund einer in zweiter Instanz durchgeführten Beweiserhebung gewonnen wurde. Dieser Vorgang begrundet einen Mangel des Berufungsverfahrens, der aber in der Revision nicht gerügt wird und daher nicht mehr aufgegriffen werden kann, was bedeutet, daß die vom Kläger behauptete Überschreitung eines durch Voranschlag begrenzten Kostenbetrages als nicht erwiesen zu gelten und demnach bei der rechtlichen Würdigung der Sache außer Betracht zu bleiben hat. Gleichfalls unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens hält der Revisionswerber daran fest, daß seine Parteiaussage, wonach ihm die Beklagte zu Unrecht eine schon früher zur Beschaffung einer Autotüre geleistete Zahlung von S 2000.- auf die Reparaturkosten nicht angerechnet habe, auch als Prozeßvorbringen zu werten sei. Dies wurde indes bereits vom Berufungsgericht zutreffend verneint, was mit der ständigen herrschenden Rechtsprechung (SZ 39/8, 6 Ob 158/71 ua) übereinstimmt. Ein weiterer Verfahrensmangel sei der Revision zufolge darin zu erblicken, daß in der Berufung das Unterbleiben der Vernehmung des vom Kläger namhaft gemachten Zeugen Ing H vergebens beanständet wurde, obwohl sich durch dessen Aussage angeblich hätte beweisen lassen, daß das Eindringen von Wasser in die Kardanlager einen geheimen, Schaden verursacht habe. Damit soll offenbar angedeutet werden, daß insofern die dreijährige Verjährungsfrist nicht schon bei Übernahme des reparierten Fahrzeuges durch den Kläger oder an einem der nächstfolgenden Tage ihren Anfang genommen habe. Doch ist das, worauf noch zurückzukommen sein wird, aus rechtlichen Gründen unerheblich; desgleichen auch, daß das Erstgericht die Erzeugermarke des umstrittenen LKW unrichtig bezeichnete, woraus der Revisionswerber, als wäre es in dritter Instanz noch zulässig, gegen die Beweiswürdigung anzukämpfen, zu folgern versucht, "daß die technische Seite der Angelegenheit ohne Sachverständigen kaum richtig gelöst werden" könne. Nach all dem erweist sich die Mängelrüge als verfehlt.
Bei der Anfechtung der aus dem Berufungsurteil sich ergebenden echtlichen Beurteilung geht der Revisionswerber in unzulässiger Weise von einem anderen als dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt aus, indem er bestreitet, daß ihn die Beklagte jemals hätte wissen lassen, es würde sein Fahrzeug im Freien stehen. Da festgestelltermaßen das Gegenteil der Fall ist, erledigt sich schon damit der in der Revision erhobene Einwand, der Kläger habe mit der Abstellung seines Fahrzeuges im Freien nicht rechnen können. Was nun bei der Sachlage, wie sie dem Berufungsgericht zufolge feststeht, rechtlich ins Gewicht fällt, ist der auf Seiten des Klägers eingetretene Zahlungsverzug, der die weitere Abwicklung des mit der Beklagten geschlossenen Werkvertrages blockierte, nämlich das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nach § 471 ABGB (ob auch nach §§ 369 ff HGB kann unerörtert bleiben) auslöste und es dadurch vorerst nicht zur Übergabe des bereits auslieferbaren LKW an den zahlungssäumigen Kläger kommen ließ. Dieser geriet somit in Bezug auf das Fahrzeug in Gläubiger- oder, was dasselbe ist, in Annahmeverzug nach § 1419 ABGB (vgl Gschnitzer - Klang[2] VI 388 II/1; Gschnitzer, Schuldrecht, Allgem Teil, 58 letzter Absatz). Das aber hatte ua zur Folge, daß sich die Haftung des Schuldners, hier also des Unternehmers, insoweit milderte, als dieser nur noch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einstehen mußte (vgl Gschnitzer aaO 59 a E; Gschnitzer - Klang[2] IV/1 64 letzter Absatz und VII 392 Z 2; ähnlich SZ 20/220). Ob freilich diese Minderung der Haftung für eine ordnungsgemäße Verwahrung hier überhaupt von Bedeutung ist, kann dahin gestellt bleiben, weil nichts dafür spricht, daß in der Zeit, da die Reparatur des LKW noch nicht beendet war, dessen Belassung unter freiem Himmel gegen das Erfordernis einer sorgfältigen Verwahrung durch den Unternehmer verstoßen hätte, wo doch das Abstellen solcher Fahrzeuge im Freien zu den alltäglichsten Erscheinungen zählt und übrigens auch der Kläger selbst dieses Fahrzeug nicht anders abzustellen pflegt. Umso weniger aber kann von einem derartigen Verstoß nach Eintritt der Haftungsminderung die Rede sein. Sohin ist das in der Klage inkriminierte Abstellen des LKW im Freien nicht rechtswidrig, weshalb die daraus abgeleiteten Schadenersatzansprüche wegen Rostschäden, Schäden am Kardanlager und des damit zusammenhängenden Verdienstentganges im Betrag von S 4900.- nicht zu Recht bestehen. Daß entgegen der schon in der Berufung vertretenen und in der Revision neuerlich vorgebrachten Meinung des Klägers die Weigerung der Beklagten, den LKW vor der gänzlichen Bezahlung der Reparaturen herauszugeben, mit einer schikanösen Rechtsausübung nichts zu tun hat, weil die Beklagte mit diesem Verhalten ihre unberichtigte Forderung hereinbringen wollte, wogegen Schikane ausschließlich nur die Schädigung des Schuldners bezweckt, wurde schon vom Berufungsgericht hervorgehoben. Ungeeignet, den Klagsanspruch zu stützen, ist auch der Hinweis des Revisionswerbers, daß ihm die Beklagte in anderen Geschäftsfällen trotz Zahlungsrückständen jeweils das betreffende Kraftfahrzeug sogleich nach der Reparatur ausgefolgt habe. Was schließlich das Abhandenkommen gewisser Bestandteile des LKW anlangt, so ist festgestellt, daß diese Tatsache vom Kläger bereits bei der Übernahme des Fahrzeuges wahrgenommen wurde. Von da an lief somit die dreijährige Verjährungszeit nach § 1489 ABGB, uzw nicht nur für den unmittelbaren Entschädigungsanspruch auf Ersatz der Material- und Montagekosten, sondern auch für den in der Klage geltend gemachten Folgeschaden wegen Verdienstentganges infolge Stehzeit, da dieser Vermögensnachteil keineswegs eine so entfernte Auswirkung des Sachschadens darstellt, daß sie der Kläger bei dessen Entdeckung nicht hätte voraussehen können (1 Ob 98/71 ua). Was der Kläger damals allerdings noch nicht wissen konnte, war die Höhe der letzterwähnten Schäden. Dies hindert aber nicht den Verjährungsablauf, steht doch in einem solchen Fall dem Anspruchsberechtigten die Möglichkeit einer Feststellungsklage zu Gebote (2 Ob 500/59 = ZVR 1960/269, 1 Ob 157/71 ua). Da die Berufungsentscheidung aber auch sonst frei von Rechtsirrtum ist, war der Revision nicht Folge zu geben.
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