OGH 5Ob263/71

OGH5Ob263/7120.10.1971

SZ 44/163

Normen

Ratengesetz §4 Abs2
Ratengesetz §4 Abs2

 

Spruch:

Der Ratenkäufer, der auf Grund einer Postwurfsendung des Verkäufers diesem auf der der Sendung beigeschlossenen Antwortkarte mitteilt, daß er sich für eine Vorführung der annoncierten Maschine interessiere, hat die Geschäftsverbindung "angebahnt"; daher steht ihm gemäß § 4 Abs 2 RatG kein Rücktrittsrecht zu

OGH 20. 10. 1971, 5 Ob 263/71 (LGZ Graz 1 R 111/71; BGZ Graz 26 C 109/71)

Text

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von S 430.- samt Nebengebühren. Es ging von folgendem, teils außer Streit gestellten, teils von ihm festgestellten Sachverhalt aus:

Auf Grund einer ihr von der Klägerin zugesandten Postwurfsendung teilte die Beklagte mittels der der Sendung begeschlossenen Antwortkarte mit, daß sie sich für eine Vorführung der annoncierten Strickmaschine interessiere. Darauf erschien eine Vertreterin der Klägerin in der Wohnung der Beklagten und zeigte ihr die Strickmaschine. Da diese der Beklagten zusagte, kam es am 29. 4. 1969 zum Abschluß eines Kaufvertrages, wonach die Beklagte die Strickmaschine um S 1480.- kaufte. Sie leistete eine Anzahlung von S 280.-, die restlichen S 1200.- zuzüglich Zinsen von S 72.- und Teilzahlungsregiezuschlag von S 20.- sollten in sechs gleichen, aufeinanderfolgenden Monatsraten von je S 215.- jeweils am 5. der Monate Juni bis November 1969 bezahlt werden. Der schriftliche Kaufvertrag enthielt die Vereinbarung des Terminsverlustes für den Fall des Ausbleibens von zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Raten sowie die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts der Klägerin bis zur Bezahlung des Kaufpreises samt Nebenkosten. Ferner bestätigte die Beklagte darin die Übernahme einer deutlich lesbaren Abschrift des Kaufvertrages, und sie verpflichtete sich zur Abnahme des Kaufgegenstandes. Auf das Rücktrittsrecht nach § 4 RatG wurde hingewiesen. Die Vertreterin sagte der Beklagten zu, daß ihr eine Strickerin die für die Handhabung der Maschine notwendigen Anweisungen erteilen werde.

Die Maschine wurde am 27. 5. 1969 geliefert, und am 4. 6. 1969 fand in einem Gasthaus die Anleitung statt. Da die Maschine dabei öfter hängen blieb und nicht anschlug, wollte die Beklagte sie der Vorführerin zurückgeben. Diese nahm sie jedoch nicht, sondern riet der Beklagten, sie daheim noch auszuprobieren. Außerdem werde sie wiederkommen.

Die Beklagte bezahlte vier Raten zu je S 215.-. Da sie aber mit der Maschine wegen der Mängel nichts anfangen konnte, bezahlte sie die beiden letzten Raten nicht mehr, sondern schickte die Maschine am 26. 9. 1969 der Klägerin zurück, indem sie ihr gleichzeitig mitteilte, daß sie mit der Maschine nicht zufrieden sei und von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch mache. Die Klägerin nahm die Maschine nicht an und erwiderte mit Schreiben vom 2. 10. 1969, daß die Beklagte nicht mehr zurücktreten könne, worauf diese mit Brief vom 5. 11. 1969 der Klägerin bekanntgab, daß sie den Kaufvertrag gemäß § 4 RatG storniere.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht folgendermaßen:

Der Kaufvertrag unterfalle dem RatG. Gemäß § 10 Abs 2 dieses Gesetzes habe der Verkäufer dem Käufer unverzüglich, nachdem dieser den Ratenbrief unterfertigt habe, eine Abschrift auszufolgen, der nach Abs 1 Überschrift und Wortlaut des § 4 RatG (Rücktrittsrecht des Käufers) deutlich lesbar zu enthalten habe. Da der vorliegende Kaufvertrag dieser Vorschrift nicht entspreche, könne die Beklagte vom Kaufvertrag zurücktreten. Gemäß § 10 Abs 3 RatG komme zwar das Abzahlungsgeschäft auch ohne Errichtung eines Ratenbriefes wirksam zustande; der Verkäufer könne aber den Kaufpreis nicht begehren, solange nicht dem Käufer eine Abschrift eines ordentlich errichteten Ratenbriefes ausgefolgt worden und die dem Käufer offenstehende fünftägige Rücktrittsfrist verstrichen sei. Da die Klägerin der Beklagten niemals einen vorschriftsmäßigen Ratenbrief übergeben habe, könne die Beklagte noch immer vom Vertrag zurücktreten.

Zufolge Berufung der Klägerin änderte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es der Klage stattgab.

Es führte hiezu aus, daß die der Beklagten zugekommene Postwurfsendung der Klägerin eine Werbung und keine Anbahnung der Geschäftsverbindung iS des § 4 Abs 2 RatG darstelle. Die Anbahnung sei von der Beklagten ausgegangen, die auf Grund der Postwurfsendung der Klägerin mitgeteilt habe, daß sie sich für die Vorführung der darin annoncierten Strickmaschine interessiere. Erst hierauf sei eine Vertreterin der Klägerin zur Beklagten gekommen und habe mit dieser den Kaufvertrag abgeschlossen. Daher komme das RatG überhaupt nicht zur Anwendung, und der von der Beklagten erklärte Rücktritt sei unbeachtlich. Ob ein Ratenbrief errichtet wurde, sei hienach nicht entscheidend, vielmehr sei zufolge eingetretenen Terminsverlustes der restliche Kaufpreis fällig.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 4 Abs 2 RatG steht das Rücktrittsrecht dem Käufer nicht zu, wenn er selbst die zu einem bestimmten Abzahlungsgeschäft führende geschäftliche Verbindung mit dem Verkäufer oder einem von diesem mit der Vermittlung oder Abschließung von Geschäften betrauten Vertreter angebahnt hat.

Nach Edlbacher, Komm z RatG § 4 Anm 10, weist das Wort "anbahnen" darauf hin, daß es sich nicht schon um eine rechtsgeschäftliche Erklärung handeln muß; vielmehr wohnt diesem Ausdruck ein tatsächlicher Sinn inne. Es genügt also, daß vom Käufer der Antrieb, die Anregung ausgeht. Die EB (S 13) führten als Beispiel für die Anbahnung durch den Käufer an, daß dieser den Verkäufer (fernmündlich, schriftlich, durch einen Boten oder sonstwie mittelbar oder auch unmittelbar) um den Besuch eines Vertreters ersucht.

Auch Zedtwitz, Das Ratengesetz 39 Anm 38, verneint das Rücktrittsrecht, wenn der Käufer den Verkäufer zur Entsendung eines Vertreters eingeladen oder aufgefordert hat.

Nach Mayrhofer, Das Abzahlungsgeschäft nach dem neuen Ratengesetz, 153 f, steht das Rücktrittsrecht dem Käufer nur zu, wenn ihn der Vertreter unaufgefordert aufsuchte. Im gleichen Sinn wurde in der oberstgerichtlichen Entscheidung RZ 1967, 74 = HS 5401 ausgesprochen, daß der Käufer zum Rücktritt nicht berechtigt ist, wenn er auf Grund einer Zeitungsannonce den Verkäufer angerufen hat, weil er dadurch die Geschäftsverbindung angebahnt hat.

Dem Ratenkäufer wurde das Rücktrittsrecht eingeräumt, weil die Gefahr besteht, daß er vom Verkäufer oder von dessen Vertreter außerhalb der Geschäftsräume, nämlich in seiner Wohnung, durch die persönliche Anwesenheit zu Käufen veranlaßt wird, die er unbeeinflußt und bei sorgfältiger Überlegung aller Umstände nicht getätigt hätte. Diese Erwägungen fallen weg, wenn die Initiative zum Geschäftsabschluß vom Kläger selbst ausgeht. Wenn der Käufer den Geschäftsmann zu einem Besuch in seiner Wohnung auffordert, dann hat er sich eine etwaige Beeinflussung selbst zuzuschreiben (Mayrhofer aaO).

Eine Postwurfsendung des Verkäufers bedeutet ebenso wie eine Annonce noch keine Anbahnung einer zu einem bestimmten Abzahlungsgeschäft führenden geschäftlichen Verbindung. Wohl aber gilt dies für die hier festgestellte schriftliche Mitteilung der Beklagten an die Klägerin, daß sie sich für eine Vorführung der annoncierten Strickmaschine interessiere. Hiemit hat die Beklagte eine zu einem bestimmten Ratenkauf führende Geschäftsverbindung angebahnt, weshalb ihr gemäß § 4 Abs 2 RatG das Rücktrittsrecht nicht zusteht.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben, ohne daß es erforderlich war, auf ihre sonstigen Ausführungen zur Frage des Ratenbriefes einzugehen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte