Spruch:
Bei Aufrechnungserklärung bewirkt die bereits vor Eröffnung des Ausgleiches entstandene Gegenforderung nur die Kürzung des durch sie nicht getilgten Teiles der Forderung des Ausgleichsgläubigers auf die Ausgleichsquote
OGH 26. 1. 1971, 8 Ob 1/71 (OLG Graz 2 R 127/70; LGZ Graz 9 Cg 170/70)
Text
Mit dem Urteil des OGH vom 28. 10. 1969, 8 Ob 214/69, das in zwei damals noch zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen, in denen jede der beiden Parteien einmal Kläger und einmal Beklagter war, erging, wurden die beiderseitigen Ansprüche, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens waren, erledigt. Offen blieb ein Teil des Begehrens des damaligen Beklagten und Widerklägers Karl S in Höhe von S 56.000.- hinsichtlich welchen Betrages das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben hatte. In der Revisionsentscheidung wurde zusammenfassend ausgeführt, daß nach der im Innenverhältnis zwischen den beiden Parteien wirksamen rückwirkenden Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses Otto L jun dem Karl S die von diesem auf Rechnung der in Aussicht genommenen Gesellschaftseinlage bereits geleisteten Zahlungen von zusammen S 658.000.- zurückzuerstatten habe, daß Karl S den auf Rechnung dieses Betrages bereits erhaltenen Teilbetrag von S 300.000.- behalten könne und daß er den restlichen Betrag unter Berücksichtigung der mit 40% festgesetzten Ausgleichsquote und nach Abzug einer allenfalls dem Otto L jun zustehenden, im fortgesetzten Verfahren erst zu klärenden Gegenforderung noch zurückverlangen könne.
Da damit das von Otto L jun erhobene Klagebegehren zur Gänze erledigt war, hob das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren die Verbindung der beiden Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung auf, sodaß nunmehr Karl S alleiniger Kläger und Otto L jun alleiniger Beklagter ist.
Der Kläger machte Wiederaufleben seiner vom Ausgleich betroffenen Forderung geltend und dehnte sein Klagebegehren dementsprechend aus, während er anderseits die vom Beklagten geltend gemachte Gegenforderung mit dem Betrag von S 49.000.- anerkannte und das Klagebegehren um diesen Betrag einschränkte. Das ergibt einen Klagsbetrag von S 221.800.- sA (ursprüngliche Forderung S 658.000.-, abzüglich des oben angeführten Betrages von S 300.000.-, des im ersten Rechtsgang zugesprochenen Betrages von S 87.200.- und der Klagseinschränkung von S 49.000.-). Der Beklagte sprach sich gegen die Klagsausdehnung aus.
Das Erstgericht erkannte, ohne einen ausdrücklichen Beschluß über die Zulassung der Klagsausdehnung zu fassen, über das ausgedehnte Klagebegehren und sprach dem Kläger den vollen Betrag von S 221.800.- sA zu. Es stellte fest: In dem am 18. 2. 1966 bestätigten Ausgleich wurde hinsichtlich der nicht bevorrechteten Gläubiger die Zahlung einer 40%igen Quote, zahlbar in neun Monatsraten, vereinbart. Für den Fall der Nichterfüllung sollte Terminsverlust und Wiederaufleben eintreten, beides nach eingeschriebener Rückscheinmahnung mit 14tägiger Nachfristsetzung. Mit eingeschriebenem Mahnschreiben de dato 17. 2. 1970 forderte der Kläger den Beklagten unter Setzung einer 14tätigen Frist und Geltendmachung des Terminsverlustes auf, die dem Kläger inzwischen rechtskräftig zugesprochene Ausgleichsquote in Höhe von S 87.200.- zuzüglich aufgelaufener Nebengebühren bis 16. 3. 1970 zu bezahlen.
Dieses am 17. 2. 1970 unter der richtigen Grazer Anschrift des Beklagten zur Post gegebene Mahnschreiben wurde, da es dem Beklagten nicht zugestellt werden konnte, am 18. 2. 1970 bei der Post hinterlegt. Die Verständigung von der Hinterlegung wurde beim Beklagten zurückgelassen. Das Erstgericht war der Ansicht, die Voraussetzungen für das Wiederaufleben der vom Ausgleich betroffenen restlichen Forderung des Klägers seien gegeben.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz, das vom Beklagten hinsichtlich des Zuspruches des S 7000.- übersteigenden Betrages bekämpft worden war. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß die Voraussetzungen für das Wiederaufleben der vom Ausgleich betroffenen Restforderung des Klägers gegeben seien. Ein Ausgleichsschuldner habe dafür zu sorgen, daß ihm ein richtig adressiertes Mahnschreiben zukomme. Unterlasse er dies, dann könne er sich nicht darauf berufen, daß er das Mahnschreiben nicht erhalten habe. Es genüge, wenn das Mahnschreiben in den Machtbereich des Adressaten gelange. Diese Voraussetzung liege hier vor. Die in der Berufung aufgestellte Behauptung, der Beklagte habe sich zur Zeit der Zustellung des Mahnschreibens auf einer mehrwöchigen Geschäftsreise im Ausland befunden, stelle eine unzulässige Neuerung dar. Hinsichtlich der Klagsausdehnung führte das Berufungsgericht aus, es sei zwar richtig, daß das Erstgericht über die Klagsausdehnung nicht ausdrücklich entschieden habe. Das Erstgericht habe aber dadurch, daß es über das ausgedehnte Klagebegehren mit Urteil abgesprochen habe, die Klagsausdehnung implicite zugelassen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Klagsausdehnung seien gegeben.
Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der beklagten Partei, soweit sich dieses Rechtsmittel gegen die Zulassung der Klagsausdehnung richtet, zurück. Im übrigen gab er dieser Revision nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Zulassung der Klagsausdehnung richtet, ist es unzulässig. Über die Zulassung der Klagsänderung ist zwar grundsätzlich mit Beschluß zu entscheiden, und zwar auch dann, wenn kein abgesonderter Beschluß ergeht, sondern die Entscheidung in das Urteil aufgenommen wird. Die Rechtsprechung läßt es jedoch auch zu, daß kein formeller Beschluß gefaßt, sondern der Entscheidung einfach das geänderte Klagebegehren zugrunde gelegt wird (vgl Fasching, Komm III, zu § 235 ZPO 123 Anm 11). Das Berufungsgericht hat im Berufungsurteil diese Implicitezulassung der Klagsausdehnung ausdrücklich mit der Begründung aufrechterhalten, daß die Voraussetzungen für die Zulassung der Klagsausdehnung gegeben seien. Auch wenn auf diese Weise über die Zulassung der Klagsausdehnung in Urteilsform abgesprochen wird, so kann dies den Parteien nicht mehr Rechte geben, als wenn mit Beschluß entschieden worden wäre. Die Revision des Beklagten ist daher, soweit sie sich mit der Frage der Zulässigkeit der Klagsausdehnung befaßt, als Revisionsrekurs zu werten, der nach § 528 ZPO wegen übereinstimmender Entscheidungen der Vorinstanzen unzulässig und daher zurückzuweisen ist (vgl SZ 40/14). Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision kann aus diesem Gründe nicht eingegangen werden.
Im übrigen ist die Revision nicht gerechtfertigt.
Was das Wiederaufleben der vom Ausgleich betroffenen Restforderung des Klägers anlangt, so wendet sich der Beklagte gegen die Ansicht der Vorinstanzen, daß die für das Wiederaufleben erforderliche Voraussetzung der Zustellung des eingeschriebenen Mahnschreibens gegeben sei. Es fehle an einer wirksamen Zustellung des Mahnschreibens, das dem Beklagten nicht zugekommen sei. Die Hinterlegung des Mahnschreibens bei der Post könne nicht einer Ausfolgung gleichgehalten werden.
Dem Berufungsgericht ist jedoch darin beizupflichten, daß die unter der richtigen Wohnanschrift des Beklagten erfolgte Absendung und mangels Anwesenheit des Beklagten in seiner Wohnung erfolgte Hinterlegung des Mahnschreibens bei der Post die Wirkung einer Zustellung des Mahnschreibens hat. Darauf, daß ihm das Schriftstück mangels Anwesenheit in der Wohnung nicht ausgefolgt werden konnte, kann sich der Beklagte nicht berufen, weil er, wie festgestellt wurde, von der Hinterlegung bei der Post verständigt wurde und daher die Möglichkeit gehabt hätte, das Schriftstück bei der Post zu beheben. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, muß der Ausgleichsschuldner, der bei Nichteinhaltung der Ausgleichsraten mit einem Mahnschreiben rechnen muß, dafür sorgen, daß ihm ein richtig adressiertes Mahnschreiben auch zukommen kann. Wird er von der Hinterlegung bei der Post verständigt, dann muß er es von der Post abholen (vgl SZ 41/64, EvBl 1968/385 ua). Weiterer Feststellungen in diesem Belange bedurfte es nicht. Die Behauptungen in der Berufung, der Beklagte habe sich damals auf einer längeren Geschäftsreise im Ausland befunden, wurde vom Berufungsgericht mit Recht als unbeachtliche Neuerung abgetan.
Unzutreffend sind auch die Ausführungen, mit denen der Beklagte darzutun versucht, dem Mahnschreiben könne keine rechtliche Wirkung zuerkannt werden, weil es vor Ablauf der Leistungsfrist des im Verfahren 8 Cg 367/66 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz bezüglich der Ausgleichsquote ergangenen Urteils abgesendet worden sei.
Daß die Zustellung des Mahnschreibens während des Laufes der im Urteil, betreffend die Zuerkennung der Ausgleichsquote, gesetzten Leistungsfrist erfolgte, benimmt jedoch dem Mahnschreiben keineswegs die rechtliche Wirksamkeit. Die im bestätigten Ausgleich für die Zahlung der Ausgleichsquote gesetzte Frist war im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnschreibens - das der Kläger offenbar im Hinblick auf die Bestreitung durch den Beklagten erst nach Rechtskraft des die Ausgleichsquote betreffenden Leistungsurteils absendete - längst abgelaufen. Die Bestreitung der Forderung durch den Beklagten hat weder an der Fälligkeit der Forderung, die gemäß § 406 ZPO Voraussetzung für das Leistungsurteil war, noch am Verzug in der Erfüllung des Ausgleichs im Sinn des § 53 Abs 4 AO etwas geändert (vgl SZ 10/181, AnwZ 1935, 156). Die gemäß § 409 ZPO zu bestimmende Leistungsfrist ist nur eine dem Verurteilten vom Gesetz gewährte Exekutionsstundung (vgl Fasching, Komm zu § 409 ZPO Anm 2), sie stellt gewissermaßen eine Schonfrist für den Verurteilten dar, innerhalb der er, ohne von Exekutionsschritten verfolgt werden zu können, seiner Verpflichtung nachkommen kann. Die Rechtsfolgen von Fälligkeit und Verzug werden dadurch nicht berührt.
Der Beklagte ist auch nicht im Recht, soweit er darzutun versucht, es sei die Höhe der wiederaufgelebten Forderung unrichtig errechnet worden. Der Beklagte meint, die vom Kläger nunmehr anerkannte Gegenforderung von S 49.000.- wäre mit der Ausgleichsquote zu verrechnen gewesen und nicht mit der vollen Höhe der Forderung des Klägers. Er glaubt, dies daraus ableiten zu können, daß der Kläger während des Ausgleichsverfahrens keine Aufrechnungserklärung abgegeben habe. Der Ansicht des Beklagten kann aber nicht gefolgt werden. Der Entscheidung SZ 31/149, auf die sich der Beklagte berufen zu können vermeint, lag ein anders gearteter Sachverhalt zugrunde. Im vorliegenden Fall stammt sowohl die Forderung des Klägers als auch die Gegenforderung des Beklagten aus der Zeit vor Eröffnung des Ausgleichsverfahrens. Wird Aufrechnung begehrt, dann wird nach ständiger Rechtsprechung (vgl die unter Punkt 1 bei § 1438 ABGB in der von Kapfer besorgten Manz'schen Ausgabe[28] angeführten Entscheidungen) die Wirkung der Aufrechnungserklärung auf den Zeitpunkt zurückbezogen, in welchem die Forderungen sich zuerst aufrechenbar gegenüberstanden. Vom Ausgleich konnte demnach nur der im Zeitpunkt der Eröffnung des Ausgleiches noch nicht als durch die Gegenforderung getilgte Teil der Forderung des Klägers betroffen werden. Die Kürzung dieser Restforderung des Klägers auf die Ausgleichsquote ist durch das Wiederaufleben wieder weggefallen. In der Ansicht der Vorinstanzen, der Kläger könne den vollen, durch die Gegenforderung nicht aufgezehrten Teil seiner Forderung verlangen, kann daher ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden.
Die Ausführungen des Beklagten, "eine Verständigung könne nur von jenem Zeitpunkt an begehrt werden, zu dem der angebliche Verzug eingetreten sei, ein Verzug in der Erfüllung könne naturgemäß erst nach dem Wiederaufleben erfolgt sein, sodaß eine allfällige Verständigung auch erst nach diesem Zeitpunkt denkbar sei", sind nicht recht verständlich. Falls unter Verständigung das Mahnschreiben zu verstehen sein sollte, so wäre dazu zu sagen, daß eben durch die Nichteinhaltung der im Mahnschreiben gesetzten Nachfrist Wiederaufleben der ganzen Restforderung des Klägers eingetreten ist und daß damit auch alle sich für den Beklagten aus dem Ausgleich ergebenden Begünstigungen einschließlich des im Ausgleich festgesetzten Zahlungsaufschubes und Zahlungsnachlasses hinfällig geworden sind (§ 53 Abs 4 AO).
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