OGH 7Ob221/70

OGH7Ob221/7025.11.1970

SZ 43/215

Normen

VersVG §158d Abs2
VersVG §158d Abs2

 

Spruch:

Umfang der Verständigungspflicht des geschädigten Dritten nach § 158d Abs 2 VersVG

OGH 25. November 1970, 7 Ob 221/70 (OLG Graz 4b R 70/70; LG Klagenfurt 15 Cg 71/70)

Text

Am 21. Oktober 1966 kam es zwischen einem dem Kläger gehörigen PKW, der von seiner Gattin Helga B gelenkt wurde und dem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW des Peter K zu einem Zusammenstoß, wobei beide Wagen beschädigt wurden. Der Kläger erwirkte am 29. März 1968 gegen Peter K ein Versäumungsurteil auf Bezahlung eines Schadens in der Höhe von 30.819 S samt Nebengebühren. Auf Grund dieses Urteils wurde dem Kläger am 1. Dezember 1969 die Exekution durch Pfändung und Überweisung der dem Peter K gegen die beklagte Partei als Haftpflichtversicherer aus dem Versicherungsvertrag zustehenden Forderung bewilligt. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Beklagten als Drittschuldnerin die Bezahlung der in der Exekutionsbewilligung genannten Beträge. Die Beklagte wendete ein, das Alleinverschulden am Unfall treffe die Gattin des Klägers, bestritt die Höhe des Schadens und machte geltend, sie sei von der Klagszustellung und der ersten Tagsatzung im Haftpflichtprozeß nicht ordnungsgemäß verständigt worden, sie brauche daher das Urteil im Haftpflichtprozeß nicht gegen sich gelten zu lassen.

Das Erstgericht entschied i S des Klagebegehrens. Es legte auf Grund der vorliegenden Akten und Urkunden seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde: Der Kläger meldete am 4. Jänner 1967 der Beklagten den Unfallsschaden und begehrte dessen Ersatz. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 9. Jänner 1967, sie sei gem § 38 VersVG leistungsfrei. Am 4. Februar 1967 teilte hierauf der Kläger der Beklagten mit, daß er gegen K die Schadenersatzklage eingebracht habe. Tatsächlich brachte er die Klage am 7. Februar 1967 beim Landesgericht Klagenfurt ein, sie konnte Peter K aber nicht zugestellt werden, weil er unbekannten Aufenthaltes war.

Bereits am 30. Jänner 1967 hatte K, vertreten durch Dr S, gegen Horst und Helga B beim Landesgericht Klagenfurt eine Klage auf Ersatz eines Unfallsschadens von 45.343 S eingebracht. In diesem Verfahren wendeten die Ehegatten B ihren Unfallsschaden in der Höhe von 24.819 S aufrechnungsweise ein. Am 5. Oktober 1967 wurde in diesem Verfahren Ruhen vereinbart. Am 9. März 1967 teilte der nunmehrige Beklagtenvertreter Dr H dem Klagevertreter Dr P mit, daß er von der beklagten Partei den Auftrag habe, in der Rechtssache K gegen B zu intervenieren und bereit sei, für K die Stelle eines Abwesenheitskurators zu übernehmen, um allenfalls die von beiden Fahrzeughaltern geltend gemachten Schadenersatzansprüche einvernehmlich zu regeln. Am 1. Juni 1967 gab Dr H dem Klagevertreter bekannt, daß ihn die beklagte Partei mit der Vertretung Ks beauftragt habe. Am 10. Juni 1967 teilte die Klagevertreter Dr H mit, daß er vorerst nicht die Absicht habe, die Fortsetzung des Verfahrens gegen K zu begehren, weil seine Mandantschaft die Schadenersatzansprüche in dem gegen sie laufenden Verfahren aufrechnungsweise eingewendet habe und dort bereits Beweise aufgenommen werden. Am 16. Februar 1968 ersuchte der Klagevertreter Dr H um eheste Mitteilung, ob er noch bereit sei, die Stelle eines Abwesenheitskurators für K zu übernehmen, weil er einen solchen Antrag stellen wolle um die Klage dem Beklagten zustellen zu können. Am 23. Februar 1968 teilte hierauf Dr H dem Klagevertreter mit, daß der Aufenthalt Ks nunmehr bekannt sei, er befinde sich im Gefangenhaus in Klagenfurt in Strafhaft. Am 28. Februar 1968 beantragte der Klagevertreter die neuerliche Zustellung der Klage an K unter der von Dr H angegebenen Anschrift. Vom Gericht wurde für 29. März 1968 neuerlich die erste Tagsatzung angeordnet und dem Beklagten die Klage in der Haftanstalt zugestellt, er erschien aber nicht zur ersten Tagsatzung. Der Konzipient des Klagevertreters fragte bei dieser Tagsatzung den zufällig im Verhandlungssaal anwesenden Rechtsanwaltsanwärter Dris H Dr M, ob er nicht für K einschreite, was dieser ablehnte, weil er den Sachverhalt nicht kannte und hiezu keinen Auftrag hatte. Hierauf wurde gegen K ein Versäumungsurteil gefällt. Am 27. Oktober 1969 begehrte der Klagevertreter von der Beklagten die Bezahlung der Forderung aus dem Versäumungsurteil und der Kosten, was von der Beklagten mit der Begründung abgelehnt wurde, sie sei von keiner Seite von der Fortsetzung des Verfahrens verständigt worden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Kläger habe der ihm gem § 158d VersVG obliegenden Verständigungspflicht durch die Anzeige von der Klagseinbringung genügt. Er habe die Beklagte aber auch am 16. Februar 1968 von seiner Absicht, das Verfahren fortzusetzen, und die neuerliche Klagszustellung an K oder einen zu bestellenden Abwesenheitskurator zu beantragen, verständigt. Die Beklagte habe daher mit einer Fortsetzung des Verfahrens in allernächster Zeit rechnen müssen, umsomehr als der Beklagtenvertreter selbst dem Klagevertreter die nunmehrige Anschrift Ks bekanntgegeben habe. Die Beklagte müsse daher das im Haftpflichtprozeß ergangene Versäumungsurteil gegen sich gelten lassen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der Rechtsrüge vertritt die Beklagte die Meinung, der Kläger habe der Verständigungspflicht nach § 158d VersVG durch die am 4. Februar 1967 erfolgte Verständigung von der Einbringung der Klage gegen K nicht genügt, er hätte die Beklagte vielmehr auch von der durch dem neuen Antrag auf Klagszustellung erwirkten Fortsetzung des Verfahrens verständigen müssen, weil es im ersten Fall mangels Klagszustellung zu keiner Streitanhängigkeit gekommen sei und daher für die Beklagte nicht die Möglichkeit einer Nebenintervention bestanden habe.

Gem § 158c Abs 1 VersVG bleibt die Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem beschädigten Dritten bestehen, auch wenn er gegenüber dem Versicherungsnehmer leistungsfrei ist. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte also dem Kläger gegenüber grundsätzlich zur Leistung verpflichtet, auch wenn der Versicherungsnehmer K die Versicherungsprämie nicht bezahlt hat und sie ihm gegenüber deshalb leistungsfrei sein sollte. Dieser Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer auf Entschädigung des geschädigten Dritten wurde in der Exekutionsbewilligung dem Kläger überwiesen. Gem § 158d Abs 2 VersVG ist der geschädigte Dritte verpflichtet, den Versicherer von der gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruches gegen den Versicherungsnehmer schriftlich zu verständigen. Tut er das nicht, so beschränkt sich die Haftung des Versicherers gem § 158e VersVG auf den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Verpflichtungen zu leisten gehabt hätte. Das führt also dazu, daß der Versicherer dem geschädigten Dritten alle Einwendungen entgegensetzen kann, die er auf Seite des Versicherungsnehmers im Haftpflichtprozeß gegen den Anspruch des Dritten erheben hätte können. Andernfalls, also wenn der Versicherer vom Rechtsstreit gegen den Versicherungsnehmer ordnungsgemäß verständigt wurde oder davon Kenntnis erlangt hat und sich daran nicht beteiligt hat, muß er ein gegen den Versicherungsnehmer ergehendes Urteil gegen sich gelten lassen. Der einzige Zweck der Vorschrift des § 158d VersVG liegt darin, den Versicherer vor Überraschungen im Haftpflichtprozeß zu schützen (VersR 1956, 707). Wie das Berufungsgericht zutreffend unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung ausgeführt hat, genügt es in der Regel zur Erfüllung der Verpflichtung nach § 158d Abs 2 VersVG, daß der geschädigte Dritte den Versicherer von der Erhebung der Klage gegen den Versicherungsnehmer und vom Gericht, bei dem sie eingebracht wurde, verständigt. Es ist nicht verpflichtet, auch Verhandlungstermine bekanntzugeben. Eine solche weitergehende Verpflichtung des geschädigten Dritten kann aus § 158d Abs 2 VersVG schon deshalb nicht geschlossen werden, weil diese Vorschrift eine Ausnahmsregelung darstellt, indem sie den geschädigten Dritten Obliegenheiten auferlegt, obwohl er an dem Haftpflichtversicherungsvertrag nicht beteiligt ist. Eine ausdehnende Auslegung ist daher nicht zulässig. Es ist aber der Entscheidung VersR 1959, 256 beizupflichten, daß unter Umständen nach Treu und Glauben eine Verpflichtung des geschädigten Dritten bestehen kann, den Versicherer von der Fortführung eines ruhenden Haftpflichtprozesses oder, wie hier, vom neuerlichen Versuch einer Klagszustellung an den Versicherungsnehmer und damit von der Anhängigmachung des Prozesses zu verständigen. Im vorliegenden Fall wurde die Beklagte am 4. Februar 1967 von der Einbringung der Schadenersatzklage gegen K verständigt, die Klage konnte dem Beklagten aber nicht zugestellt werden, weil er unbekannten Aufenthalts war. Eine Streitanhängigkeit wurde daher gem § 232 ZPO nicht begrundet und für die Beklagte bestand keine Möglichkeit der Nebenintervention auf Seite des Beklagten, aber auch nicht die Möglichkeit ihn zu vertreten, weil von ihm ja keine Vollmacht zu erlangen war. Da der Kläger am 10. Juni 1967 der Beklagten mitteilte, nicht die Absicht zu haben, das Verfahren gegen K fortzusetzen, bestand für die Beklagte auch kein Anlaß, in dieser Sache irgendwelche weiteren Erhebungen anzustellen. Erst am 16. Februar 1968, also nach über einem Jahr, beabsichtigte der Kläger das Verfahren gegen K fortzusetzen. Es muß daher seine Pflicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Beklagte von dieser Absicht zu verständigen in diesem besonderen Fall bejaht werden. Das hat der Kläger aber auch getan. Er verständigte den Beklagtenvertreter von seiner Absicht, die Klage an den Beklagten K zu Handen eines Abwesenheitskurators zustellen zu lassen, worauf der Beklagtenvertreter dem Kläger die Anschrift Ks bekanntgab und ihm damit die Zustellung der Klage an diesen selbst ermöglichte. Der Beklagten war also bekannt, daß das Verfahren gegen K nunmehr fortgesetzt werde und auch eine ordnungsgemäße Zustellung der Klage und die Anordnung einer Tagsatzung hierüber möglich sei. Sie hatte die Möglichkeit von der Anberaumung der Tagsatzung Kenntnis zu erlangen und in diesem Rechtsstreit zu intervenieren, sie konnte sich sogar vom Beklagten selbst eine Vollmacht beschaffen und ihn in diesem Rechtsstreit vertreten. Damit ist der Zweck des § 158d VersVG, den Versicherer vor Überraschungen im Haftpflichtprozeß zu schützen, erfüllt und es bestand für den Kläger keine Verpflichtung, die Beklagte auch noch von der Anberaumung der Tagsatzung über seine Klage zu verständigen. Der Einwand der Revisionswerberin, der Kläger hätte eine neue Klage einbringen können, ist nicht stichhältig, denn in einem solchen Fall hätte er die Beklagte von der neuen Klagseinbringung ebenso verständigen müssen, wie er es von der ursprünglichen getan hat.

Da die Beklagte es unterlassen hat, im Haftpflichtprozeß zu intervenieren, muß sie das gegen ihren Versicherungsnehmer in diesem Prozeß ergangene Versäumungsurteil gegen sich gelten lassen und kann keine Einwendungen gem § 158e Abs 2 VersVG erheben.

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