OGH 8Ob209/70

OGH8Ob209/7013.10.1970

SZ 43/173

Normen

WechselG Art32 Abs2
WechselG Art32 Abs2

 

Spruch:

Die Verbindlichkeit des Wechselbürgen setzt das Vorliegen eines formell verpflichtenden Skripturaktes desjenigen voraus, für den sich der Wechselbürge verbürgt hat

OGH 13. Oktober 1970, 8 Ob 209/70 (OLG Wien 3 R 116/70; KG Korneuburg 1 Cg 55/69)

Text

Das Erstgericht bewilligte auf Grund eines von der klagenden Partei vorgelegten, ursprünglich blanko begebenen Wechsels vom 7. Oktober 1969, lautend auf den Betrag von 1.151.064.29 S, einen von der klagenden Partei beantragten Wechselzahlungsauftrag gegen den Beklagten, der im Wechsel als Bezogener genannt ist. Angenommen war dieser Wechsel jedoch nicht vom Beklagten, sondern von der "Sch GmbH" worden, für die Hildegard W unterschrieben hatte, die vom 20. September 1965 bis 10. Jänner 1969 Geschäftsführerin der Gesellschaft gewesen war; der Beklagte, der alleiniger Gesellschafter der Sch GmbH ist, hatte den Wechsel "als Bürge für den Annehmer" mitunterfertigt. Über das Vermögen der Sch GmbH war am 14. Februar 1969 das Ausgleichsverfahren eröffnet worden; am 7. Mai 1969 war ein Ausgleichsvorschlag angenommen und am 10. Juli 1969 der Ausgleich bestätigt worden.

In den gegen den Wechselzahlungsauftrag erhobenen Einwendungen brachte der Beklagte u a vor, daß der Blankowechsel vereinbarungswidrig ausgefüllt worden sei; schon die Einsetzung des Namens des Beklagten als Bezogenen sei unrichtig, denn er habe nicht als Annehmer, sondern nur als Bürge unterschrieben. Angenommen sei der Wechsel von der Firma Sch GmbH worden, die auch laut Vereinbarung Akzeptantin sein sollte, sodaß diese Gesellschaft als Bezogene eingesetzt hätte werden sollen. Im übrigen wurde der Anspruch der klagenden Partei, soweit er 299.669.28 S überschritt, vor allem deswegen bestritten, weil die klagende Partei den vereinbarten Kreditrahmen überschritten habe.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Klagsforderung mit der Wechselsumme von 1.151.064.29 S samt 6% Zinsen seit 8. Oktober 1969 und 1/3% Provision von 3836 S zu Recht, eine Gegenforderung des Beklagten hingegen nicht zu Recht bestehe, und hielt daher den Wechselzahlungsauftrag im vollen Umfang aufrecht.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es den Wechselzahlungsauftrag aufhob. Ein gezogener Wechsel könne nur vom Bezogenen angenommen werden; da der Beklagte als Bezogener angegeben sei und das Akzept von der Firma Sch GmbH stamme, mangle es an einem wirksamen Akzept. Die Unterschrift des Beklagten könne nicht als Annahme umgedeutet werden, da er seine Unterschrift ausdrücklich als Bürge für den Annehmer abgegeben habe. Gemäß Art 32 Abs 2 WG sei allerdings eine Verpflichtungserklärung des Bürgen auch dann gültig, wenn die Verbindlichkeit, für die er sich verbürgt habe, aus einem anderen Grund als wegen eines Formfehlers nichtig sei. Diese Vorschrift solle aber nur bedeuten, daß die Verpflichtungserklärung auch dann gültig sei, wenn zumindest der Schein eines ordnungsgemäßen Akzeptes vorhanden sei, nicht aber in einem Fall wie dem vorliegenden, wo schon aus dem Wechsel ersichtlich sei, daß eine andere Person als der Bezogene angenommen habe. In einem solchen Falle sei die Bürgschaftserklärung unwirksam, da keine wirksame Erstunterschrift vorliege.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die klagende Partei macht vor allem geltend, das Berufungsgericht habe in Wahrnehmung des Mangels des Wechsels die im Wechselprozeß herrschende Eventualmaxime verletzt. Tatsächlich wird für das Wechselverfahren in ständiger Rechtsprechung der Standpunkt vertreten, daß der Beklagte verpflichtet sei, bei sonstigem Ausschluß alle seine Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag, seien sie materiellrechtlicher oder prozessualer Art, in den "Einwendungen" vorzubringen (JBl 1966, 471, SZ 23/189 u v a; Fasching IV 611 Anm 4 zu § 559 ZPO und IV 583 Anm 2 zu § 552 ZPO). Insbesondere muß der Beklagte daher auch die Ungültigkeit seiner Wechselverpflichtung rechtzeitig geltend machen (Fasching 612). Entgegen der Auffassung der Revision hat der Beklagte aber ohnehin eingewendet, daß er wechselmäßig nicht als Bezogener hafte, brachte er doch in den Einwendungen ausdrücklich vor, die Einsetzung seines Namens als Bezogener sei unrichtig, da er nicht als Bezogener, sondern als Bürge unterschrieben habe. Etwas undeutlich wurde diese Einwendung selbst in der Berufung aufrecht erhalten, in der dem Erstgericht vorgeworfen wurde, es habe den Beklagten in Verkennung der Rechtslage mit der Hauptschuldnerin Firma Sch-GmbH identifiziert. Die erwähnte Einwendung ist deutlich genug, um sie als Bekämpfung der Inanspruchnahme des Beklagten als Bezogenen werten zu können, zumal trotz der Eventualmaxime nicht am Wortlaut der Einwendungen zu haften ist; sie sind vielmehr in ihrem Zusammenhang zu beurteilen (JBl 1963, 212, JBl 1961, 551 u a; Fasching 584).

Dem Gericht ist es verwehrt zu prüfen, ob der Klagsanspruch, falls er aus dem Text des Wechsels nicht abgeleitet werden kann, aus einem anderen Grund berechtigt ist. Ist der Klagsanspruch aus dem Wechsel unbegrundet, muß der Wechselzahlungsauftrag aufgehoben werden, mag auch das Begehren aus anderen Gründen gerechtfertigt sein (SZ 30/1, SZ 23/247 u a; Fasching IV 593 f).

Der Wechselbürge setzt seinen wechselmäßigen Skripturakt in der Absicht, sich in der gleichen Weise zu verpflichten wie der, für den er sich verbürgt. Die Wechselbürgschaft ist wie jede andere Bürgschaft grundsätzlich akzessorisch (Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht, 674) und dient, falls sie für den Annehmer übernommen wurde, nur der Sicherung der Zahlung der Wechselsumme. Eine Ausnahme gilt nur insoweit, als der Wechselbürge nach Art 32 Abs 2 WG auch haftet, wenn der Skripturakt desjenigen, für den sich der Wechselbürge verbürgt hat, zwar seinem äußeren Bild nach verpflichtend ist, der nach diesem Skripturakt Verpflichtete aber tatsächlich nicht haftet; die Verbindlichkeit des Wechselbürgen setzt jedoch das Vorliegen eines formell verpflichtenden Skripturaktes desjenigen voraus, für den sich der Wechselbürge verbürgt hat (EvBl 1967/418; Kapfer, Handkommentar zum WG, 144f zu Art 32 WG, Jacobi, 674 bei Anm 2, Stranz, Wechselgesetz[14], 201 Anm 4 zu Art 32 WG).

Aus dem zu beurteilenden Wechsel ergibt sich, daß der Beklagte zwar als Bezogener genannt ist, den Wechsel aber nicht akzeptierte, sondern nur als "Bürge für den Annehmer" mitunterfertigte. Den Wechsel akzeptierte die nicht als Bezogener genannte Sch GmbH; sie allein hätte von der klagenden Partei bei der späteren Ausfüllung des Blankowechsels als Bezogener genannt werden dürfen. Als solcher angeführt wurde jedoch der Beklagte, der den Wechsel - wie erwähnt - nicht akzeptiert hat. Nach dem Inhalt des Wechsels kann der Beklagte somit weder als Akzeptant (Art 28 Abs 1 WG) noch als Wechselbürge, der - wie ausgeführt - ohne Bestehen einer aus dem Wechsel zu ersehenden Hauptverpflichtung wechselmäßig nicht haftet, in Anspruch genommen werden.

Mit Recht hat das Berufungsgericht daher den Wechselzahlungsauftrag aufgehoben. Daß der Beklagte alleiniger Gesellschafter der Sch GmbH ist, ändert an diesem Ergebnis nichts, weil diese Gesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit ist, für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen, nicht aber der Gesellschafter persönlich haftet (§ 61 Abs 2 GmbHG).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte