OGH 4Ob69/70

OGH4Ob69/706.10.1970

SZ 43/169

Normen

ABGB §1009
ABGB §1431
ABGB §1009
ABGB §1431

 

Spruch:

Auch die Gutgläubigkeit des Dienstnehmers vermag den Anspruch des Dienstgebers auf Herausgabe von ohne Rechtstitel einbehaltenem Vermögen nicht aufzuheben. Keine Anwendung des Jud 33 neu auf solche Fälle

OGH 6. Oktober 1970, 4 Ob 69/70 (LGZ Wien 44 Cg 62/70; ArbG Wien 4 Cr 2103/68)

Text

Der Beklagte leitete als Angestellter des Vereines Österreichische Fremdenverkehrswerbung (ÖFVW) deren Zweigstelle in L. Sein Dienstverhältnis wurde am 31. Jänner 1967 durch Entlassung aufgelöst.

Die Österr Verkehrswerbung zedierte die ihr gegen den Beklagten zustehenden Forderungen an die Klägerin, die diese nun mit der vorliegenden, auf Bezahlung eines Betrages von 111.353.59 S samt 4 Zinsen seit dem Klagstag gerichteten Klage geltend macht. Dieser Betrag setzt sich aus folgenden Teilbeträgen zusammen:

1. Ein bei Lösung des Dienstverhältnisses noch offener Betrag an Gehalts- und Reisekostenvorschüssen in der Höhe von

32.881.15 S

2. aus nicht abgeführten, bei der Umwechslung des Erlöses von

verkauften Eintrittskarten für die Salzburger Festspiele von Pfunden

in Schillingen erzielten Kursgewinnen sowie aus nicht abgeführten

Stornogebühren in Höhe von 75.917.80 S

3. desgleichen aus dem Verkauf von Eintrittskarten erzielte

Kursgewinne für die Festspiele in Bregenz 2.554.64

S ----------- zusammen daher 111.353.59 S.

Der Beklagte beantragte, das Begehren abzuweisen, und wendete ein, seine Dienstgeberin habe von der Einbehaltung der Kursgewinne Kenntnis gehabt und niemals dagegen Einspruch erhoben. Sie sei daher einverstanden gewesen, daß eventuelle Kursgewinne dem Dienststellenleiter verbleiben, der dafür auch allfällige Kursverluste aus eigenem zu tragen gehabt hätte. Desgleichen habe er sich für berechtigt gehalten, Stornogebühren dann für sich zu behalten, wenn es ihm gelungen sei, die Karten wieder weiter zu verkaufen. Hinsichtlich der zurückgeforderten Reisekostenvorschüsse habe er wohl für solche Reisen Gelder entnommen, die von der Zentrale in Wien vorher nicht genehmigt worden waren, jedoch habe er mit der nachträglichen Genehmigung rechnen können.

Das Erstgericht gab dem Begehren mit einem Teilbetrag von 32.881.15 S samt Zinsen statt und wies das auf Zahlung von 78.472.44 S samt Zinsen gerichtete Begehren ab. Es stellte fest:

Der Beklagte sei der Filiale L des Vereines Österr Fremdenverkehrswerbung vorgestanden. Zur Zeit seiner Entlassung haben sich ein offener Gehaltsvorschuß und Reisekostenvorschüsse im Gesamtbetrag von 32.881.15 S ergeben. Diesen Betrag habe der Beklagte anerkannt. Er hätte bei Dienstreisen in Fällen, die eine Abwesenheit von seinem Dienstort von länger als zwei Tagen erforderten, die Zustimmung von der Wiener Zentrale einholen müssen. Der noch offene Betrag an Reisekosten habe sich auf Dienstreisen des Beklagten nach Marokko, Tanger und Wien bezogen, für die er eine Zustimmung nicht eingeholt hatte.

Anläßlich einer Überprüfung der Gebarung der Filiale L in der Zeit vom 13. bis 19. Februar 1967 habe die Buchhalterin S festgestellt, daß nach einer Gesamtaufstellung der Kartenanweisungen von der Zweigstelle L im Jahre 1966 Karten für die Salzburger Festspiele im Betrag von 525.170 S verkauft worden seien. Nach Abzug der 5%igen Provision habe sich ein Betrag von 498.911.50 S ergeben. Dabei sei ein Betrag für Stornogebühren von 1605.50 S zu berücksichtigen, sodaß zur Überweisung nach S ein Betrag von 500.519 S verblieben sei. Die Überweisung dieses Betrages sei auch erfolgt; diesem Betrag entsprechen Pfund Sterling 7012/9/5. Die Eingänge für die Karten an die Zweitstelle betrugen jedoch 7988.60 Pfund Sterling. Die Differenz habe sich daraus ergeben, daß bei der Umrechnung in Schillingen ein Kurs von 1 Pfund Sterling = 66.66 S angewendet worden sei. Der Beklagte habe die Kartenanweisungen zum Umrechnungskurs von 1 Pfund Sterling = 71.50 S verkauft. Ihm seien somit einschließlich der auf Stornogebühren entfallenden Beträge insgesamt 1061/15/9 Pfund Sterling, umgerechnet in Schillingen zum Kurs von 71.50 S daher 75.917.80 S verblieben, die er auf ein gesondertes Bankkonto überwies, später abhob und für sich verbrauchte. Auf Grund der gleichen Verrechnungsarbeit habe sich für die Karten der Bregenzer Festspieldirektion ein Unterschiedsbetrag von 2554.64 S ergeben.

Eine Weisung der Zentrale an die Zweigstelle L über die Behandlung von Kursdifferenzen sei nicht ergangen. Der Filiale L sei auch nicht mitgeteilt worden, daß Gewinne aus Kursschwankungen der Zentrale zustunden und daß Verluste von ihr getragen würden, aber auch nicht, daß die Zweigstellenleiter den Gewinn aus einer Kursdifferenz für sich behalten dürfen. Im Jänner 1969 habe Ilse S auch bei anderen Zweigstellen eine ebensolche Übung der Zweigstellenleiter festgestellt.

Mit den Direktionen der Salzburger und Bregenzer Festspiele habe in den Jahren bis zur Entlassung des Beklagten eine Vereinbarung mit der Zweigstelle L bestanden, wonach diese ein bestimmtes Kontingent an Karten erhalten und verkaufen sollte. Darnach sei der Kartenpreis spesen- und abzugsfrei an die Festspieldirektionen abzuführen gewesen. Als Provision seien der Zweigstelle 5% des Kartenwertes zugekommen. Bei Stornierungen sei eine Stornogebühr von 10% des Kartenwertes zu verlangen gewesen, u zw auch dann, wenn die Karten wieder weiter verkauft werden konnten. Die Zentrale habe mit der Verrechnung selbst nichts zu tun gehabt.

Der Beklagte habe, um Kursschwankungen aufzufangen und ein allfälliges Geschäftsrisiko zu decken, einen Kurs von 66.66 S pro Pfund verrechnet, in einem Informationsschreiben an die Kunden aber einen Kurs von 71.50 S pro Pfund festgehalten.

Hinsichtlich des rückgeforderten Betrages von 32.881.15 S ging das Erstgericht von einem Anerkenntnis der Schuld des Beklagten aus. Im übrigen billigte es ihm bei der Verwendung der übrigen Beträge (Kursgewinne) guten Glauben zu. Die einbehaltenen Stornogebühren stunden den Festspieldirektionen Salzburg und Bregenz zu, nicht aber der Zentrale in Wien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge, wohl aber jener der Klägerin und gab dem Begehren zur Gänze statt. Auf Grund der gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGerG erfolgten Neudurchführung der Verhandlung gelangte es zu denselben Tatsachenfeststellungen wie das Erstgericht und stellte zusätzlich fest: Die Zweigstelle der ÖFVW L habe keine eigene Rechtspersönlichkeit besessen. Die mit den Festspieldirektionen Salzburg und Bregenz getroffenen Vereinbarungen seien, soweit die Zweigstelle L daran beteiligt gewesen sei, im Namen der ÖFVW geschlossen worden. Der Beklagte habe gewußt, daß er den Kartenverkauf im Namen und für Rechnung seiner Dienstgeberin durchführte. Dieser sei die Aneignung der Kursgewinne erst anläßlich der durch die Zeugin S vorgenommenen Überprüfung im Februar 1967 bekannt geworden.

Zur Rückforderung der für nicht genehmigte Dienstreisen entnommenen Reisekostenbeträge sei die ÖFVW berechtigt. Sie habe, wie sich aus den vorgelegten Urkunden ergibt, dem Beklagten mehrmals in Erinnerung gebracht, daß für Dienstreisen ihre vorherige Zustimmung erforderlich sei. Die nachträgliche Genehmigung sei nicht die Regel gewesen, sondern die Ausnahme und ermögliche dem Beklagten nicht, daraus Rechte abzuleiten. Habe er ohne vorherige Genehmigung Dienstreisen angetreten, so habe er damit rechnen müssen, daß eine nachträgliche Genehmigung nicht erteilt und er die Reisekostenvorschüsse nicht vergütet erhalten werde. Im übrigen seien die Feststellungen des Erstgerichtes über das Anerkenntnis des Beklagten betreffend die Richtigkeit des Saldobetrags unbedenklich.

Was die Kursgewinne anbelangt, habe sich der Beklagte bei ihrer Aneignung und ihrem Verbrauch nicht im guten Glauben befunden. Er habe den Verkauf nicht persönlich, sondern im Rahmen des ihm von seiner Dienstgeberin zur Verfügung gestellten organisatorischen Rahmens der Zweigstelle, also im Betrieb seiner Dienstgeberin, durchgeführt und auch gar nicht in Zweifel gezogen, daß die 5%ige Verkaufsprovision nicht ihm persönlich, sondern der Dienstgeberin gehörten. Auch seiner Behauptung, er habe sich grundsätzlich für verpflichtet gehalten, etwaige Kursverluste selbst zu tragen, sei durch nichts begrundet. Er habe außerdem sein diesbezügliches Verhalten seiner Dienstgeberin verheimlicht. Auch hinsichtlich der Stornogebühr könne ihm guter Glaube nicht zugebilligt werden. Der Rechtfertigungsversuch des Beklagten, er habe die mit dem Wiederverkauf der Karten verbundene Mehrarbeit zu verrichten gehabt, versage. Auch die Stornogebühren gehörten zu den Einnahmen seiner Dienstgeberin. Habe sich bei der Abrechnung ein Rest ergeben, so gehöre auch dieser wie die Kursgewinne seiner Dienstgeberin. Da er die angeeigneten Gelder nicht im guten Glauben verbraucht habe, könne er sich auch auf die Grundsätze des Jud 33 neu nicht berufen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der Beantwortung der Frage, ob dem Dienstgeber gegen den

Dienstnehmer ein Anspruch auf Herausgabe von in seinem Namen

vereinnahmten Beträgen oder ein entsprechender Ersatzanspruch

zustehe, ist entscheidend, ob der Dienstnehmer diesem Begehren einen

gültigen Titel zum Erwerb der Beträge entgegensetzen kann. Ein

solcher Titel könnte im vorliegenden Falle nur in einer

entsprechenden dienstrechtlichen Vereinbarung bestehen. Daß eine

solche Vereinbarung ausdrücklich getroffen wurde, behauptet der

Beklagte selbst nicht. Daß aber stillschweigend eine derartige

dienstliche Vereinbarung zustande gekommen wäre, hat das

Berufungsgericht nicht angenommen. Auch ein konkludentes

Zustandekommen einer Vereinbarung setzt voraus, daß die Parteien die

Absicht hatten, eine solche zu schließen (EvBl 1958/331). Das

Berufungsgericht hat festgestellt, daß die ÖFVW erst im Februar 1967

von dem Verhalten des Beklagten Kenntnis erhalten hatte. Es kann

somit von einer stillschweigenden Vereinbarung als Grundlage für das

Verhalten des Beklagten nicht ausgegangen werden. Wenn daher der

Beklagte in der Revision behauptet, das jahrelange Stillschweigen

seiner Dienstgeberin bezüglich der Verrechnung der Kursdifferenz sei

als Zustimmung im Sinn des § 863 ABGB auszulegen, so geht er nicht

vom festgestellten Sachverhalt aus. Mit seinen übrigen

Revisionsausführungen bekämpft der Beklagte die Annahme des Berufungsgerichtes, er sei bei der Einbehaltung und dem Verbrauch der Beträge nicht gutgläubig gewesen. Die Frage der Gut- oder Schlechtgläubigkeit gehört zwar entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht nicht in das Gebiet der Beweiswürdigung, sondern der rechtlichen Beurteilung, denn insofern Schlüsse aus den festgestellten Tatsachen gezogen werden, handelt es sich bei der Untersuchung der Frage, ob diese Schlüsse auf die Gutgläubigkeit oder Bösgläubigkeit den Denkgesetzen und der praktischen Lebenserfahrung entsprechen, um eine solche der rechtlichen Beurteilung, die somit überprüfbar ist (JBl 1955, 278). Gleichwohl bedarf es im vorliegenden Fall einer solchen Überprüfung nicht, denn auch die Gutgläubigkeit eines Verhaltens vermag den Anspruch des Dienstgebers auf Herausgabe von ohne Rechtstitel einbehaltenem Vermögen durch den Dienstnehmer nicht aufzuheben (Arb 7702). Die Rechtsprechung (so Jud 33 neu) schließt allerdings die Rückforderbarkeit von im guten Glauben verbrauchten Dienstbezügen aus, jedoch nur dann, wenn es sich um irrtümlich vom Dienstgeber ausbezahlte Bezüge handelt und diesen Unterhaltscharakter zukommt. Für eine Verallgemeinerung des Jud 33 neu auf Rückforderungen anderer oder gar eigenmächtig einbehaltener Beträge besteht kein Anlaß (Arb 7700, 7702). Somit kann im vorliegenden Fall unerörtert bleiben, ob dem Beklagten in Ansehung der von ihm einbehaltenen Beträge der gute Glaube zugebilligt werden kann. Die gleichen Erwägungen gelten für die Einbehaltung der vom Beklagten eingenommenen Stornogebühren, hinsichtlich deren er seinen guten Glauben mit der Behauptung dartun will, daß er sie als Gegenleistung für die mit dem Wiederverkauf der Karten verbundene Mehrarbeit angesehen habe.

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