OGH 5Ob190/70

OGH5Ob190/7016.9.1970

SZ 43/157

Normen

ZPO §561
ZPO §561

 

Spruch:

Der im Zeitpunkt der Aufkündigung vorliegende Mangel der Aktivlegitimation kann nachträglich nicht saniert werden

OGH 16. September 1970, 5 Ob 190/70 (LGZ Wien 41 R 213/70; BG Innere Stadt Wien 47 C 217/69)

Text

Mit der am 8. August 1969 eingebrachten, auf § 19 Abs 2 Z 10 und 11 MG gestützten Aufkündigung kundigten Eveline N, Lore R und Herbert B, sämtliche vertreten durch den Gebäudeverwalter Franz P, dieser vertreten durch den Klagevertreter, der Verlassenschaft nach der am 9. Mai 1969 verstorbenen Maria Sch die von der Verstorbenen im Hause Wien 1. H-Gasse 17, gemietete Wohnung für den 31. Dezember 1969 auf, ohne in der Aufkündigung anzuführen, aus welchem Sachverhalt sie ihre Aktivlegitimation ableiten. Die Aufkündigung wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 21. August 1969 bewilligt und dem für die Verlassenschaft bestellten Nachlaßkurator am 29. August 1969 zugestellt. Der Nachlaßkurator erhob gegen die Aufkündigung rechtzeitig Einwendungen, in denen er u a ohne nähere Ausführungen die Aktivlegitimation der kundigenden Parteien bestritt und überdies den Mangel einer Vollmacht der für die kundigenden Parteien einschreitenden Vertreter behauptete. Bei der Streitverhandlung vom 19. November 1969 legte der Klagevertreter wieder ohne weitere Behauptungen einen Grundbuchsauszug betreffend das Haus Wien 1. H-Gasse 17 und die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Innere Stadt-Wien vom 12. August 1969 vor.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das darauf gestützte Räumungsbegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Im Zeitpunkt der Einbringung der Aufkündigung (8. August 1969) seien Lore R und Herbert B je zu einem Viertel sowie die Verlassenschaft nach Ernst B zur Hälfte Eigentümer des Hauses Wien 1. H-Gasse 17, gewesen. Eveline N sei erst am 12. August 1969 in den Nachlaß des Ernst B eingeantwortet worden. Zur Aufkündigung seien, so meinte das Erstgericht in rechtlicher Beziehung, nur diejenigen Miteigentümer berechtigt, die zusammen die Mehrheit bilden. Allerdings genüge es, wenn im Prozeß über eine von einer Minderheit der Miteigentümer eingebrachte Kündigung der Nachweis des Einverständnisses der übrigen Miteigentümer erbracht werde. Diese übrigen Miteigentümer müßten aber bereits im Zeitpunkt der Einbringung der Aufkündigung gem § 1120 ABGB zur Kündigung legitimiert gewesen sein. Da Lore R und Herbert B nicht über die Mehrheit der Anteile verfügten, seien sie allein zur Aufkündigung nicht legitimiert gewesen. Eveline N sei zur Zeit der Aufkündigung noch nicht Miteigentümerin der Liegenschaft gewesen, ihre nachträgliche Einantwortung in den Nachlaß des früheren Hälfteeigentümers Ernst B habe den im maßgeblichen Zeitpunkt vorliegenden Mangel ihrer Aktivlegitimation nicht zu sanieren vermocht.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Die Sache wurde an das Erstgericht zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Das Berufungsgericht billigte zwar die Auffassung des Erstrichters, daß nur die Mehrheit der Miteigentümer zur Aufkündigung legitimiert sei. Der Erstrichter habe auch richtig erkannt, meinte das Berufungsgericht, daß selbst eine Minderheit den Bestandvertrag aufkundigen könne, wenn sie noch während des Kündigungsprozesses das Einverständnis der übrigen Miteigentümer nachweise. Es sei schließlich auch richtig, daß der nachträglich zustimmende Miteigentümer im Zeitpunkt der Einbringung der Aufkündigung hierzu berechtigt gewesen sein müsse, weil für die Beurteilung der Aktivlegitimation der Zeitpunkt der Einbringung der Kündigung maßgebend sei. Ebenso wie ein erbserklärter Erbe, dem die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen worden sei, legitimiert sei, Aufkündigungen namens der Verlassenschaft anzubringen, müsse diese Legitimation auch dem erbserklärten Erben zuerkannt werden, dem zwar die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses nicht überlassen wurde, der aber ausdrücklich vom Verlassenschaftsgericht zur Einbringung der Aufkündigung, namens des Nachlasses, ermächtigt worden sei. Nach Erlassung der Einantwortungsurkunde habe das Verlassenschaftsgericht diese Ermächtigung nicht mehr erteilen können. Von diesem Zeitpunkt an vertrete der Erbe den Nachlaß ohne irgendwelche Einschränkungen, es komme daher im Falle der nachträglichen Zustimmung eines Miteigentümers zu einer nicht von der Mehrheit eingebrachten Aufkündigung hinsichtlich der Berechtigung zur Erteilung der Zustimmung auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Zustimmungserklärung an. Die Erstklägerin habe nun dadurch, daß sie sich von Anfang an am Verfahren beteiligte, die Prozeßführung genehmigt. Dazu sei sie nach ihrer Einantwortung auch berechtigt gewesen. Freilich hätte sich die Erstklägerin zunächst nur namens der Verlassenschaft nach Ernst B am Verfahren beteiligen dürfen, doch schade es nicht, daß sie im eigenen Namen aufgetreten sei, weil es sich hierbei nur um eine unrichtige Parteibezeichnung der kundigenden Partei gehandelt habe. Im übrigen hätten die Zweitklägerin und der Drittkläger zunächst auch allein die Aufkündigung einbringen können und hätte es genügt, die Zustimmung der bereits eingeantworteten Erstklägerin im Prozeß nachzubringen. Da den Klägern somit die Klagslegitimation nicht fehle, müsse geprüft werden, ob die geltend gemachten Kündigungsgrunde gegeben seien.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen der Beklagten und des Nebenintervenienten Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Aufkündigung eines Bestandvertrages, bei dem auf der einen oder anderen Seite mehrere Personen beteiligt sind, muß in der Regel von allen Rechtsgenossen ausgehen oder gegen alle gerichtet sein. Nur wenn die Bestandsache im Miteigentum mehrerer Personen steht und diese Bestandgeber sind, genügt es, wenn die Mehrheit der Miteigentümer, nach dem Verhältnis der Anteile der Teilnehmer gezählt, die Aufkündigung einbringt, weil es sich bei der Aufkündigung eines Bestandvertrages um eine Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung und Benützung des Hauptstammes handelt, in der die Mehrheit der Stimmen entscheidet (§ 833 ABGB). Aber selbst der Hälfteeigentümer kann für sich allein den Bestandvertrag aufkundigen, wenn er durch Richterspruch nach § 835 ABGB dazu ermächtigt wurde und er diese Ermächtigung im Prozeß urkundlich nachweist (Klang Komm[2] V 108). Nach Lehre und Rechtsprechung (Klang a a O, SZ 23/108) ist sogar der Minderheitseigentümer berechtigt, im eigenen Namen den Bestandvertrag aufzukundigen, wenn weitere Miteigentümer, denen zusammen mit ihm die Mehrheit der Anteile gehört, mit der Aufkündigung einverstanden sind. Den Nachweis dieses Einverständnisses kann der kundigende Minderheitseigentümer, dem der Mangel seiner Sachlegitimation eingewendet wurde, auch im Kündigungsprozeß nachbringen. Diese Rechtslage wurde von den Untergerichten übereinstimmend und zutreffend erkannt. Ebenso erkannten die Untergerichte ohne Rechtsirrtum, daß es für die Beurteilung der Aktivlegitimation im Kündigungsprozeß grundsätzlich darauf ankommt, ob der Kundigende im Zeitpunkt der Einbringung der Aufkündigung zu dieser Rechtshandlung berechtigt war (SZ 23/195). Ein Unterschied der Auffassungen der Untergerichte besteht nur in der Frage, ob ein im Zeitpunkt der Aufkündigung bestehender Mangel der Aktivlegitimation nachträglich saniert werden kann, bzw ob eine Aufkündigung auch dann für rechtswirksam erkannt werden kann, wenn sie von einer Person ausgesprochen wurde, die im Zeitpunkt der Einbringung der Aufkündigung dazu noch nicht berechtigt war, nachträglich aber diese Berechtigung erwarb.

Wie in der Entscheidung 6 Ob 212/69 (teilweise veröffentlicht in MietSlg 21.219) ausführlich begrundet wurde, ist der von der Rechtsprechung wiederholt vertretene Standpunkt, daß der Beklagte dem der Sachlegitimation entbehrenden Kläger diesen Umstand nicht entgegensetzen könne, wenn der materiell Berechtigte der Klageführung zustimmt, weil der Beklagte dem denselben Anspruch noch einmal erhebenden Berechtigten den Einwand der Arglist entgegensetzen könnte (so SZ 24/158, 3 Ob 547/56 = JBl 1957, 294 u

a) jedenfalls für Aufkündigungen nicht zu billigen, weil sich das über Einwendungen gegen eine Aufkündigung ergehende Urteil grundsätzlich darauf zu beschränken hat, ob die Kündigung zur Zeit ihrer Überreichung zulässig und wirksam war. Die Zulassung einer nachträglichen Sanierung des Mangels der Sachlegitimation des Kundigenden würde in die Rechte des Kündigungsgegners eingreifen. Von dieser Auffassung abzugehen, besteht kein Grund. Ihre Richtigkeit ergibt sich auch aus der Überlegung, daß anderenfalls der Erfolg der Einwendung des Mangels der Aktivlegitimation, die im Zeitpunkt ihrer Erhebung berechtigt war, dadurch vereitelt werden könnte, daß sich der Kundigende nachträglich die Sachlegitimation verschafft. Die Frage der Aktivlegitimation ist somit im Kündigungsprozeß, wenn der Mangel dieser Legitimation eingewendet wurde, grundsätzlich und ausnahmslos nach den Verhältnissen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der Einbringung der Aufkündigung vorlagen. Damit erweist sich aber der Standpunkt des Berufungsgerichtes als unhaltbar.

Dazu kommt noch, daß diesfalls die Aufkündigung auch im Namen der Eveline N ausgesprochen wurde, die im Zeitpunkt der Aufkündigung weder Miteigentümerin des Hauses Wien 1. H-Gasse 17 war, noch den Anspruch auf die Vertretung der damaligen Miteigentümerin, nämlich des Nachlasses nach Ernst B, gem § 145 AußStrG erhoben hatte. So lange dem Erben aber nicht die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses - über seinen Antrag - vom Verlassenschaftsgericht überlassen wurde, ist er zur Vertretung und Verwaltung des Nachlasses nicht berechtigt, er kann daher weder im eigenen Namen noch im Namen des Nachlasses eine Wohnung aufkundigen (GlU 15.682). Es kann daher keine Rede davon sein, daß diesfalls die Aufkündigung bloß eine unrichtige Parteienbezeichnung enthält und nach der eindeutigen Parteiabsicht die Aufkündigung statt namens der Eveline N von der Verlassenschaft nach Ernst B eingebracht worden wäre. Auf die materielle Berechtigung der Eveline N als derzeitige Hälfteeigentümerin des genannten Hauses, den Bestandvertrag neuerlich und zu einem anderen Termin aufzukundigen, kommt es mit Rücksicht, auf die vorstehenden Erwägungen nicht an.

Es erweist sich die Sache daher i S der Entscheidung der ersten Instanz als spruchreif, weshalb der Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und diesem die neuerliche Entscheidung aufzutragen war.

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