OGH 1Ob120/70

OGH1Ob120/702.7.1970

SZ 43/121

Normen

ABGB §371
KWG §22
ABGB §371
KWG §22

 

Spruch:

Zur Rechtsnatur eines nur auf eine Zahl lautenden Banksparbuches

OGH 2. Juli 1970, 1 Ob 120/70 (OLG Wien 1 R 270/69; HG Wien 20 Cg 409/69)

Text

Mit der seit 8. Mai 1969 anhängigen Klage macht die Klägerin gegenüber der Beklagten, einer Bank, einen Anspruch von 54.488 S geltend. Sie begrundet ihn damit, daß sie am 7. Juli 1964 bei der Beklagten aus eigenen Ersparnissen eine Spareinlage von 50.000 S geleistet und dafür das Banksparbuch Nr 1032, ein Überbringersparbuch ohne Klausel, erhalten habe. Zum 29. Juni 1968 habe das Buch zufolge Zinsenzubuchungen ein Guthaben von 54.488 S aufgewiesen. Als sie anfangs Februar 1969 Abhebungen vornehmen wollte, habe die Beklagte durch einen Schalterbeamten erklärt, das Sparbuch sei gesperrt. Ergänzend brachte die Klägerin vor, sie habe als frühere Sekretärin des damaligen Landeshauptmannstellvertreters und Generaldirektor Viktor M angenommen, daß dieser für sie eine bevorzugte Behandlung seitens der Bank hinsichtlich Verzinsung und Rückzahlung einer Spareinlage erwirken könne. Er habe ihr auf Befragen auch eine solche in Aussicht gestellt. Sie habe ihm deshalb 50.000 S, die ihr aus Ersparnissen gehört haben, zwecks Einlage auf ein Sparbuch übergeben und M habe ihr in der Folge das Sparbuch ausgefolgt. Sie habe fernerhin jeweils zu den halbjährigen Zinsenterminen das Sparbuch Viktor M wieder übergeben, der es gemeinsam mit seinen eigenen Sparbüchern der Beklagten zur Verbuchung der Zinsen vorgelegt und hierauf der Klägerin zurückgegeben habe. Tatsächlich habe sie höhere als die üblichen Zinsen gutgeschrieben erhalten. Die letzte Eintragung in das Sparbuch, mit der das Guthaben auf Null gestellt worden sei, sei von einem Beamten der Beklagten anläßlich der letzten Vorlage des Sparbuches durch die Klägerin erfolgt, bei welcher sie erfolglos die Auszahlung des Guthabens verlangt habe.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und führte aus, es sei zwar richtig, daß die Klägerin am 7. Juli 1964 ein Banksparbuch mit einem Einlagenstand von 50.000 S eröffnet habe und ihr dieses Sparbuch ausgefolgt worden sei. Es treffe ferner zu, daß es durch Zinsengutschriften per 28. Juni 1968 auf 54.488 S gelautet habe. Es werde jedoch bestritten, daß der Bank der Betrag von 50.000 S tatsächlich in bar zur Eröffnung des Sparbuches zur Verfügung gestellt worden sei, bzw falls dies der Fall gewesen sein sollte, daß das Geld aus dem Vermögen der Klägerin stammte. Im übrigen wurde vorgebracht, daß durch das BMF mit Bescheid vom 20. Dezember 1967 für die Geschäftsleitung der Beklagten in der Person des Dr Josef V ein Regierungskommissär unter gleichzeitiger Enthebung des einzigen Vorstandsdirektors der Beklagten, Otto W, bestellt worden sei, der alle Funktionen des Vorstandes der Beklagten ausgeübt habe und zwar bis 30. Juni 1968. Das gegenständliche Sparbuchkonto habe zu einem Komplex von vierzehn Sparbüchern mit einem Gesamteinlagestand per 28. Juni 1968 von 18.947.663 S gehört. Bezüglich dieses gesamten Sparkassenbuchkomplexes habe Viktor M gegenüber dem Regierungskommissär erklärt, daß er - M - über alle diese Sparbücher verfügungsberechtigt sei. Gleichzeitig wurde erklärt, daß diese Sparbuchguthaben dazu dienen würden, jenen Verlust der Beklagten abzudecken, den sie aus zwei bestimmten Kreditfällen ("P" und "F") erleiden sollte. Auf Grund dieser Erklärung habe der Regierungskommissär am 28. Juni 1968 verfügt, daß der Guthabensaldo aus allen diesen vierzehn Sparbüchern auf die Kreditkonten im Zuge der Liquidierung dieser Kreditfälle übertragen werden. Gleichzeitig seien auf allen diesen Sparkonten, sohin auch auf dem der Klägerin, die jeweiligen Guthabensalden ausgetragen worden, so daß auch auf dem gegenständlichen Sparbuch kein Guthaben mehr bestehe. Auf Grund der Anordnung des Regierungskommissärs seien die beiden Kreditfälle liquidiert worden, wobei sich für die Beklagte noch ein Ausfall von 6.343.876.31 S ergeben habe. Dieser Ausfallsbetrag sei gegenüber der "NG" auf Grund einer von dieser übernommenen Ausfallsbürgschaft im Klagewege geltend gemacht worden. Im übrigen habe der Regierungskommissär auf Grund eines obrigkeitlichen Auftrages in Vollziehung der Gesetze gehandelt und zwar als Organ der Hoheitsverwaltung i S der Bestimmungen des KWG. Sollte der Klägerin durch die Verfügung des Regierungskommissärs ein Schaden entstanden sein, sei die Beklagte nicht passiv legitimiert, sondern die Republik Österreich gemäß den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes. Es werde daher auch Unzulässigkeit des Rechtsweges eingewendet.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Er stellte fest, das von der Klägerin vorgelegte Banksparbuch Nr 1032 lautend auf "6702" wurde von der Beklagten am 7. Juli 1964 ausgestellt und unter diesem Datum eine Einlage von 50.000 S eingetragen. Es handelt sich um ein Sparbuch ohne Klausel. Das Guthaben hat zum 29. Juni 1968 54.448 S betragen. Unter demselben Datum findet sich unter der Bezeichnung "R" eine "Abhebung" in Höhe von 54.488 S; dadurch ist das Guthaben mit 0 ausgetragen. Auf den letzten zwei Seiten des Sparbuches sind "Allgemeine Bestimmungen" für die Anlage von Sparbüchern enthalten. Darin heißt es unter der Überschrift "Sparbücher" u a: "1. Der Einleger erhält bei der ersten Einzahlung ein auf eine von ihm anzugebende Bezeichnung lautendes Sparbuch .. 4. Für das Guthaben des Sparbuchbesitzers ist der Kontostand in den Geschäftsbüchern der Bank auch dann maßgebend, wenn er von den Eintragungen im Sparbuch abweicht. Unter der Überschrift "Rückzahlung" heißt es u a:

"Unbeschadet des Rechtes der Bank auf Prüfung der Legitimation kann sie ohne Rücksicht auf die Bezeichnung, auf die das Buch lautet, Zahlungen an den Überbringer des Sparbuches leisten."

Das von der Beklagten vorgelegte Kontoblatt unter der Bezeichnung "6702" weist zum 29. Juni 1968 einen Saldo von 54.488 S auf. Unter dem gleichen Datum findet sich aber auch die Eintragung "Übertrag a/F (Kreditfall) = gem AV", worunter der neue Saldo mit 0 eingesetzt ist. Oben auf dem Konto befindet sich der Vermerk "gerichtlich gesperrt". Zu diesem letzteren Vermerk führte der Erstrichter aus, daß die Beklagte im Prozeß niemals eine Behauptung über eine von irgendeinem Gerichte getroffene Verfügung bezüglich des gegenständlichen Sparbuches aufgestellt hat.

Der Erstrichter stellte ferner fest, daß mit Bescheid des BMF gem § 32 lit e KWG in der Person Dr Josef V für die Beklagte ein Regierungskommissär für die Zeit bis 30. Juni 1968 bestellt wurde.

Diesen Sachverhalt beurteilte der Erstrichter dahin, daß das vorliegende, von der Beklagten ausgestellte Banksparbuch als Inhaberpapier zu behandeln sei. Es handle sich um ein nicht auf einen Namen, sondern auf eine Nummer ausgestelltes Sparbuch ohne Klausel. Die Beklagte habe nicht behauptet, daß bei Ausstellung des Sparbuches die Erlegerin in irgendeiner Weise ihre Identität nachgewiesen habe. Im Kontoblatt sei hinsichtlich ihrer Identität ebenfalls nichts festgehalten. Die in den allgemeinen Bestimmungen unter "Rückzahlung" enthaltenen Bestimmungen, daß die Bank das Recht auf Prüfung der Legitimation habe, sei dann unanwendbar, wenn die Bank Sparbücher ausstellt, bei welchen eine Prüfung der Legitimation praktisch nicht möglich sei. Die Ausstellung eines derartigen Sparbuches lasse klar erkennen, daß es sich nach Absicht der Parteien um ein Inhaberpapier handeln und somit der Inhaber ohne jede weitere Legitimation aus dem Buch berechtigt sein sollte. Der Einwand, daß die Einlage von 50.000 S der Beklagten in bar nicht zur Verfügung gestellt worden sei, werde durch die übereinstimmenden Eintragungen im Sparbuch und im Kontoblatt widerlegt. Sie stehe auch im Widerspruch zu dem weiteren Vorbringen der Beklagten, wonach das Buch das in der Klage behauptete Guthaben aufgewiesen habe. Es sei auch eine Übertragung des als existent betrachteten Guthabensaldos auf ein anderes Konto zu Gunsten der Beklagten erfolgt. Ob die Einlage aus dem Vermögen der Klägerin gestammt habe, sei unerheblich. Es handle sich um ein nicht auf Namen lautendes Sparbuch. Verfügungsberechtigt über das Sparkonto sei also der Überbringer des Buches. Aus wessen Vermögen die geleistete Einlage stammte, sei rechtlich ohne Bedeutung. Auch wenn auf Grund einer vom Regierungskommissär veranlaßten Verfügung die Umbuchung erfolgt sein sollte, sei dies nicht geeignet, den Klagsanspruch zu entkräften, denn dieses Vorgehen sei gesetzwidrig gewesen. Nach § 22 Abs 2 KWG dürften Auszahlungen von Spareinlagen nur gegen Vorlage des Sparbuches bewilligt werden. Eine ähnliche Bestimmung finde sich in den im gegenständlichen Sparbuch abgedruckten allgemeinen Bestimmungen für die Anlage von Sparbüchern. Die Erklärung Viktor M's, er sei über das Sparbuch verfügungsberechtigt, hätte für die Beklagte unbeachtlich sein müssen, solange M das Sparbuch nicht vorlegte. Solange hätten auch Verfügungen M's über das Guthaben, wie er eine solche zugunsten der Beklagten getroffen hat, nicht beachtet werden dürfen. Die gegenständlichen Anordnungen seien nach dem Vorbringen der Beklagten durch den Regierungskommissär getroffen worden. Dieser habe auf Grund des Bestellungsdekretes keine bloße Aufsichtsfunktion, sondern die Funktion des Vorstandes der Beklagten ausgeübt. Er sei bei seiner Ausübung als Organ der Beklagten tätig geworden und habe keinesfalls in Vollziehung der Gesetze i S des § 1 AHG gehandelt. Es kämen daher die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht zur Anwendung. Es hafte also die Beklagte für die Anordnungen des Dr V. Es komme auch die Bestimmung des § 42 KWG nicht zur Anwendung, denn diese Norm beziehe sich ihrem Sinne nach nur auf Schäden, die unmittelbar durch eine Maßnahme des BMF entstehen, keinesfalls auf solche, die durch Handlungen des mit der Geschäftsführung betrauten Regierungskommissärs im Rahmen dieser Geschäftsführung verursacht werden.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der Beklagten das Urteil des Erstrichters unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Prozeßgericht zurück. Es vertrat im Gegensatz zur Ansicht des Erstrichters den Standpunkt, daß es sich bei dem gegenständlichen Sparbuch um ein "unvollkommenes Inhaberpapier" handle, d h um ein Wertpapier, auf Grund dessen der Inhaber des Sparbuches gegenüber dem Schuldner (Bank, Sparkasse) zur Geltendmachung der Forderung befugt sei, hinsichtlich dessen aber nicht auch der Grundsatz gelte, daß jeder redliche Erwerber des Papieres Eigentümer und Gläubiger werde. Die Sparkasse sei in einem solchen Falle zur Zahlung an den Inhaber nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, wobei es nicht entscheidend sei, ob es sich um ein Sparkassen- oder ein Banksparbuch handelt. Die Bank müßte an den Überbringer leisten, wenn sie nicht beweise, daß er nicht der Eigentümer des Kontos sei. Dieser Auffassung stehe auch nicht P 4 des mit "Rückzahlung" überschriebenen Abschnittes der "Allgemeinen Geschäftsbestimmungen" für die Anlage von Sparbüchern entgegen, wonach die Bank, unbeschadet des Rechtes auf Prüfung der Legitimation, ohne Rücksicht auf die Bezeichnung, auf die das Buch lautet, Zahlungen an den Überbringer des Sparbuches leisten kann. Das bedeute nichts anderes, als daß sich der Überbringer auf Verlangen der Bank zu legitimieren habe, nicht aber, daß er seine Identität mit dem Kontoinhaber zu beweisen habe. Nur darin zeige sich, daß es sich bei dem gegenständlichen Sparbuch um ein "unvollkommenes Inhaberpapier" handelt. Fasse man das streitgegenständliche Sparbuch als "unvollkommenes Inhaberpapier" auf, so müsse der Beklagten das Recht eingeräumt werden, den Nachweis dafür zu führen, daß die Klägerin nicht Eigentümerin und Verfügungsberechtigte über das Konto "6702" sei. Sie habe ausdrücklich bestritten, daß der Betrag von 50.000 S in barem der Beklagten zur Eröffnung dieses Bankguthabens zur Verfügung gestellt worden sei, und eventualiter behauptet, daß es sich nicht um Geld gehandelt habe, welches aus dem Vermögen der Klägerin stammte. Damit habe sie aber implicite die Eigentümerqualität der Klägerin (den rechtmäßigen Erwerb des Sparbuches) bestritten und zu diesem Vorbringen auch Beweise angeboten. In der Unterlassung der Aufnahme dieser Beweise sei eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu erblicken.

Das Berufungsgericht negierte im übrigen - wie der Erstrichter - die Auffassung der Beklagten, daß die Verfügung des Regierungskommissärs über das gegenständliche Konto einen Verwaltungsakt darstelle, weshalb der daraus resultierende Anspruch nicht im ordentlichen Verfahren gegen die Beklagte, sondern im Amtshaftungsverfahren angestrengt werden müßte. Es vertrat vielmehr den Standpunkt, daß die Stellung des Regierungskommissärs der eines öffentlichen Verwalters i S des VwG vergleichbar sei. Der Rechtsträger könnte nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Regierungskommissär jemandem auf Grund einer Weisung der Aufsichtsbehörde einen Schaden zugefügt hätte, dies unter der Voraussetzung, daß die Weisung selbst rechtswidrig und schuldhaft war. Daß aber die Verfügung des Regierungskommissärs auf eine Weisung zurückgegangen wäre, sei weder behauptet worden noch sei dies den Feststellungen des Erstrichters zu entnehmen. Aber selbst wenn das Handeln Dris V als Organhandlung angesehen werden müßte, könnte die Klägerin keinen Amtshaftungsprozeß führen. Ihr Vertragspartner sei ihren Klagsbehauptungen zufolge, die Beklagte gewesen. Nur an sie könne sie sich wenden, um die Auszahlung des ihr auf Grund ihrer Einlage zustehenden Betrages zu verlangen. Sollte die Beklagte durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Vorgehen des Regierungskommissärs im Rahmen einer Organhandlung desselben dadurch geschädigt worden sein, daß sie nunmehr trotz anderweitiger Verfügung über das Konto den geltend gemachten Betrag an die Klägerin auszahlen müßte, könnte nur sie sich an den durch seine Organe schuldig gewordenen Rechtsträger wenden.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Streitteile nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

I. Zum Rekurs der Klägerin:

Die Klägerin wendet sich gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, daß es sich bei dem gegenständlichen Banksparbuch, das auf den Inhaber lautet, keine Klausel (Losungswort) enthält und das lediglich auf eine Nummer ausgestellt wurde, um ein "unvollkommenes Inhaberpapier" handle. Sie vertritt vielmehr die Auffassung, es sei dem Erstrichter beizupflichten, daß ein "vollkommenes Inhaberpapier" vorliege und die Bank bei Präsentation des Buches ohne jedes Prüfungsrecht auszuzahlen habe.

Zur Entscheidung des gegenständlichen Falles kann es dahingestellt bleiben, wie man das vorliegende Sparbuch bezeichnen will, eine Frage, über die sich die Lehre nicht einig ist. Für ein "unvollkommenes Inhaberpapier" sprechen Stanzl, Wechsel- Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, 152, Ehrenzweig II/1, 248, ähnlich Klang und Wolff in Klang[2] II 231 und VI 308). Während Bubak, "Das österreichische Sparbuch" NZ 1965, 99 differenziert und Schinnerer, "Bankverträge" II 141 Anm 104, die Frage offen läßt, will Kastner, JBl 1966, 57 ff ein solches Sparbuch als "qualifiziertes Legitimationspapier" bezeichnet wissen. Es kommt aber nicht auf die Bezeichnung dieser Art von Papieren an, sondern auf die Rechtsnatur des Vertrages, der mit der Eröffnung einer Bankeinlage entsteht. Maßgebend hiefür sind die Bestimmungen des KWG und die im gegenständlichen Sparbuch wiedergegebenen "Allgemeinen Bestimmungen für die Einlagen auf Sparbücher". Der Bankspareinlagevertrag ist ein Vertrag sui generis, der gewisse Elemente eines Darlehens oder eines Depositums irregulare enthält (siehe hiezu schon Dürigs Kritik zu der E SZ 10/356 = ZBl 1929/100 in ZBl 1929, 287 f, nun auch Bubak, Sparbuch, NZ 1965, 102). Wesentlich ist jedenfalls, daß der Erleger auf Grund dieses Vertrages ein Forderungsrecht gegen die Bank hat, das er auch abtreten kann, was gemeiniglich durch Vorlage des Sparbuches der Bank gegenüber dargetan wird. Wenn diese nun das Recht hat (siehe hiezu P 4 unter "Rückzahlung" in den "Allgemeinen Bestimmungen ..."), die "Legitimation" des Präsentanten zu prüfen, bedeutet dies, daß sie prüfen kann, ob der Präsentant der Erleger oder eine Person ist, die das Forderungsrecht zu Recht erworben hat.

Es ist der Klägerin zuzugeben, daß die Frage, ob der Erlag aus dem Vermögen des Erlegers gestammt hat, in der Regel nicht aufgeworfen werden kann, es sei denn, die Geltendmachung der Forderung verstieße gegen die guten Sitten, was z B der Fall wäre, wenn es sich um Diebsgut handelte oder der Überbringer des Buches als Hehler anzusehen wäre, denn die Möglichkeit der Anlage von Fremdgeld darf ebensowenig in Frage gestellt werden, wie die Möglichkeit, Fremdgeld zur Gewährung eines Darlehens zu verwenden, oder wie die Möglichkeit, Fremdgeld ins Depot zu geben.

Da die Beklagte wenigstens bisher ein sittenwidriges Vorgehen der Klägerin nicht behauptet hat, kann sie - im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichtes - mit dem Einwand, die Einlage habe nicht aus dem Vermögen der Klägerin gestammt, an und für sich nicht gehört werden.

Die Bestimmung im P 4 unter der Überschrift "Sparbücher" in den "Allgemeinen Bestimmungen über die Einlagen auf Sparbücher", wonach für das Guthaben des Sparbuchbesitzers der Kontostand in den Geschäftsbüchern der Bank auch dann maßgebend ist, wenn er von den Eintragungen im Sparbuch abweicht, kann nur dahin verstanden werden, daß der Kontostand in den Geschäftsbüchern der Bank dann maßgebend ist, wenn die Abweichung im Sparbuch auf einen Irrtum der Bank bei der Eintragung im Sparbuch, z B einen Rechenfehler, ein Verschreiben, eine Fehlbuchung usw, oder auf eine unzulässige Manipulation des Sparbuchinhabers beruht, nicht aber, wenn diese Abweichung auf eine willkürliche oder sonst unzulässige bzw ungerechtfertigte oder irrtümliche Maßnahme der Bank zurückgeht.

Es kommt jedoch dem Einwand der Beklagten Berechtigung zu, sie haben den Einlageeröffnungsbetrag gar nicht in "bar" erhalten, obgleich nicht jeder Verstoß gegen § 22 Abs 4 KWG schon bedeutet, daß die Bank das Sparbuch nicht honorieren muß. Der Zweck etwa des Verbotes, kreditierte Beträge dem Kreditnehmer auf einem Sparbuch gutzubringen, kann nicht so weit reichen, bei einem Verstoß gegen dieses Verbot geradezu Nichtigkeit anzunehmen. Wenn der Eröffnung des Sparbuches eine wirtschaftliche Gegenleistung des "Erlegers" gegenüberstand, die dem Wert der im Buch ausgewiesenen Einlage voll entsprach, entsteht das Forderungsrecht laut Spareinlagenvertrag und kann natürlich auch übertragen werden. Wenn aber ein solcher Gegenwert fehlte (und auch nicht eine Schenkung seitens der Bank vorlag), fehlt es allerdings an einer Einlage und daher auch an einem Forderungsrecht gegen die Bank.

Wenn auch das Vorgehen der Beklagten, nämlich Umbuchung des Guthabenstandes auf die Kreditkonten "P" und "F" - wobei allerdings die Beklagte die Äußerungen Viktor M's, er sei über das zu einem Komplex von 14 Sparbüchern gehörigen Buch der Klägerin allein verfügungsberechtigt, nicht hätte beachten dürfen, da M das Sparbuch nach der bisherigen Aktenlage nicht präsentiert hat (siehe hiezu die "Allgemeinen Bestimmungen ..." und § 22 Abs 2 KWG) - gegen eine solche Möglichkeit zu sprechen scheint, wäre es aber denkbar, daß das Umbuchungsmanöver ins Leere gegangen ist, weil das Guthaben nur fiktiv war.

Zur Klärung dieser und aller damit im Zusammenhang stehender sich etwa noch ergebender Fragen muß jedoch das gesamte Vorbringen beider Streitteile berücksichtigt werden. Das Berufungsgericht hat daher die Sache mit Recht zur Klärung an die erste Instanz zurückverwiesen, wo insbesondere auch erörtert werden muß, in welchem Verhältnis M zur Beklagten, allenfalls zu deren Funktionären stand.

II. Zum Rekurs der Beklagten:

Hinsichtlich des Rekursvorbringens über die rechtliche Natur der Banksparbücher und der daraus abgeleiteten Folgen ist die Beklagte auf die diesbezüglichen Ausführungen zum Rekurs der Klägerin zu verweisen.

Soweit aber die Beklagte neuerlich ins Treffen führt, es sei der Rechtsweg zur Geltendmachung des gegenständlichen Anspruches unzulässig und es wäre daher die Klage zurückzuweisen, ist ihr zu erwidern, daß beide Unterinstanzen - zwar nicht in Beschlußform - aber ausdrücklich in den Gründen den Einwand der Unzulässigkeit des Rechtsweges verneint haben. Es liegt daher diesbezüglich eine nicht mehr anfechtbare und den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung vor (siehe hiezu SZ 31/74, 6 Ob 60/63, 5 Ob 323/63, 7 Ob 287/65, 5 Ob 233/66 zuletzt 1 Ob 286/68).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte