OGH 8Ob140/70

OGH8Ob140/7016.6.1970

SZ 43/101

Normen

ABGB §918
Ratengesetz §5
ABGB §918
Ratengesetz §5

 

Spruch:

Entzieht der Verkäufer durch Rücknahme des Kaufgegenstandes dem Käufer die Erwerbsquelle, aus welcher dieser die Ratenzahlung bestreiten soll, kann er Ratenzahlung oder gar Zahlung des ganzen Kaufpreises infolge Terminverlustes nicht verlangen

OGH 16. Juni 1970, 8 Ob 140/70 (OLG Wien 1 R 11/70; HG Wien 2 Cg 891/68)

Text

Die Klägerin begehrte Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von 79.380 S samt stufenweisen Zinsen für die Eiscrememaschine.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und ging hiebei von folgenden Feststellungen aus: Der Beklagte habe vom 24. September 1065 bei der Firma T, Vertriebsbüro F in Wien, eine Eiscrememaschine vom 105.850 S gekauft. Der Kaufpreis sollte durch den Bezug von je 378 Pakten Eismixpulver zum Preis von je 99 S bis 25. Oktober der Jahre 1966 bis 1969 bezahlt werden; bei Nichtbezug dieser Menge sollte der Beklagte für jedes nicht bezogene Paket 70 S bezahlen. Für den Fall des Verzuges seien Terminverlust und Verzugszinsen von 1% monatlich vereinbart worden. Die Eiscrememaschine sei vom Beklagten am 19. April 1966 ordnungsgemäß übernommen worden. Mit Schreiben vom 25. April 1966 habe die Verkäuferin alle ihre Rechte aus dem Kaufvertrag, insbesondere die Kaufpreisrestforderung und den Eigentumsvorbehalt, an die Klägerin vom 28. April 1966 verständigt worden. Hinsichtlich des Eigentumsvorbehaltes sei in der schriftlichen Bestellung folgendes vereinbart worden: "Bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises, der somit 105.840 S beträgt, bzw bis zur vollständigen Erfüllung dieser Vereinbarung bleibt das Gerät Ihr Eigentum (Eigentumsvorbehalt). Im Falle des Verzuges und in der Bezahlung des Mixpulvers oder in der Zahlung der Kaufpreisraten sind Sie berechtigt, mir/uns die Benützung des Gerätes zu entziehen und das Gerät zurückzunehmen". Mit Beschluß vom 3. Jänner 1966 sei das der Mutter des Beklagten Anna R auf den dem Beklagten und dessen Bruder gehörenden Liegenschaften eingeräumte Fruchtgenus gepfändet und dessen Zwangsverwaltung bewilligt worden. Dem Zwangsverwalter Gottfried St seien am 16. Juni 1966 die Liegenschaften und das auf einer von ihnen betriebene Gast-, Schank- , und Beherbergungsgewerbe übergeben worden. Nach Übernahme der Zwangsverwaltung habe Gottfried St festgestellt, daß kurz vorher eine Eiscrememaschine gekauft und geliefert worden sei. Ohne mit dem Beklagten darüber zu sprechen, habe St dem F mitgeteilt, daß er den Zwangsverwalter für die Kosten der Maschine nicht aufkommen könne, er wisse nicht, ob er den Betrieb durchbringen werde oder nicht, ansonsten der Konkurs eröffnet werden würde. Er habe ersucht, die Maschine zurückzunehmen. F habe ihm zur Antwort gegeben: "Dann nehmen wir die Maschine zurück", und beigefügt, die Maschine werde in den nächsten Tagen abgeholt werden. Den Inhalt des Ferngespräches habe St der Mutter des Beklagten mitgeteilt. Im Auftrag des F habe dann am 26. Juni 1966 ein gewisser Franz B die Eismaschine im Gasthof R abgeholt und einen von ihm unterzeichneten Schein hinterlassen, in dem er die Übernahme der Eiscrememaschine und von 30 Paktenten Eismixpulver "zur Aufbewahrung" bestätigte. Dieser Schein habe sich in der Folge im Besitz der Anna R befunden, der Beklagte habe ihn nie gesehen. B habe den bei der Abholung anwesenden Personen - der Beklagte sei nicht dabei gewesen - nicht gesagt, zu welchem Zweck er in die Maschine abhole. Seither befinde sich die Maschine im Lager des F. Das Einverständnis der Klägerin zur Abholung und Aufbewahrung der Eismaschine durch F sei nachträglich erteilt worden. Der Beklagte habe auch erst nachträglich von der Abholung erfahren. St habe ihm nicht mit den Worten "Die Maschine geben wir zurück und stehen vom Kaufvertrag zurück", mitgeteilt, er habe alles geregelt, es sei alles in Ordnung. Der Beklagte sei damit einverstanden gewesen. Mit Schreiben vom 5. Februar habe St dem Klagevertreter, der zuvor den Beklagten wegen eines Betrages von 21.710 S gemahnt hatte, ersucht, diesen Betrag zu stornieren, der Vertrag sei durch die Abholung der Maschine gegenstandlos geworden. Dieser Ansicht habe der Klagevertreter nicht widersprochen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: St habe zwar mit F den Rücktritt vom Vertrag nicht gültig vereinbaren können, weil im Zeitpunkt des Ferngespräches zwischen den beiden die Rechte aus dem Kaufvertrag bereits auf die Klägerin übergegangen gewesen seien und diese nur nachträglich der Abholung zur Aufbewahrung zugestimmt habe. Dem Verkäufer, der sich das Eigentumsrecht an dem Kaufgegenstand vorbehalten habe, stehe aber das Recht, den Kaufgegenstand auch bei Aufrechterhaltung des Kaufvertrages zurückzunehmen, nur dann zu, wenn dies besonders vereinbart worden sei. Die oben erwähnte Klausel des Kaufvertrages könne nicht dahin ausgelegt werden, daß damit die Berechtigung des Verkäufers, das Gerät ohne Rücktritt vom Vertrag zurückzunehmen, vereinbart worden wäre. Liege aber eine solche gültige Vereinbarung nicht vor, bedeute die Abholung des Gerätes dem Rücktritt vom Kaufvertrag.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin meint zunächst, nach dem Vertrag sei ihr ein Wahlrecht zugestanden, entweder unter Aufrechterhaltung des Kaufvertrages die Benützung des Gerätes zu entziehen oder aber unter Auflösung des Kaufvertrages das Gerät zurückzunehmen. Damit gibt die Klägerin zu, daß unter den Worten: "Das Gerät zurückzunehmen" der Rücktritt vom Kaufvertrag zu verstehen gewesen sei. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann aber ein Wahlrecht der Klägerin zwischen den beiden angeführten Möglichkeiten schon deshalb nicht angenommen werden, weil die beiden Teilsätze in der Vertragsklausel nicht durch das Wörtchen "oder", sondern durch "und" miteinander verbunden sind. Es kann der Revision auch nicht gefolgt werden, aus dem Zusammenhang beider Teilsätze könne die Vereinbarung nur dahin verstanden werden, daß dadurch die Entziehung der Benützung nur näher erläutert worden sei, nämlich dadurch, daß die Entziehung durch die Übernahme des Gerätes in Verwaltung erfolgten solle. Das Wort "Verwahrung" kommt in der Vereinbarung gar nicht vor, es ist vielmehr nur von der "Zurücknahme" des Gerätes die Rede. Unter "Zurücknahme" wird nach der Übung des redlichen Verkehres der Rücktritt vom Vertrag verstanden. Die Grundsätze des redlichen Verkehres lehnen es auch, wie das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend hervorgehoben hat, ab, vom Käufer die Ratenzahlung zu verlangen, wenn diese dem Käufer dadurch unmöglich gemacht wird, daß ihm der Verkäufer die Erwerbsquelle für die Berechtigung der Raten wegnimmt (Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse[2], II/1, 412, vor Anm 22, Klang in RZ 1934, 83 f, Rspr 1933/297). Dasselbe muß umsomehr für das Verlangen nach Zahlung des gesamten Kaufpreises infolge Geltendmachung des Terminverlustes gelten. Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Bestimmungen des Ratengesetzes verwiesen hat - dem das vorliegende Geschäft unbestritten nicht unterliegt - dann wollte es damit nur zum Ausdruck bringen, daß der oben ausgesprochene allgemeine Gedanke dort gesetzlich verankert ist.

Es ist dem Berufungsgericht aber auch zuzustimmen, daß selbst bei Ablehnung dieser Rechtsansicht die undeutliche Vertragsbestimmung zum Nachteil der Klägerin ausgelegt werden müßte, da die Formulierung vom Verkäufer stammte, auch wenn der Beklagte das vom Verkäufer verfaßte und ihm vorgelegte Formular unterschrieben hat, das Anbot das diese Klausel enthält, daher formell vom Beklagten gestellt wurde.

Da nach den untergerichtlichen Feststellungen die Klägerin die Rücknahme der Eiscrememaschine durch F nachträglich genehmigt hat, muß sie als Zessionarin die Auslegung des Kaufvertrages gegen sich gelten lassen (§ 1394 ABGB). Es ist daher bedeutungslos, daß sie entgegen dem, wie oben ausgeführt, auszulegenden Vertrag diese Rücknahme nur als zur Verwahrung erfolgt ansehen will. Aus diesem Gründe erübrigte es sich, auf die Frage, ob der Beklagte den Schutz des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand für sich in Anspruch nehmen kann, näher einzugehen.

Der Revision war somit keine Folge zu geben.

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