Spruch:
Erfüllt der eheliche Vater freiwillig seine Unterhaltspflicht, so ist ihm kein Auftrag zur Zahlung des Unterhaltes zu erteilen
OGH 22. April 1970, 6 Ob 103/70 (LGZ Wien 44 R 25/70; BG Innere Stadt Wien 5 P 192/68)
Text
Aus der Ehe des Erich K und der Friederike K sind die Kinder Georg (24. Mai 1955), Helene (8. Dezember 1957) und Alexander (12. Dezember 1962) hervorgegangen. Mit der Begründung, die Ehe sei tiefgreifend zerrüttet, stellte der Vater beim Erstgericht den Antrag, hinsichtlich der genannten Kinder das Pflegschaftsverfahren einzuleiten, die Mutter zur besonderen Sachwalterin zu bestellen und die von seiner Seite für die Kinder zu leistenden Unterhaltsbeträge gerichtlich festzusetzen. Der letztere Antrag wurde in der Folge zurückgezogen. Dies geschah mit der Begründung, der gemeinsame Haushalt der Ehegatten und Kinder sei wieder aufgenommen worden.
Die Mutter stellte ihrerseits den Antrag, sie zum besonderen Sachwalter der Kinder zu bestellen und den Vater zu verhalten, ab 1. Oktober 1968 für jedes der drei Kinder je 12% seines jeweiligen Nettoeinkommens zuzüglich der Kinderbeihilfe und Familienbeihilfe zu ihren Handen zu bezahlen. In der Folge stellte die Mutter den Antrag, das Bezirksjugendamt für den 17. und 18. Bezirk gemäß § 22 JWG zum besonderen Kurator zwecks Durchsetzung der Unterhaltsansprüche der Kinder gegen den Vater zu bestellen. Das genannte Jugendamt erklärte sich bereit, die Kuratel gem § 22 JWG zu übernehmen und stellte unter einem den Antrag, den Vater zur Zahlung eines Unterhaltsbetrages von 4290 S monatlich für jedes der drei Kinder, zusammen also 12.870 S monatlich zu verhalten. Durch diesen Antrag wurde infolge Bestellung des Bezirksjugendamtes der zuvor gestellte Antrag der Mutter gegenständlich überholt.
Das Erstgericht verhielt den Vater zu folgenden Unterhaltsleistungen an die Kinder: a) für den mj Georg K ab 1. Oktober 1968 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit monatlich 4043 S. b) Für die mj Helene K und den mj Alexander K ab 1. Oktober 1968 bis 13. Jänner 1969 monatlich 4235 S je Kind. c) Ab 14. Jänner 1969 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der beiden Kinder Helene und Alexander monatlich 4290 S je Kind.
Das Mehrbegehren wird das Erstgericht ab.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß änderte das Rekursgericht die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es den Antrag, den Vater zu einer Unterhaltsleistung von je 4290 S monatlich zu verhalten, zur Gänze abwies. Unbestrittenermaßen habe der Vater im Jahre 1968 ein Nettoeinkommen von 404.306 S gehabt und der Mutter der Kinder im November und Dezember 1968 je 8000 S, zu Weihnachten überdies 6000 S bis 7000 S für Weihnachtsgeschenke übergeben und überdies zusätzlich im Dezember 1968 der Haushälterin Maria P weitere 5000 S für einen 8 tägigen Skiurlaub für die Kinder und sie selbst als Aufsichtsperson. Darüber hinaus bezahlte der Vater Zusatzkrankenkassenversicherungsprämien, sowie die Kosten für Beheizung, Strom, Gas und Telefon, sowie die weiteren Betriebs- und Erhaltungskosten für das Haus Wien 17, P-Gasse 62, in dem die Kinder und ihre Mutter wohnten. Außerdem habe der Vater im Jahre 1968 noch weitere 12.000 S für die Kinder in Form von Geschenken ausgegeben. Nach seiner Rückkehr in den ehelichen Haushalt sei er für die Bedürfnisse der Kinder mindestens im gleichen Ausmaß aufgekommen. Es sei nicht einmal konkret behauptet worden, daß der Vater für irgend ein Bedürfnis der Kinder, das zu deren anständigem Unterhalt gehöre, nicht aufgekommen sei. Nach der Aktenlage ging das Rekursgericht davon aus, daß der Vater tatsachlich für den anständigen Unterhalt seiner Kinder aufgekommen sei. Auf seiner Seite lägen keinesfalls durchschnittliche Verhältnisse vor, bei denen der Hauptteil der Einkünfte für die bloße, sicher auch standesgemäße Deckung der Lebensbedürfnisse verwendet werden müsse. Vielmehr erziele der Vater Einkünfte, die auch zu einer Vermögensbildung führen müssen. Da der Vater objektiv ausreichend für den anständigen Unterhalt der Kinder aufgekommen sei, bestehe kein Grund, ihn durch Gerichtsbeschluß zur Bezahlung eines Unterhaltes zu verhalten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der mj Kinder nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Rekursgericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß die Kinder sehr wohl einen Anspruch auf anständigen Unterhalt haben, daß aber der Vater als Unterhaltspflichtiger diese Unterhaltspflicht voll erfüllt habe, weshalb kein Anlaß bestehe, ihn durch Gerichtsbeschluß zur Unterhaltsleistung zu verhalten. Die Rechtsmittelwerber mißverstehen den angefochtenen Beschluß, wenn sie meinen, daß die gerichtliche Festsetzung des Unterhaltes auch dann zulässig sein müsse, wenn der Vater die an ihn gestellte Unterhaltsforderung anerkenne. Hier ist von einem anderen als dem vorliegenden Fall die Rede. Der Vater hat seine Unterhaltspflicht nicht bloß anerkannt, in welchem Falle ein Bedürfnis nach einem Exekutionstitel allerdings bestehen könnte, sondern er hat sie tatsächlich erfüllt. Ob die Leistungen, die der Vater erbracht hat, den Anspruch auf anständigen Unterhalt voll decken, ist eine Bemessungsfrage, deren Beurteilung dem Rekursgericht als letzter Instanz überlassen blieb. Gemäß § 14 Abs 2 AußStrG kann diese Frage nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (Judikat Nr 60 neu).
Ist also die Frage in einer den Obersten Gerichtshof bindenden Weise entschieden, daß die tatsächlich erbrachten Leistungen des Vaters den anständigen Unterhalt der Kinder voll decken, dann handelt es sich weiterhin allein um die Prüfung der rechtlichen Folgerungen, die sich daraus ergeben. Gem § 178 ABGB kann die Hilfe des Gerichtes in Anspruch genommen werden, wenn die Eltern ihre Pflichten gegenüber den Kindern verletzen. Unter die Pflichtverletzungen des Vaters zählt auch die Vernachlässigung der Unterhaltspflicht (Wentzel - Plessl in Klang[2] I/2 243, JB Nr 237 = GlUNF 7608). Hier liegt der Fall so, daß dem Vater eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht nicht zur Last fällt, weshalb die Voraussetzungen einer Anrufung des Gerichts gem § 178 ABGB nicht vorliegen. Dies ergibt auch eine sinngemäße Anwendung des letzten Satzes des § 16 Abs 1 der 1. TN z ABGB. Da von einer Festsetzung des Ausmaßes des dem unehelichen Vater obliegenden Unterhalts abzusehen ist, wenn er seine Verpflichtungen freiwillig voll erfüllt, kann für den ehelichen Vater nichts anderes gelten. Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die Abweisung des Antrages des Einziehungskurators als rechtlich einwandfrei.
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