Normen
Ratengesetz §12
Ratengesetz §12
Spruch:
Ein vom Ratenkäufer noch während des Rechtsmittelverfahrens gestellter Antrag nach § 12 Abs 3 RatG ist verfrüht und daher als unzulässig zurückzuweisen
OGH 15. April 1970, 5 Ob 90/70 (OLG Linz 4 R 7/70; LG Linz 5 Cg 276/69)
Text
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, die Beklagten Oskar und Maria S zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihr den Betrag von 21.290 S samt 10% Zinsen ab 1. September 1969 zu zahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß der Klagebetrag einen noch offenen Rest des Kaufpreises für gelieferte Waren darstelle.
Mit VU vom 30. Oktober 1969 gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt.
Mit einem am 6. November 1969 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragten die Beklagten, ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Tagsatzung v 30. Oktober 1969 zu bewilligen und das VU aufzuheben. Gleichzeitig erhoben sie Berufung gegen das VU.
In einem Schriftsatz v 3. Dezember 1969 stellten die Beklagten den Antrag, das VU und das diesem vorausgegangene Verfahren gem § 12 Abs 3 RatG als nichtig aufzuheben und der Klägerin den Ersatz der Kosten aufzutragen, weil ein Ratengeschäft vorliege und das Erstgericht unzuständig sei.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß vom 11. Februar 1969 wurde das Verfahren bezüglich der Zweitbeklagten Maria S für nichtig erklärt, das VU betreffend die Zweitbeklagte aufgehoben und die Klage, soweit sie sich gegen Maria S richtet, wegen örtlicher Unzuständigkeit des Erstgerichts zurückgewiesen.
Das Erstgericht wies hingegen mit Beschluß vom 30. Dezember 1969 die Anträge des Erstbeklagten Oskar S, 1. das VU und das diesem vorausgegangene Verfahren gem § 12 Abs 3 RatG als nichtig aufzuheben und die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückzuweisen, 2. ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der ersten Tagsatzung zu bewilligen, ab. Das Erstgericht ging davon aus, daß sich auf Grund der von den Beklagten vorgelegten Ratenbriefrechnung Nr 177.738 v 11. Juli 1967 ergebe, daß dem Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten ein Kaufvertrag über Möbel und Hausratsgegenstände mit einem ursprünglichen Rechnungsbetrag von 21.777.50 S zugrunde gelegen sei. Die Bezahlung des Kaufpreises sollte durch eine Anzahlung von 3200 S und monatliche Raten von 520 S erfolgen. Da ein Ratengeschäft vorliege, sei die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtes des Wohnsitzes der Zweitbeklagten gegeben. Bezüglich des Erstbeklagten aber liege kein die Nichtigkeit des Verfahrens begrundender Sachverhalt vor. Die Ratenbriefrechnung enthalte lediglich den Namen der Zweitbeklagten als verpflichteter Schuldnerin. Bezüglich des Erstbeklagten komme daher § 12 Abs 3 RatG nicht zur Anwendung. Aber auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu bewilligen, da der Erstbeklagte keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund nachgewiesen habe.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß, der im Ausspruch über die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages unangefochten blieb, im übrigen dahin ab, daß der Ausspruch des Erstgerichts über die Abweisung des Antrages des Erstbeklagten, das Verfahren erster Instanz und das VU nach § 12 Abs 3 RatG als nichtig aufzuheben, aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen wurde, über diesen Antrag nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens neuerlich zu entscheiden. Nach § 12 Abs 1 bis 3 RatG - so führt das Gericht zweiter Instanz aus - begrunde ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsvorschriften des RatG die Nichtigkeit des Verfahrens. Die Nichtigkeit sei in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens habe jedoch das Gericht, das in letzter Instanz entschieden habe, auf Antrag des unterlegenen Käufers mit Beschluß das Urteil und das vorangegangene Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen, wenn eine Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften des RatG erst in diesem Stadium offenbar werde. Die formelle Voraussetzung dafür, daß das Erstgericht über den Antrag des Beklagten Oskar S entscheiden könne, bilde die rechtskräftige Beendigung des Verfahrens. Diese Voraussetzung sei nicht gegeben, weil der Erstbeklagte das VU mit Berufung angefochten habe. Erst wenn über seine Berufung rechtskräftig entschieden sei, könne das Verfahren nach § 12 Abs 3 RatG eingeleitet werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge und änderte den Beschluß des Rekursgerichts dahin ab, daß der Antrag des Erstbeklagten, das VU und das diesem Urteil vorausgegangene Verfahren als nichtig aufzuheben, soweit es den Erstbeklagten betrifft, zurückgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurswerber wendet sich dagegen, daß das Rekursgericht nicht auf die vorliegende unheilbare örtliche Unzuständigkeit, deren Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen sei, Bedacht genommen habe.
Dazu ist zu sagen, daß nach § 12 Abs 2 RatG die Unzuständigkeit des Gerichts in jeder Lage des Verfahrens auf Antrag oder von Amts wegen wahrzunehmen ist. Unter dem "Verfahren" i S der angeführten Gesetzesstelle ist das anhängige Verfahren mit dem in den Vorschriften der ZPO vorgesehenen Instanzenzug zu verstehen. Da der Erstbeklagte gegen das VU Berufung erhoben hat, kann im Berufungsverfahren auf Antrag oder von Amts wegen eine sich auf Grund des § 12 Abs 1 RatG ergebende Unzuständigkeit wahrgenommen werden.
Nicht beigetreten werden kann dem Rekurswerber aber, daß, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, auch über einen Antrag auf Nichtigerklärung des Verfahrens gem § 12 Abs 3 RatG zu entscheiden sei. Nach § 12 Abs 3 RatG hat, falls die Unzuständigkeit erst nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens offenbar wird, das Gericht, das in diesem Verfahren in letzter Instanz entschieden hat, auf Antrag des unterlegenen Käufers mit Beschluß das Urteil und das vorangegangene Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen. Schon auf Grund des Gesetzestextes: "Wird die Unzuständigkeit erst nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens offenbar" ergibt sich, daß ein Verfahren über einen Antrag nach § 12 Abs 3 RatG erst nach rechtskräftiger Beendigung des ursprünglichen Verfahrens eingeleitet werden kann.
Auch aus der Anordnung in § 12 Abs 3 RatG, daß auf Grund "eines Antrages des unterlegenen Käufers" mit Beschluß das Urteil aufzuheben sei, ergibt sich, daß die Antragslegitimation für ein Begehren nach § 12 Abs 3 RatG nur dem Käufer zuerkannt werden sollte, der rechtskräftig sachfällig wurde.
Für die Auffassung, daß über einen Antrag nach § 12 Abs 3 RatG erst dann zu erkennen ist, wenn das Verfahren rechtskräftig beendet wurde, spricht auch der Umstand, daß dann, wenn im ordentlichen Verfahren eine Prüfung der ausschließlichen Zuständigkeit nach § 12 Abs 1 RatG vorgenommen wurde und die Unzuständigkeit im Instanzenzug rechtskräftig verneint wurde, der Antrag nach § 12 Abs 3 RatG zurückzuweisen ist (Mayrhofer, Das Abzahlungsgeschäft nach dem neuen RatG 256; Martinek - Schwarz, RatG 90 Anm 15).
Auch im Schrifttum (Schobel, Der verfahrensrechtliche Inhalt des neuen RatG, ÖJZ 1962, 61; Martinek - Schwarz, RatG 89 Anm 13) wird die Auffassung vertreten, daß es im Rechtsmittelverfahren nicht im Belieben des Ratenkäufers stehe, eine Nichtigkeitsberufung oder einen Nichtigkeitsantrag nach § 12 Abs 3 RatG zu erheben. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens kann ein Antrag nach § 12 Abs 3 RatG gestellt werden.
Da der Erstbeklagte gegen das VU Berufung erhoben hat, ist sowohl die Zulässigkeit seines verfrühten Antrages als auch seine Antragslegitimation nach § 12 Abs 3 RatG, da er noch nicht unterlegener Käufer ist, zu verneinen, so daß sein einschlägiges Begehren zurückzuweisen war (Schobel, ÖJZ 1962, 61).
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