OGH 7Ob40/70

OGH7Ob40/708.4.1970

SZ 43/69

 

Spruch:

Haftung des Autohändlers für das Verschulden seiner Leute, die auf einen zum Verkauf bestimmten Gebrauchtwagen schadhafte Reifen montieren, nach § 1313a ABGB, auch wenn der zukünftige Käufer im Zeitpunkt der Reifenmontage noch nicht feststeht

OGH 8. April 1970, 7 Ob 40/70 (OLG Wien 7 R 246/69; KG Krems 13 Cg 85/69)

Text

Mit der Behauptung, die beiden Beklagten (das ursprünglich auch gegen Hubert G als Drittbeklagten gerichtete Klagebegehren wurde bereits rechtskräftig abgewiesen) hätten ihm ein Fahrzeug als verkehrssicher verkauft, dessen Hinterradreifen derart schadhaft gewesen seien, daß es als Folge dieses Schadens zu einem schweren Verkehrsunfall gekommen sei, begehrt der Kläger von beiden Beklagten als Ersatz für den durch den Unfall total beschädigten PKW 14.500 S, die Kosten des Abschleppens von 675 S und Verteidigerkosten von 8322

S.

Der Erstrichter erkannte durch Zwischenurteil, daß dieser Anspruch des Klägers gegen die erst- und die zweibeklagte Partei dem Gründe nach zu drei Viertel zu Recht besteht. Dieses Zwischenurteil wurde vom Berufungsgericht zwecks Verfahrensergänzung aufgehoben. Mit dem nach Verfahrensergänzung gefällten Zwischenurteil erkannte der Erstrichter, daß der Anspruch des Klägers gegen die Beklagten dem Gründe nach zu Recht besteht. Er traf folgende Feststellungen:

Am 2. Mai 1966 kaufte der Kläger einen PKW, Marke Dauphine, um 10.000 S. Der schriftliche Kaufvertrag wurde vom Kläger und von Josef B unterschrieben. Josef B hatte nämlich vorher von den Beklagten einen Neuwagen gekauft und den gegenständlichen PKW Dauphine bei Ankauf des Neuwagens an Zahlungstatt übergeben, wobei der Tauschwagen mit 10.000 S bewertet wurde. Wäre dieser Preis beim Verkauf des Altwagens nicht erzielt worden, so wäre Josef B nicht zu einer Nachzahlung des Fehlenden verpflichtet gewesen. Die Hinterräder des Altwagens des B waren mit Winterreifen bestückt. B vereinbarte mit Erich A, einem Angestellten der Beklagten, daß er die beiden Winterreifen behalte und dafür zwei Beklagten brachte den Altwagen vom Wohnort des Josef B in die Werkstatt der Beklagten, wo die Winterreifen gegen die von B zur Verfügung gestellten Sommerreifen ausgetauscht wurden. Die Winterreifen wurden daraufhin B zurückgestellt.

Vor dem Kauf besichtigte der Kläger das Fahrzeug, er machte mit ihm eine Probefahrt, die zu seiner Zufriedenheit ausfiel. Da Erich A dem Kläger zusicherte, daß sich der Wagen in einem tadellosen Zustand befinde, schloß der Kläger den Kaufvertrag ab.

Am 3. Juli 1966 - der Kläger hatte mit dem Fahrzeug seit dessen Anschaffung ungefähr 1500 km zurückgelegt - kam es auf der Westautobahn im Gemeindegebiet P zufolge Platzens des rechten Hinterradreifens zu einem Unfall, durch den ein Insasse tödlich verletzt wurde und an dem PKW ein Totalschaden eintrat. Eine Untersuchung des rechten Hinterradreifens ergab, daß seine mittlere Profiltiefe 1 bis 1.5 mm betrug, daß auf der dem Wagen zugewandten Reifenseite der Reifenfuß auf zirka 10 cm Länge ganz vom eingezogenen Drahtseilring losgelöst und dort die Seitenwand des Reifens auf zirka 7 cm Länge aufgerissen war. Die beidseitigen Reifenfußränder zeigten starke Verschleißerscheinungen, einzelne Gummi- und Gewebelagen waren im Bereich des Drahtseils von den unteren Gewebeschichten gelöst. Außer der oben beschriebenen Rißstelle des Reifenfußes war dieser an zwei weiteren Stellen innen durchscheuert, sodaß das Drahtseil auf zirka 6 cm und 13 cm Länge frei lag. Diese Schäden waren mit Ausnahme des unfallauslösenden Risses durchwegs alt bzw sehr alt und waren charakteristisch für unsachgemäße Montage oder Demontage. Diese Schäden konnten nicht während der Zeit entstanden sein, da der Wagen vom Kläger benützt worden war. Der Reifenzustand im Zeitpunkt der Montage war daher im wesentlichen jenem zum Unfallszeitpunkt gleich. Am montierten Rad waren diese Schäden äußerlich für den Kläger nicht erkennbar. Auf Grund der Profiltiefe von 1 bis 1.5 mm lag an sich die Möglichkeit nahe, daß es sich um einen alten Reifen handelte, der auch Schäden im Bereich der Reifenfüße aufzuweisen konnte.

Rechtlich führte der Erstrichter aus, die Haftung der Beklagten bestehe nach § 1313a ABGB. Für denjenigen, der den Reifenwechsel in der Werkstätte der Beklagten durchgeführt hatte, waren die schwerwiegenden Fehler der Hinterradreifen erkennbar. Ihm sei als Erfüllungsgehilfen der Beklagten als Verschulden anzulasten, daß er die schadhaften Reifen montiert habe. Dadurch habe er nicht die übliche Sorgfalt angewendet. Für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen haften die Beklagten gemäß § 1313a ABGB. Die mit dem Reifenwechsel befaßte Person habe nämlich den in Zukunft zu erwartenden Verkauf des Altwagens vorbereitet. Als Parteien des Kaufvertrages seien sich der Kläger und die Beklagten gegenübergestanden, da deren Vermittlerstellung nur vorgeschoben worden sei, um Mehrauslagen durch eine Warenumsatzsteuerpflicht zu verhindern.

Ein Mitverschulden des Klägers liege nicht vor, weil nach dem Sachverständigengutachten die Schäden am montierten Reifen nicht erkennbar waren. Auf einen vertraglichen Haftungsausschluß könnten sich die Beklagten nicht mit Erfolg berufen, da ein grobes Verschulden des Erfüllungsgehilfen der Beklagten gegeben sei, der Ausschluß eines auf grobes Verschulden gestützten Schadenersatzanspruches jedoch den guten Sitten widerspreche. Die gegen dieses Zwischenurteil erhobene Berufung blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters als unbedenklich, verneinte die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens und billigte im wesentlichen die Rechtsausführungen des Erstrichters.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei teilweise Folge. Das angefochtene Urteil wurde insoweit bestätigt, als der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Ersatz des Kaufpreises (14.500 S) und der Abschleppkosten (675 S) als dem Gründe nach zu Recht bestehend erkannt wurde.

Im übrigen wurde es jedoch dahin abgeändert, daß das Begehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger 8322 S samt 4% Zinsen seit 13. Jänner 1967 zu bezahlen, abgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Den Ausführungen der Revision, die sich mit den Entscheidungen der beiden Unterinstanzen über das gegen den ursprünglich Drittbeklagten Hubert G gerichtete Klagebegehren befassen, ist entgegenzuhalten:

Das Berufungsgericht ging in seiner Entscheidung vom 12. Juni 1968 davon aus, daß Hubert G aus Gefälligkeit des B gegenüber den Reifentausch vorgenommen hat, daher nicht als Werkmeister der Beklagten tätig wurde, sodaß ihm - mangels einer Verpflichtung zur Überprüfung der Reifen - die Unterlassung der Überprüfung nicht als Verschulden anzurechnen sei. Aus den vom Berufungsgericht übernommenen nunmehrigen Feststellungen des Erstrichters ergibt sich jedoch, daß Josef B anläßlich der Übergabe seines Altwagens an die Erstbeklagte mit Erich A, einem Angestellten der Erstbeklagten, den Tausch der beiden Winterreifen gegen Sommerreifen vereinbart hatte. Die Montage der schadhaften Sommerreifen wurde demnach auf Grund dieser zwischen B und A getroffenen Vereinbarung vorgenommen, um den Altwagen für den weiteren Verkauf bereit zu machen. Bei Durchführung dieses Reifentausches waren Hubert G und auch die den Umtausch selbst durchführende Arbeitskraft der Erstbeklagten für diese tätig, sodaß ihr Verschulden für eine Haftung der Beklagten bestimmend ist. Eine derartige Überprüfung unterließ das Berufungsgericht in seiner seinerzeitigen Entscheidung, da dort anderslautende Tatsachenfeststellungen der rechtlichen Beurteilung zugrunde lagen. Die Beklagten können sich daher zur Stützung ihrer Ansicht nicht auf die vorangegangene, den Hubert G betreffende Entscheidung des Berufungsgerichtes berufen. Die Beklagten sind der Ansicht, sie hätten für ein allfälliges Verschulden desjenigen in ihrer Werkstätte beschäftigten Arbeiters, der einen unbrauchbaren Reifen an dem den Kläger in der Folge verkauften Wagen montierte, nicht einzustehen, weil im Zeitpunkt der Montage noch kein Rechtsverhältnis zwischen ihnen und dem Kläger bestanden habe. Eine Haftung für den Erfüllungsgehilfen nach § 1313a ABGB komme daher nicht in Frage.

Diese Rechtsansicht hat das Berufungsgericht zutreffend abgelehnt. Es trifft zwar zu, daß im Zeitpunkt der Montage der schadhaften Reifen der künftige Käufer des PKW noch nicht bekannt war, daß zwischen diesem und den Beklagten daher auch noch kein Rechtsverhältnis bestehen konnte. Entscheidend ist jedoch, daß der PKW zum Verkauf bestimmt war und daß die Sommerreifen in Vorbereitung des Verkaufs aufmontiert wurden. Die Montage der Sommerreifen war sohin eine Vorbereitungshandlung zu dem später mit dem Kläger abgeschlossenen Kaufvertrag und stand daher mit diesem im engen Zusammenhang. Der Umstand, daß die Sommerreifen deshalb montiert wurden, weil der Voreigentümer die Winterreifen zurück haben wollte, ändert daran nichts; entscheidend bleibt, daß der Kraftwagen bereift, u zw mit den Sommerreifen, weiter veräußert werden sollte. Hubert G bzw der Monteur der Reifen war daher gegenüber dem erwarteten Käufer des PKW Erfüllungsgehilfe der Beklagten. Für ihr Verschulden haben demnach die Beklagten einzustehen.

Zu Unrecht wendet sich weiters die Revision dagegen, daß das zum Erwerb des gegenständlichen Autos durch den Kläger führende Rechtsgeschäft als zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag beurteilt wurde.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen übergab Josef B bei dem Kauf des Neuwagens das gegenständliche Auto an Zahlungs Statt wobei der Wert des Altwagens mit 10.000 S festgesetzt wurde. Es war weiters vereinbart worden, daß Josef B die Differenz nicht zu bezahlen habe, falls beim Verkauf des Altwagens der Erlös weniger als 10.000 S betragen sollte. Daraus ist weiters zu folgern, daß die Beklagten von Josef B selbst dann keine Mehrzahlung hätten verlangen können, wenn der Eintauschwagen unverkäuflich geblieben wäre. Eine derartige Vereinbarung kann jedoch nur als Kaufvertrag gewertet werden, auf Grund dessen die Beklagten Eigentümer des Tauschwagens wurden, den sie in der Folge an den Kläger verkauften, wenn auch in diesem Vertrag - aus durchsichtigen Gründen - Josef B als Verkäufer angeführt ist.

Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Ausführung des Berufungsgerichtes, daß die mit der Durchführung des Reifenwechsels betrauten, bei der Erstbeklagten beschäftigten Personen grob fahrlässig gehandelt haben. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wies der Reifen bereits im Zeitpunkt der Montage Schäden auf, die ihn für eine weitere Verwendung unbrauchbar machten. Diese Schäden hätten sowohl Hubert G, der den Auftrag zur Montierung der Reifen gab, als auch dem bei der Erstbeklagten Beschäftigten auffallen müssen, der die beiden Sommerreifen dann montierte. Trotz dieser Schäden wurde jedoch die Montage vorgenommen. Ein Mitverschulden des Klägers haben die Vorinstanzen zutreffend verneint, da der Reifenschaden bei einer äußerlichen Besichtigung nicht wahrnehmbar war, und eine Verpflichtung zur Untersuchung des inneren Zustandes der Reifen aus § 85 Abs 1 KFG nicht abgeleitet werden kann (ZVR 1965/37). Die Tatsache, daß das Profil dieser Reifen bereits auf 1 bis 1.5 mm abgefahren war, verpflichtete den Kläger nicht zu einer Überprüfung in der Richtung, ob durch nicht fachmännisch vorgenommene Montagen etwa der Reifenfuß Schaden gelitten habe. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der Haftungsausschluß bei grober Fahrlässigkeit insoweit sittenwidrig und daher unwirksam ist, als die unterlaufene Fahrlässigkeit so kraß ist, daß mit einem derartigen Verhalten nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht gerechnet werden kann, stimmt mit der Rechtsprechung überein (JBl 1967, 389, SZ 31/57). Eine Fahrlässigkeit, die dazu führt, daß an einem zu verkaufenden Personenkraftwagen Reifen mit Schäden montiert werden, die nicht nur die Betriebssicherheit des Fahrzeuges auf das äußerste beeinflußten, sondern auch bei einer Überprüfung des äußeren Zustandes des Fahrzeuges nicht erkennbar waren, ist derart schwerwiegend, daß damit nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht gerechnet werden muß, daher als grobe Fahrlässigkeit zu beurteilen ist.

Ein Zwischenurteil, daß der Anspruch dem Gründe nach zu Recht besteht, setzt voraus, daß den Kläger auf jeden Fall ein, wenn auch noch so kleiner Teil des Klagsanspruches gebührt (JBl 1957, 645, EvBl 1955/26 u a). Die Beklagte ist der Ansicht, daß es an dieser Voraussetzung hinsichtlich der Abschleppkosten und der Kosten der Verteidigung fehlt.

Die Voraussetzungen für die Fällung eines Zwischenurteiles über die Abschleppkosten waren gegeben, da die Beklagte diese Forderung der Höhe nach außer Streit stellte. Es bedarf sohin keiner weiteren Beweise darüber, daß Abschleppkosten in der begehrten Höhe dem Kläger aus Anlaß des gegenständlichen Unfalls auch tatsächlich entstanden sind.

Berechtigt sind jedoch die Ausführungen der Beklagten hinsichtlich der Kosten der Verteidigung. In einem Zwischenurteil muß auch die Frage des Kausalzusammenhanges zwischen schädigendem Ereignis und Schaden geklärt werden. Es ist jedoch die adäquate Kausalität zwischen dem Verschulden der Beklagten, daß in der Folge zu dem gegenständlichen Unfall geführt hat und dem Umstand, daß die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen den in der Folge freigesprochenen Kläger erhoben hat, zu verneinen. Der Schaden, der dem Kläger dadurch entstanden ist, daß er sich im Strafverfahren eines Verteidigers bediente, wurde dadurch verursacht, daß ein Dritter - nämlich die Anklagebehörde - in die Kausalkette eingegriffen hat, wobei die Beklagte auf das Wollen dieses Dritten überhaupt keinen Einfluß hatten oder nehmen konnten (EvBl 1957/106). Es ist daher die von den Beklagten zu vertretende Kausalität zwischen ihrem Verschulden an dem Unfall und den dem Kläger erwachsenen Verteidigungskosten nicht gegeben, sodaß der Anspruch des Klägers auf Ersatz dieser Kosten schon dem Gründe nach nicht zu Recht besteht. Das diesbezügliche Klagebegehren war daher in teilweiser Stattgebung der Revision mit Teilurteil abzuweisen.

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