OGH 1Ob62/70

OGH1Ob62/7031.3.1970

SZ 43/65

Normen

Mietengesetz §19 Abs2 Z14
Mietengesetz §19 Abs2 Z14

 

Spruch:

Der Kündigungstatbestand des § 19 Abs 2 Z 14 MG ist nur bei einem dauernden und völligen Mangel eines schutzwürdigen Interesses des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietvertrages gegeben. Dabei kommt es auf die Art der regelmäßigen geschäftlichen Betätigung nicht an

OGH 31. März 1970, 1 Ob 62/70 (LGZ Wien 41 R 3/70; BG Innere Stadt Wien 44 C 138/69)

Text

Die Kläger kundigten die von der Beklagten im Hause Wien 3, D-Gasse 6, gemieteten, aus einem Gassenlokal, zwei Nebenräumen und einem Kellerabteil bestehenden Geschäftsräumlichkeiten zum 30. September 1969 gerichtlich auf und brachten dazu vor, daß diese von der Beklagten seit geraumer Zeit nicht mehr zu einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit verwendet und von der Beklagten auch in Zukunft nicht mehr benötigt würden.

Die Beklagte hat das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes (§ 19 Abs 2 Z 14 MG) bestritten und eingewendet, daß die aufgekundigten Bestandräume als Lagerplatz für die im Elektrowarengeschäft der Beklagten benötigten Waren diene. Dieses Geschäft befindet sich am R-weg, und zwar in einem Haus, das in absehbarer Zeit abgerissen werde so daß aus diesem Grund dringender Bedarf an den aufgekundigten Geschäftsräumen vorliege.

Der Erstrichter erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und ging dabei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus. Die Beklagte habe die aufgekundigten Räumlichkeiten, beginnend mit 1. Jänner 1960, zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann gemietet, um darin einen Elektroinstallationsbetrieb zu führen. Nach dem Tode des Ehemannes habe die Beklagte das Elektroinstallationsunternehmen aufgegeben, führe insbesondere seit dem Jahre 1968 keine Reparaturarbeiten durch und betreibe nunmehr in Wien 3, R-Weg 55, ein Detailhandelsgeschäft mit Elektrogeräten und Elektroinstallationsmaterial. Es stunden ihr dort neben zwei kleineren, Privatzwecken dienenden Räumen ein größeres Geschäftslokal sowie ein weiterer Nebenraum zur Verfügung. In diesem Betrieb verkaufe die Beklagte zum überwiegenden Teil Lampenschirme. Sie fertige diese ohne Hilfskräfte an und beziehe das erforderliche Material von Großhändlern. Dieses Material (Gestelle und Stoffe) lagere die Beklagte zum Teil in den aufgekundigten Räumen ein. Bei saisonbedingter gesteigerter Nachfrage nach Lampenschirmen, insbesondere zur Weihnachtszeit und vor dem Muttertag, stelle die Beklagte an zwei oder drei Tagen der Woche, manchmal aber auch täglich Lampenschirme in einem der aufgekundigten Geschäftsräume her, verrichte die notwendigen Arbeiten (Näh- und Klebearbeiten) fallweise aber auch in ihrem Geschäft am R-Weg.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß in den aufgekundigten Bestandräumen seit dem Jahre 1968 eine regelmäßige geschäftliche Tätigkeit nicht mehr stattfinde. Die Tatsache, daß sich die Beklagte fallweise in diesen Räumlichkeiten aufhalte und dabei Arbeiten an Lampenschirmen, die sie in ihrem Geschäft am R-Weg verkaufte, vornehme, könne ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses nicht begrunden, weil sich diese Tätigkeiten ebensogut im Verkaufslokal am R-Weg durchführen ließen.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten erhobenen Berufung Folge und hob in Abänderung des Ersturteils die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf. Das Erstgericht habe zwar richtig erkannt, daß es beim Kündigungsgrund nach § 19 Abs 2 Z 14 MG nicht auf die Intensität der geschäftlichen Betätigung in den aufgekundigten Geschäftsräumen, sondern auf deren Regelmäßigkeit ankomme, doch sei übersehen worden, daß die Benützung eines Bestandobjektes als Lager- oder Aufbewahrungsraum für ein lebendes Unternehmen - diesfalls die Lagerung der für die Lampenschirmerzeugung der Beklagten erforderlichen Gestelle und Stoffe - als eine regelmäßige geschäftliche Betätigung beurteilt werden müsse.

Die Revision der Kläger gegen dieses Urteil blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der von den Klägern angerufene Kündigungstatbestand des § 19 Abs 2 Z 14 MG entspricht nahezu wörtlich jenem des § 19 Abs 2 Z 13, zweiter Fall MG (alter Fassung). Für die Beurteilung dieses Kündigungsgrundes können daher die von der Rechtsprechung zum Kündigungsgrund nach § 19 Abs 2 Z 13, zweiter Fall, MG entwickelten Grundsätze herangezogen werden. Geschieht dies, dann ist bei der Prüfung der rechtlichen Beurteilung davon auszugehen, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund nur bei einem dauernden und völligen Mangel eines schutzwürdigen Interesses des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietvertrages gegeben ist (MietSlg 15.445, 17.542, 19.375, 20.485). Nach ständiger Rechtsprechung (vgl MietSlg 7470, 7474, 9030, 9049, 9747, 15.445, 17.541) kommt es auf die Art der regemäßigen geschäftlichen Betätigung nicht an; die - von den Klägern erst in der Revisionsschrift und unter Verletzung des Neuerungsverbotes behauptete - vertragswidrige Verwendung des Bestandobjektes könnte allerdings dann, wenn sie wichtige Interessen des Bestandgebers berührt, einen Kündigungstatbestand nach § 19 Abs 1 MG allenfalls auch einen solchen nach § 19 Abs 2 Z 4 MG bilden (MietSlg 7333, 7334, 17.541). Die geschäftliche Betätigung kann also grundsätzlich auch in der Benützung eines Verkaufslokales als Aufbewahrungsraum (Lagerraum) für Waren eines vom Gekundigten betriebenen Unternehmens bestehen.

Nach dem erhobenen Sachverhaltsbild verwendet die Beklagte die aufgekundigten Räumlichkeiten zur Lagerung ihrer Warenvorräte, sie verwahrt darin insbesondere die zur Erzeugung der Lampenschirme benötigten Gestelle und Stoffe. Nach den Urteilsfeststellungen handelt es sich hierbei um jenen Verkaufsartikel, der im Detailgeschäft der Beklagten (R-Weg) vorwiegend vertrieben wird. Die dem Unternehmen der Beklagten dienende Verwendung der aufgekundigten Räumlichkeiten rechtfertigt - gleichviel, ob und mit welcher Intensität die Beklagte in diesen auch Herstellungsarbeiten (Fertigungsarbeiten) durchführt - die Annahme eines schutzwürdigen Interesses der Beklagten an der Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses.

Das Berufungsgericht hat daher ohne Rechtsirrtum das Vorliegen des angerufenen Kündigungsgrundes (§ 19 Abs 2 Z 14 MG) verneint, sodaß der Revision ein Erfolg versagt bleiben muß.

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