Spruch:
Im Teilungsprozeß begrundet eine bereits von einem anderen Miteigentümer erhobene Teilungsklage nicht die Einrede der Streitanhängigkeit
OGH 4. Februar 1970, 6 Ob 22/70 (OLG Linz 5 R 186/69; KG Wels 2 Cg 157/69)
Text
Die Streitteile sind je zu einem Viertel Miteigentümer der Liegenschaften EZ 170 und 171 KG M. Die hier beklagten Eheleute Leopold und Auguste K brachten bereits am 27. Februar 1969 zu 2 Cg 83/69 des KG W eine Klage auf Naturalteilung der oben genannten Liegenschaften ein, wobei sie eine bestimmte Art der vorzunehmenden Naturalteilung in das Urteilsbegehren aufnahmen. Die dort beklagten Eheleute Franz und Maria K beantragten die Abweisung des Teilungsbegehrens im wesentlichen nur mit der Begründung, die im Klagebegehren enthaltene Aufteilung sei für sie unannehmbar, weit die ihnen zugedachten Grundstücke weit weniger wert seien als diejenigen, deren Zuweisung Leopold und Auguste K anstreben. Dieses Verfahren ist noch nicht bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz gediehen.
Mit der vorliegenden, am 17. April 1969 eingebrachten und als Widerklage bezeichneten Klage begehren Franz und Maria K ebenfalls die Realteilung der gemeinsamen Liegenschaften EZ 170 und 171 KG M. Auch sie nehmen in das Urteilsbegehren eine bestimmte Art der Aufteilung es gemeinsamen Gutes auf, das sie in die Form kleiden, die Beklagten seien schuldig einzuwilligen, daß ein in dieser Sache zum Sachverständigen bestellter Zivilgeometer beauftragt werde, einen verbücherungsfähigen Teilungsplan gemäß dem vorgelegten Lageplan zu verfassen, nach dem die Ehegatten Leopold und Auguste K die rot schraffierten Flächen und die Ehegatten Franz und Maria K die mit grüner Farbe angelegten Flächen je in ihr gleichteiliges Eigentum übernehmen, daß die Grundstücksteilung entsprechend diesem Plane vorzunehmen sei und daß die Dienstbarkeit eines bestimmten Geh- und Fahrrechtes grundbücherlich einverleibt werde. Die von den Klägern hier begehrte Aufteilung des gemeinsamen Gutes deckt sich nicht mit jener von Leopold und Auguste K zu 2 Cg 83/69 des KG W verlangten Teilungsart.
Die Beklagten erhoben die Einrede der Streitanhängigkeit und beantragten in erster Linie die Zurückweisung der Klage. Das Erstgericht wies die Klage nach abgesonderter mündlicher Verhandlung mit Beschluß vom 29. Oktober 1969 zurück und verhielt die Kläger zum Ersatz der Prozeßkosten. Es nahm im Hinblick auf das Verfahren 2 Cg 83/69 des KG W Streitanhängigkeit an und führte dazu im wesentlichen aus: Werden aus einem einheitlichen Sachverhalt zwei verschiedene Begehren abgeleitet, dann begrunden diese wechselseitig keine Streitanhängigkeit, denn die Verschiedenheit der Begehren schließe in der Regel die Streitanhängigkeit aus. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Verschiedenheit der Begehren Streitanhängigkeit ausschließe, bestehe nur dort, wo die Begehren trotz ihrer äußeren Beschaffenheit nach ihrem Inhalt in einem solchen Verhältnis zueinander stehen, daß die Sachentscheidung über die weitere Klage die erschöpfende Lösung der gesamten Rechtsfragen des bereits anhängigen Rechtsstreites zwingend zur Folge haben müsse. Mit der bereits zu 2 Cg 83/69 des KG W eingebrachten Teilungsklage und dem dort ergehenden Urteil werde eine erschöpfende Lösung der gesamten Rechtsfragen zwingend herbeigeführt, weil durch das Urteil beide Teile berechtigt und verpflichtet werden. Es liege somit Identität der Sache vor.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichts dahin ab, daß es die von den Beklagten erhobene Einrede der Streitanhängigkeit zurückwies und den Beklagten die Kosten des Zwischenstreites und des Rekurses der Kläger auferlegte. Das Rekursgericht ging zwar davon aus, daß die Klage auf Realteilung einen Teilungsvorschlag enthalten könne aber nicht müsse und daß der Richter die Klage nicht abzuweisen sondern die Teilung nach seinem Ermessen vorzunehmen habe, wenn er das Teilungsbegehren (den Teilungsvorschlag) des Klägers für unrichtig hält. Darin sei keine Durchbrechung des Grundsatzes des § 405 ZPO zu erblicken, daß keiner Partei etwas anderes zugesprochen werden dürfe, als sie beantragt habe. Es folgte auch der Meinung des Erstgerichts, daß eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Verschiedenheit der Begehren die Annahme der Streitanhängigkeit ausschließe, nur dort zu machen sei, wo die Begehren trotz äußerer Verschiedenheit ihrem Inhalt nach in einem solchen Verhältnis zueinander stehen, daß die Sachentscheidung über die weitere Klage die erschöpfende Lösung der gesamten Rechtsfragen des bereits anhängigen Rechtsstreites zwingend zur Folge haben müsse. Bei der vorliegenden Klage handle es sich, auch wenn das Begehren als Leistungsbegehren formuliert sei, in Wahrheit um eine Rechtsgestaltungsklage. Nun werde aber zu 2 Cg 83/69 des KG W eine andere rechtsgestaltende Entscheidung begehrt als hier. Aus diesem Gründe sei Streitanhängigkeit zu verneinen, wenn auch in beiden Fällen das Sachvorbringen, aus dem das Gestaltungsbegehren abgeleitet werde, das gleiche sei. Daß der in den beiden Klagen geltend gemachte Klagsanspruch nicht derselbe sei, ergebe sich auch daraus, daß mit der Entscheidung über den zu 2 Cg 83/69 des KG W erhobenen Anspruch nicht zugleich und notwendig endgültig über den in dieser Klage erhobenen Anspruch entschieden werde. Im Falle der Abweisung des Klagebegehrens zu 2 Cg 83/69 des KG W oder der Zurückziehung dieser Klage müßte trotzdem über den hier geltend gemachten Anspruch entschieden werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Den Rekurswerbern ist zuzugeben, daß die von der Lehre und der Rechtsprechung als zulässig angesehene Aufnahme einer bestimmten Art der Naturalteilung in das Teilungsbegehren nichts anderes als einen Teilungsvorschlag darstellt, wie ein solcher auch von den im Prozeß auf Naturalteilung Beklagten erstattet werden kann. Das Gericht ist an derartige Vorschläge nur insoweit gebunden, als es eine Verhandlung und Entscheidung darüber nicht ablehnen kann (EvBl 1960/352 u a m). Daß es sich bei einem vom Kläger auf diese Weise gemachten Teilungsvorschlag nicht um ein echtes Klagebegehren handelt, ergibt sich daraus, daß das Gericht auch dann, wenn es dem in die Gestalt eines Begehrens gekleideten Teilungsvorschlag nicht oder nicht teilweise folgen will, die Klage nicht abzuweisen, sondern die ihm angemessene Art der Teilung zu verfügen hat. In einem solchen Vorgehen kann auch nur dann kein Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO erblickt werden, wenn man ein mit dem Begehren auf Naturalteilung verbundenes Verlangen auf eine bestimmte Art der Teilung als unverbindlichen Vorschlag, also als eine Anregung auffaßt. Mit dem daraus abzuleitenden Ergebnis, daß im vorliegenden Fall zwar zwei verschiedene Teilungsvorschläge vorliegen, daß aber in beiden Verfahren übereinstimmend Naturalteilung begehrt und vom Gericht verlangt wird, daß bereits das Prozeßgericht über die Einzelheiten der Aufteilung entscheide, ist aber für die Rekurswerber nichts gewonnen.
Streitanhängigkeit setzt nämlich nicht nur Identität der Parteien und der Begehren, sondern auch Identität der Ansprüche voraus. Identität der Ansprüche liegt aber bei von mehreren Miteigentümern erhobenen Teilungsklagen nicht vor, weil jeder von ihnen einen eigenen Anspruch auf Teilung hat. Jeder Miteigentümer, der unbeschränkter Eigentümer seines Anteiles ist, dessen Recht also weder durch eine Zeitbestimmung noch eine Bedingung beschränkt ist, hat einen unbedingten Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft, der seinem Miteigentumsrecht entspringt. Die Aufhebung der Gemeinschaft geschieht durch die Erklärung des die Teilung begehrenden Miteigentümers (Klang[2] III 1097 ff, Jensik Miteigentum - Wohnungseigentum 36). Richtig ist wohl, daß sich jeder Miteigentümer, der die Aufhebung der Gemeinschaft begehrt, auf sein Miteigentumsrecht stützt. Rechtserzeugende Tatsache ist aber nicht bloß das Miteigentum, sondern auch die Erklärung, die Gemeinschaft aufheben zu wollen, die jeweils von dem betreffenden Miteigentümer ausgeht. Es besteht somit auch eine Verschiedenheit der rechtserzeugenden Tatsachen, die einer Identität der Ansprüche entgegensteht.
Nun ist allerdings nicht zu übersehen, daß mit der rechtskräftigen Entscheidung über die Teilungsklage des einen Miteigentümers einer weiteren Teilungsklage eines anderen Miteigentümers derselben Sache der Boden entzogen wird. Das zwingt aber - so wie im Falle von mehreren Klagen auf Scheidung ein und derselben Ehe - nur zu der Forderung, daß diese mehreren Klagen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung zu verbinden sind. Ein Rechtsschutzbedürfnis des ebenfalls die Teilung anstrebenden Widerklägers ist aus folgenden Erwägungen zu bejahen:
Bringt ein Miteigentümer die Teilungsklage ein, dann ist damit für den die Teilung ebenfalls anstrebenden weiteren Miteigentümer, der mit den Teilungsvorschlägen seines Gegners nicht einverstanden ist, keine Gewähr gegeben, daß es auf Grund der Klage seines Gegners auch tatsächlich zur Teilung kommt. Die Möglichkeit, daß auch der Beklagte auf Grund des Teilungsurteiles die Exekution erwirken kann, schützt diesen nicht davon, daß etwa der Kläger nach erklärtem Anerkenntnis des Beklagten kein Anerkenntnisurteil gem § 395 ZPO beantragt oder, daß der Kläger nach jahrelanger Prozeßführung die Klage unter Anspruchsverzicht zurückzieht, etwa weil er befürchten muß, die von ihm angestrebte Art der Aufteilung nicht durchsetzen zu können. In diesen Fällen wäre der Beklagte an der Ausübung seines Rechtes, Teilung zu verlangen, gehindert, wollte man annehmen, daß die Teilungsklage eines Miteigentümers Streitanhängigkeit in Beziehung auf die Teilungsklage eines anderen Miteigentümers begrundet.
Die Entscheidung des Rekursgerichts erweist sich demnach im Ergebnis als zutreffend.
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