OGH 5Ob7/70

OGH5Ob7/704.2.1970

SZ 43/29

Normen

ABGB §1497
ABGB §1497

 

Spruch:

Übermäßig langes Ruhen des Verfahrens als "nicht gehörige Fortsetzung der Klage" i S des § 1497 ABGB

OGH 4. Februar 1970, 5 Ob 7/70 (OLG Wien 6 R 209/69; LGZ Wien 40 Cg 83/69)

Text

Unbestritten ist, daß der Kläger am 8. Oktober 1963 Mieter eine Atelier-Wohnung im Haus Wien, Z-Gasse 3 bis 5, war. An diesem Tag versuchte der Zweitbeklagte als Monteur der Erstbeklagten im Auftrag des Klägers, einen Schaden an der Etagenheizung dieser Wohnung zu beheben. Infolge seiner unsachgemäßen Handhabung eines Schweißgerätes gerieten die vom Kläger in seiner Wohnung angebrachten Isoliermatten in Brand; die Wohnung des Klägers sowie das Haus wurden erheblich beschädigt. Mit Urteil des StBG Wien 23. Juni 1964 wurden sowohl der Kläger als auch der Zweitbeklagte rechtskräftig der Übertretung der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst schuldig erkannt, u zw der Zweitbeklagte, weil er unvorsichtig mit dem Schweißgerät hantierte, der Kläger aber, weil er statt des von der Baubehörde angeordneten Materials leicht brennbare Matten zur Isolierung seiner Wohnung verwendet hatte.

Mit der vorliegenden, am 15. Februar 1965 eingebrachten Klage machte der Kläger gegen beide Beklagte Schadenersatzansprüche wegen dieses Vorfalls geltend, wobei er ein eigenes Mitverschulden von 35% am verursachten Schaden konzedierte. Die Haftung der Erstbeklagten wurde aus § 1313a ABGB abgeleitet. Im einzelnen machte der Kläger geltend:

1. Den Ersatz seiner Aufwendungen für den Ausbau der Atelier-Wohnung

im Betrag von 538.105.79 S; 2. den Ersatz

des Anschaffungswerts der durch den Brand vernichteten Einrichtung

seiner Wohnung im Betrag von 329.091.01 S; 3. den Ersatz des

Honorars des im Auftrag der Baubehörde beigezogenen Statikers

5.600,-- S; 4. den Ersatz der dem Kläger vorgeschriebenen Gebühr für

einen Autostellplatz 10.462.40 S 5. den Ersatz jenes

Betrages, den der Hauseigentümer vom Kläger als entgangenen Mietzins

und als anteilige Kosten für die Herstellung einer Gassteigleitung

verlangt habe 44.465.70 S ------------- zusammen

927.724.90 S.

Unter Berücksichtigung seines eigenen Mitverschuldens begehrte der

Kläger von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von 65%

des zuletzt genannten Betrages, somit 603.021.18 S samt 4% Zinsen

seit 15. Februar 1965 (Klagstag). Im Zuge des Verfahrens anerkannte

der Kläger ein 50%iges Mitverschulden und reduzierte zunächst sein

Klagebegehren dementsprechend auf 463.862.45

S s. A. In der Folge dehnte er jedoch sein Begehren am 23. Jänner

1967 um 150.493.85 S samt 4%

Zinsen seit 4. Oktober 1966 mit der Begründung aus, daß a) die beiden Beklagten ihn zu 45 C 283/66 des BG Innere Stadt Wien auf Zahlung von 200.000 S samt 4% Zinsen seit 4. Oktober 1966 und b) die nö Brandschaden-Versicherungs-AG ihn zu 45 C 279/66 des BG Innere Stadt Wien auf Zahlung von 100.987.70 S samt 4% Zinsen seit 4. Oktober 1966 als Schadenersatz aus dem eingangs erwähnten Brand geklagt hätten. Im Hinblick auf das 50%ige Mitverschulden der Beklagten an dem verursachten Schaden verlange der Kläger von den Beklagten die Hälfte der genannten Beträge. Sein

------------ Klagebegehren betrug daher zuletzt

614.356.30 S samt Staffelzinsen.

Gegenüber dem zunächst geltend gemachten Schadenersatzbegehren wendeten die Beklagten ein, daß den Kläger, wenn schon nicht das Alleinverschulden, so doch das weitaus überwiegende Verschulden an dem eingetretenen Schaden treffe. Der Zweitbeklagte machte überdies gegen den Klageanspruch aufrechnungsweise Gegenforderungen mit der Behauptung geltend, daß er zusammen mit dem Kläger aus dem Brand dritten Personen gegenüber schadenersatzpflichtig geworden sei; er regressiere sich diesbezüglich beim Kläger. Dem Kläger fehle auch die Aktivlegitimation, weil er seine Schadenersatzansprüche dritten Personen zediert habe. Gegenüber der Klageausdehnung behaupteten beide Beklagte, daß der Hauseigentümer durch den Brand einen Schaden von 403.951 S erlitten habe. Die Beklagten hätten hievon 302.963.30 S eingelöst und somit die Forderung des Hausherrn teilweise beglichen. Dieser Betrag werde als Gegenforderung aufrechnungsweise geltend gemacht.

Da aus dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen war, wie sich seine unter P 1 und 2 geltend gemachten Schadenersatzansprüche zusammensetzten, wurde er vom Erstgericht angewiesen, diese Forderungen entsprechend aufzuschlüsseln, worauf der Kläger auf zwei Zusammenstellungen sowie auf die Ausführungen des Sachverständigen verwies und sich auf weiter vorzulegende Belege berief. Bei der Streitverhandlungstagsatzung vom 1. April 1968 beantragte er, den Sachverständigen Ing M zur nächsten Streitverhandlung neuerlich zu laden, nachdem die noch erforderlichen Belege vorgelegt worden seien. Das Erstgericht machte die Ladung der beiden bis dahin zugezogenen Sachverständigen vom Erlag eines weiteren Kostenvorschusses von je 1000 S binnen 14 Tagen durch den Kläger abhängig. Am 23. April 1968 erlegte der Kläger den Kostenvorschuß von 2000 S. Darauf wurde die mündliche Streitverhandlung für den 24. Juni 1968 anberaumt und die Sachverständigen hiezu geladen. Mit Eingaben v 15. und 16. Mai 1968 teilten die beiden Sachverständigen dem Gericht mit, daß sie am 24. Juni 1968 am Erscheinen verhindert seien. Mit einem außerhalb der Streitverhandlung erlassenen und dem Kläger am 14. Juni 1968 zugestellten Beschluß wurde dem Kläger aufgetragen, zur Deckung der Sachverständigengebühren einen weiteren Vorschuß von 5000 S binnen drei Wochen zu erlegen. Mit Schriftsatz v 10. Juni 1968 teilte der Kläger dem Gericht mit, daß er die nötigen Belege dem Sachverständigen Ing M unmittelbar übersendet habe. Zur Streitverhandlung am 24. Juni 1968 erschienen die Streitteile nicht, so daß Ruhen des Verfahrens eintrat. Am 22. April 1969 erlegte der Kläger den Kostenvorschuß von 5000 S und beantragte mit Schriftsatz v 25. April 1969 die Fortsetzung des Verfahrens. Bei der nun folgenden Tagsatzung zur Streitverhandlung wendeten die Beklagten Verjährung ein, weil der Kläger die Klage nicht gehörig fortgesetzt habe. Demgegenüber brachte der Kläger vor, daß er den Fortsetzungsantrag deshalb nicht früher gestellt habe, weil er den ihm aufgetragenen Kostenvorschuß von 5000 S zunächst nicht habe aufbringen können. Er sei auch der Meinung gewesen, daß der Sachverständige während der Zeit des Ruhens des Verfahrens auf Grund der ihm übermittelten Unterlagen sein Gutachten ergänzen werde. Ferner legte der Kläger ohne nähere Ausführungen hiezu sein Schreiben an den Sachverständigen Ing M v 20. Juni 1968 vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die geltend gemachten Ansprüche nunmehr verjährt seien. Der Kläger habe die Klage nicht gehörig fortgesetzt, sondern erst zehn Monate nach Eintritt des Ruhens des Verfahrens einen Fortsetzungsantrag gestellt. Seine Erklärung, daß er den ihm aufgetragenen Kostenvorschuß nicht früher habe erlegen können, sei nicht stichhaltig und rechtlich belanglos. Trotz Anleitung bei der Streitverhandlung am 1. April 1968 sei der Kläger nicht in der Lage gewesen, die angeblich vernichteten Einrichtungsgegenstände seiner Wohnung, für deren Ersatz er einen Betrag von 329.091.01 S verlange, auch nur aufzuzählen. Im Strafverfahren sei lediglich von einer verbrannten Matratze die Rede gewesen. Auch die im Strafverfahren und nunmehr vorgelegten Lichtbilder zeigten keine verbrannten Möbelstücke. Der Kläger sei im Jahr 1966 wegen Veruntreuung verurteilt worden, weil er unter Eigentumsvorbehalt gekauftes Mobilar veräußert hatte. Daß die Beklagten von ihrem Recht, ihrerseits die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht hätten, ändere nichts daran, daß durch die beharrliche Untätigkeit des Klägers das Verfahren gehemmt worden sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurück. Es könne noch nicht gesagt werden, ob die Klage gehörig fortgesetzt worden sei, denn es komme nicht nur auf die Dauer der Nichtfortsetzung des Verfahrens, sondern auch auf deren Grund an. Grundsätzlich sei freilich der Kläger verpflichtet, das Verfahren fortzusetzen, weil eine ungewöhnlich lange Untätigkeit zum Ausdruck bringe, daß ihm an der Erreichung des Prozeßziels nichts gelegen sei. In einem solchen Fall müsse die gehörige Fortsetzung des Verfahrens verlangt werden. Diesfalls sei es aber noch unklar, ob das Verhalten des Klägers als eine solche ungewöhnlich lange Untätigkeit angesprochen werden müsse. Schließlich habe der Kläger noch vor der Tagsatzung v 24. Juni 1968 den ihm aufgetragenen Kostenvorschuß erlegt und damit seinen Willen zur Prozeßfortsetzung zu erkennen gegeben. Der Kläger behaupte auch, daß die Streitverhandlung v 24. Juni 1968 wegen Verhinderung der Sachverständigen unbesucht geblieben sei. Schließlich habe der Klagevertreter dem Erstgericht schon im Februar 1969 die Absicht seines Mandanten, den Prozeß fortzusetzen, bekanntgegeben. Wenn der Grund der weiteren Verzögerung wirklich darin gelegen sei, daß der Kläger den ihm zusätzlich aufgetragenen Kostenvorschuß von 5000 S nicht habe erlegen können, dann sei von einer beharrlichen Untätigkeit des Klägers nicht zu sprechen. Überdies komme die dreijährige Verjährungszeit nur für die Schadenersatzansprüche des Klägers in Betracht. Er mache aber auch Regreßansprüche i S des § 1302, letzter Halbsatz, ABGB geltend, für die die 30jährige Verjährungszeit gelte. Dieser Anspruch sei allerdings nur gegeben, wenn der Kläger den Schaden bereits ersetzt habe. Es müsse somit auf die angegebenen Gründe des Klägers dafür, daß er erst sieben Monate nach Ablauf der gesetzlichen Ruhensfrist die Fortsetzung des Verfahrens beantragt habe, eingegangen werden. Sollte sich ergeben, daß die Einbringung der Klage die Verjährung unterbrochen habe, dann seien auch für den Schadenersatzanspruch des Klägers die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gem § 1489 ABGB ist jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an verjährt, von welcher der Schaden und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurden. Gem § 1497 ABGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen will, vom Berechtigten belangt und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Soweit der Kläger aus dem Brand v 8.

Oktober 1963 mit der am 15. Februar 1965 eingebrachten Klage

Schadenersatzansprüche gegen die Beklagten geltend machte, also den

Zuspruch eines Betrages von 603.021.18 S, später eingeschränkt auf

463.862.45 S, samt 4% Zinsen seit dem Klagstag begehrte, ist die

Forderung seit dem 9. Oktober 1966 verjährt, wenn der Kläger seine

Klage nicht gehörig fortsetzte. Es entspricht nun der überwiegenden

Lehre und der jüngeren Rechtsprechung, daß nicht jede Versäumung

einer Prozeßhandlung durch den Kläger als nicht gehörige Fortsetzung

des Verfahrens angesehen werden kann, vielmehr hiezu eine

ungewöhnliche Untätigkeit des Klägers erforderlich ist, und daß

dessen Verhalten im Einzelfall vom Richter nach seinem Ermessen

beurteilt werden muß (Ehrenzweig[2] I/1. 321 f; Klang[2] VI 656f und

die ebendort in FN 87 angeführten Entscheidungen). In jüngster Zeit

wurde allerdings gelegentlich auch die Meinung vertreten, daß eine

gehörige Fortsetzung der Klage nur dann angenommen werden könne,

wenn der Kläger alles unternommen habe, was er zur Fortführung des

Verfahrens tun konnte (EvBl 1965/144; ebenso 6 Ob 335/68, 2 Ob

305/69). Da diese Auffassung die Gründe einer etwaigen Versäumung

des Klägers nicht berücksichtigt, vermag sich ihr der erkennende

Senat nicht zur Gänze anzuschließen. Wie Klang aaO überzeugend aus

den rechtspolitischen Grundgedanken der Verjährung ableitet, kommt

es darauf an, ob aus dem konkreten Verhalten des Klägers auf jenes

"Stillschweigen" geschlossen werden kann, welches das Gesetz für die

Vollendung der Verjährung fordert. Es ist daher in jedem Fall das

konkrete Verhalten des Klägers in bezug auf die Fortsetzung des

Verfahrens zu prüfen. Nicht rechtzeitig vorgenommene

Prozeßhandlungen, z B verspätetes Vorbringen, Überschreiten der zur

Urkundenvorlage gesetzten Fristen u ä, können dem Kläger wohl

verfahrensrechtliche Nachteile, z B Zurückweisung seines Vorbringens

wegen Verspätung, bringen, sie sind im allgemeinen aber nicht

geeignet, auf die Absicht des Klägers schließen zu lassen, daß er

den Prozeß nicht fortführen wolle. Der Eintritt des Ruhens des

Verfahrens für sich allein vermag die Unterbrechungswirkung der

Klage noch nicht zu beseitigen. Das Verhalten des Klägers bis zum

Eintritt des Ruhens des Verfahrens bietet entgegen der Auffassung der Rekurswerber keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß er "sein Recht nicht ausübe" (§ 1451 ABGB). Auf die Absicht des Klägers, "sein Recht nicht mehr auszuüben", kann jedoch aus einem übermäßig langen Ruhen des Verfahrens geschlossen werden. Hier wurde der Fortsetzungsantrag des Klägers sieben Monate nach Ablauf der gesetzlichen Ruhensfrist gestellt. Im Hinblick auf die vorausgegangene lange Dauer des Verfahrens kann diese Zeit des Ruhens des Verfahrens noch nicht als übermäßig lang angesprochen werden. Die Entscheidung wird daher im vorliegenden Fall davon abhängig sein, ob der Kläger beachtliche Gründe für seine Untätigkeit nachzuweisen imstande ist (in diesem Sinn auch 2 Ob 305/69). Diese Rechtslage hat das Berufungsgericht somit ohne Rechtsirrtum erkannt. Da es aber in dieser Beziehung der Auffassung war, daß der Sachverhalt noch ergänzend geklärt werden müsse, vermag die dritte Instanz dieser Auffassung nicht entgegenzutreten. Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichts in bezug auf die Schadenersatzansprüche des Klägers war daher zu bestätigen. Was nun den in der Streitverhandlung v 23. Jänner 1967 durch Klageausdehnung geltend gemachten Regreßanspruch des Klägers (Zahlung von 150.493.85 S samt 4% Zinsen seit 4. Oktober 1966) anlangt, so kann der Verjährungseinrede der Beklagten keinesfalls ein Erfolg beschieden sein, weil für diesen Klageanspruch aus den vom Berufungsgericht aufgezeigten Gründen die 30jährige Verjährungszeit gilt (SZ 37/182 u v a). Dagegen vermag auch der Rekurs nichts vorzubringen. Die Rekurswerber sind jedoch der Meinung, daß die Sache auch in diesem Punkt iS der Entscheidung des Erstgerichts spruchreif sei, weil der Kläger gar nicht behauptet habe, eine seine Verschuldensquote übersteigende Schadenersatzleistung an den geschädigten Hausherrn erbracht zu haben. Sein ausgedehntes Klagebegehren sei, also in diesem Belange nicht schlüssig. Diesbezüglich kann den Rekursausführungen zwar Berechtigung nicht abgesprochen werden; das Berufungsgericht hat jedoch auch diese Rechtslage richtig erkannt, indem es ausführte, daß der Regreßanspruch des Klägers seine Behauptung voraussetze, den Schaden bereits ersetzt zu haben. Da das Berufungsgericht trotzdem hinsichtlich dieses Klageanspruches kein Teilurteil fällte, die Rechtsmittelinstanz der Vorinstanz aber die Erlassung eines Teilurteils nicht auftragen kann (vgl Fasching II 939; RZ 1959, 194), war der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichts auch in diesem Umfang zu bestätigen.

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