OGH 7Ob108/69

OGH7Ob108/6922.10.1969

SZ 42/159

Normen

Fernmeldegesetz §22 (2)
Fernmeldegesetz §22 (2)

 

Spruch:

Die Verweisung des § 22 (2) FernmeldeG. auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts umfaßt eine solche auf die Bestimmungen des ABGB. über Schadenersatz (§§ 1295 f.) - einschließlich § 1315 ABGB.

- und auf die Bestimmungen über das Nachbarrecht nach §§ 364 f.

ABGB.

Entscheidung vom 22. Oktober 1969, 7 Ob 108/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Villach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Der Kläger begehrt aus dem Titel des Schadenersatzes und auch auf Grund eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches von der Beklagten, einen Granitpfeiler seines Einfahrtstores, der sich infolge einer Verlegung von Telephonkabeln vor seinem Grundstück gesenkt habe, wieder aufzurichten und zu sichern. Die Beklagte wendete ein, sie sei weder Eigentümerin des Nachbargrundes noch habe sie selbst die Grabungsarbeiten durchgeführt, sie sei daher zur Klage nicht passiv legitimiert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen fest: Im Frühjahr 1966 wurden im Auftrag des Telegraphenbauamtes Klagenfurt in der am Grundstück des Klägers vorbeiführenden Straße Grabungsarbeiten zur Verlegung von Telephonkabeln von der Firma T. & Co. durchgeführt. Am 18. Juli 1967 teilte das Telegraphenbauamt dem Kläger mit, daß für alle Schäden, die anläßlich dieser Arbeiten auftraten, die ausführende Firma hafte, nach deren Stellungnahme der Pfeiler aber schon vorher geneigt gewesen sei. Es bestehe daher kein Kausalzusammenhang zwischen der Senkung des Pfeilers und den Arbeiten.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, die Beklagte hafte für die beauftragte Firma nur gemäß § 1315 ABGB., eine Untüchtigkeit des Unternehmens T. liege aber nicht vor und sei auch nicht behauptet worden. Ein aus dem Nachbarrecht entspringender Anspruch stehe dem Kläger gegenüber der Beklagten nicht zu, weil sie weder Eigentümerin des Straßengrundstückes sei, noch den störenden Eingriff vorgenommen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Es führte aus, für Schäden, die durch die Herstellung einer öffentlichen Fernmeldeanlage verursacht werden, sehe § 22 (2) Fernmeldegesetz eigene Haftungsbestimmungen vor. Danach hafte die Telegraphenverwaltung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Das könne nur eine Verweisung auf die Bestimmungen des Schadenersatzrechtes sein. Danach sei ein Verschulden für eine Haftung vorausgesetzt, und es bleibe kein Raum für eine aus dem Nachbarrecht entspringende Ersatzpflicht, wenn die Telegraphenverwaltung nicht gleichzeitig Eigentümerin des Nachbargrundstückes sei, von dem die Schadenszufügung ausgehe. Da der Kläger aber das Urteil, soweit es einen Anspruch nach dem Schadenersatzrecht verneinte, unbekämpft gelassen und sich nur auf nachbarrechtliche Ansprüche gestützt habe, sei die Berufung nicht begrundet.

Der Oberste Gerichtshof hob infolge Revision der klagenden Partei die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Kläger stützt sein Klagebegehren auf die Bestimmungen über Schadenersatz und über die nachbarrechtlichen Beziehungen. Wenn er auch das Urteil des Erstgerichtes nicht wegen der Verneinung eines Schadenersatzanspruches angefochten hat, so ist doch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu erörtern, ob eine dieser beiden Bestimmungen hier zur Anwendung kommt. Gemäß § 22 (2) FernmeldeG. haftet die Post- und Telegraphenverwaltung für Schäden, die durch Arbeiten zur Herstellung, Instandhaltung, Änderung oder Aufhebung einer Fernmeldeanlage verursacht werden, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Damit ist im vorliegenden Fall die Haftungsfrage abschließend geregelt, und es kann unerörtert bleiben, ob die beklagte Partei in Ausübung der Hoheitsverwaltung oder der Privatwirtschaftsverwaltung bei Verlegung des Kabels gehandelt hat. Nach den Bestimmungen des ABGB. über Schadenersatz (§§ 1295 f.) käme im vorliegenden Fall nur eine Haftung nach § 1315 ABGB. in Betracht, also wenn die beklagte Partei zur Durchführung der Arbeiten ein Unternehmen herangezogen hätte, das hiezu nicht geeignet ist. Das war nicht der Fall und wurde vom Kläger auch nicht behauptet.

Es ist daher noch die Frage zu erörtern, ob unter den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes, auf den § 22 FernmeldeG. verweist, auch die Bestimmungen über das Nachbarrecht gemeint sind. Hier kann den Ausführungen des Berufungsgerichtes, das sich auf die Ausführungen im Kommentar von Schaginger - Vavra stützt, nicht gefolgt werden. Der Hinweis auf § 41 (1) der deutschen Fernsprechordnung 1939 geht fehl, weil dort die Haftung ausdrücklich auf einen durch Verschulden verursachten Schaden beschränkt wurde. Gerade der Umstand, daß der Gesetzgeber im § 22 (2) FernmeldeG. nunmehr diese Beschränkung weggelassen hat und ganz allgemein auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes verweist, läßt erkennen, daß die Haftung nicht nur auf Verschulden beschränkt werden soll. Auch der Hinweis auf das Amtshaftungsgesetz geht fehl. In dessen § 1 wird zwar ebenfalls bestimmt, daß die Rechtsträger nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes haften, in der Folge aber ausdrücklich festgehalten, daß der Schaden durch ein rechtswidriges Verhalten schuldhaft zugefügt worden sein muß. Diese Einschränkung fehlt im § 22 (2) FernmeldeG. Es kann daher nicht aus der Unterlassung gefolgert werden, der Gesetzgeber habe eine gleiche Lösung der Haftungsfrage treffen wollen, wie in der früheren deutschen Fernsprechordnung oder im Amtshaftungsgesetz, sondern es muß vielmehr der gegenteilige Schluß gezogen werden, nämlich daß ganz allgemein nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes gehaftet wird. Dies besagt aber, daß auch die Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches über das Nachbarrecht, hier also insbesondere § 364b ABGB. zur Anwendung kommen. Danach darf ein Grundstück nicht in der Weise vertieft werden, daß der Boden oder das Gebäude des Nachbarn die erforderliche Stütze verliert.

Die Klage nach §§ 364 f. ABGB. richtet sich zwar grundsätzlich gegen den Grundnachbarn. Grundnachbar ist im vorliegenden Fall nicht die beklagte Partei, sondern die Gemeinde V. als Eigentümerin des Straßengrundes. Als Nachbar ist aber nicht nur der Grundnachbar anzusehen, sondern jeder, der durch Vorkehrungen auf dem Nachbargrundstück unzulässige Störungen hervorruft, sofern er diesen Grund für eigene Zwecke benützt (vgl. Klang in Klang; II 169, EvBl. 1966 Nr. 48, EvBl. 1964 Nr. 239, ZBl. 1932 Nr. 297). Die beklagte Partei ist daher für eine Klage nach § 364b ABGB. passiv legitimiert.

Da das Erstgericht, von seiner Rechtsansicht ausgehend, Feststellungen im Sinne obiger Ausführungen unterlassen hat, war wie im Spruch zu entscheiden.

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