OGH 5Ob247/69

OGH5Ob247/691.10.1969

SZ 42/143

Normen

Wohnbauförderungsgesetz §38
WEG §1
Wohnbauförderungsgesetz §38
WEG §1

 

Spruch:

§ 36 (2) WBFG. 1968 versteht unter der "Übertragung" der Eigentumswohnung erst die grundbücherliche Durchführung des den Erwerbstitel schaffenden Rechtsgeschäftes, nicht schon dessen Abschluß oder die faktische Übergabe der Wohnung.

Entscheidung vom 1. Oktober 1969, 5 Ob 247/69.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Der klagende Wohnhaus-Wiederaufbaufonds gewährte der beklagten Gemeinde zur ungeteilten Hand mit anderen Wohnungseigentümern ein Darlehen von 4.525.560 S, das innerhalb von 75 Jahren in halbjährlichen Tilgungsraten von 2/3% der Darlehenssumme, jeweils am 1. Jänner und 1. Juli eines jeden Jahres, beginnend ab 1. Jänner 1964. zurückzuzahlen war. Diese Darlehensforderung ist ob der Liegenschaft EZ. X hypothekarisch sichergestellt.

Mit Kaufvertrag vom 28. April 1961 verkaufte die beklagte Partei das Eigentum an den ihr gehörigen 191/4420 Anteilen dieser Liegenschaft an Otto R., der auch als Eigentümer im Grundbuch einverleibt wurde. Mit weiterem Kaufvertrag vom 13. Oktober 1967 kaufte die Beklagte diese Anteile wieder zurück. Dieser Kaufvertrag wurde mit rechtskräftigem Beschluß des BG. Hall vom 23. Februar 1968 verbüchert.

Die klagende Partei begehrt gemäß § 36 (2) Wohnbauförderungsgesetz 1968 15% des noch offenen Darlehensbetrages zurück. Die Höhe dieser Forderung zuzüglich der bis zum 31. Oktober 1968 aufgelaufenen Zinsen ist mit dem Klagebetrag unbestritten.

Das Erstgericht gab der Klage aus folgenden Erwägungen statt:

Wohnungseigentum im Sinne des § 1 WEG. sei ein dingliches Recht, das gemäß § 431 ABGB. nur durch Eintragung in die öffentlichen Bücher übertragen werden könne. § 36 (2) Wohnbauförderungsgesetz 1968 stelle auf den Eigentumserwerb in diesem Sinne ab. Es komme also nicht auf den Zeitpunkt des Kaufvertrages, sondern auf den der Verbücherung an. Im vorliegenden Fall sei die Verbücherung am 23. Februar 1968 geschehen. Da das Wohnbauförderungsgesetz 1968 am 1. Jänner 1968 in Kraft getreten sei, finde es auf den Rückverkauf der Wohnung an die beklagte Partei Anwendung. Das Klagebegehren sei demnach berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zufolge § 1 WEG. ist Wohnungseigentum das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte Recht auf ausschließliche Nutzung und alleinige Verfügung über bestimmte Wohnungen oder Geschäftsräume. Wie Borotha (Das Wohnungseigentumsgesetz S. 10) ausführt, kann die Wohnung als unselbständiger Bestandteil des Hauses und mit diesem zusammen als solcher des Gründes nicht Gegenstand eines vom Eigentum an der Hauptsache verschiedenen Eigentumsrechtes sein. Es besteht daher das Miteigentum sämtlicher Miteigentümer an der gemeinsamen Sache ungeteilt weiter. Die übrigen Miteigentümer begeben sich nur hinsichtlich der den Gegenstand des Wohnungseigentums bildenden Wohnung ihres Mitbestimmungsrechtes über die Nutzung an ihr und über die Verfügung über sie, und zwar zugunsten jenes Miteigentümers, dem diese Rechte ausschließlich übertragen werden. Jensik (Miteigentum - Wohnungseigentum S. 55) formuliert dies dahin, daß Wohnungsrecht ein besonders gestalteter Ausschnitt des Anteilsrechtes des Miteigentümers an der gemeinsamen Liegenschaft ist. Aus dieser Rechtsnatur des Wohnungseigentums folgt, daß die Vorschriften des ABGB. über das Miteigentum eingreifen, soweit keine Sonderregelung besteht.

Zur Übertragung des Miteigentums an unbeweglichen Sachen ist aber, wie überhaupt zur Übertragung des Eigentumsrechtes hieran, gemäß § 431 ABGB. außerdem Erwerbsgeschäft die Eintragung in die öffentlichen Bücher (Einverleibung) erforderlich. Der Oberste Gerichtshof hat im Jud. Nr. 186 alt mit aller Schärfe und Deutlichkeit ausgesprochen, daß der auf den Erwerb eines dinglichen Rechtes gerichtete Vertrag, solange er nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist, bloß einen Titel gewährt, aber nicht das Eigentum überträgt.

Es ist der Revision zuzugeben, daß die Lehre für den Fall des Vorliegens eines Titels und der wirklichen Übergabe ohne Einverleibung zahlreiche Theorien über die Wirksamkeit des Eigentumsübergangs aufgestellt hat (siehe die Zusammenstellung bei Klang im Komm.[2] II 357 ff.). Diese wenden sich gegen die schrankenlose Durchführung des Eintragungsprinzips nur deshalb, weil dieses im Verhältnis zum Vormann, zu dessen Einzelnachfolger oder dessen Gläubiger mitunter zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Die Rechtsprechung ist diesen Lehrmeinungen nur ausnahmsweise und zögernd gefolgt (siehe Klang a.a.O. S. 360 f.). Soweit dies beispielsweise darüber hinaus für den Sonderfall des § 70 (2) VersVG. geschehen ist, ist sie auf heftige Ablehnung gestoßen (JBl. 1960 S. 295 mit ausführlicher Kritik von Wahle).

Die Bestimmungen des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 (BGBl. Nr. 280/1967) geben keinen Anlaß, vom Eintragungsprinzip abzugehen. Nach dessen § 36 (2) sind gewisse Prozentsätze (im vorliegenden Fall 15%) der noch offenen Darlehensschuld sofort zurückzuzahlen, wenn eine Eigentumswohnung, die aus den Mitteln des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds errichtet wurde, durch Rechtsgeschäft unter Lebenden von dem jeweiligen Eigentümer auf einen mit diesem weder im Verhältnis eines Verwandten der geraden Linie noch in dem des Ehegatten stehenden Erwerber übertragen wird. Diese Bestimmung trat gemäß § 38 des Gesetzes mit 1. Jänner 1968 in Kraft. Das Gesetz hat also eine zeitliche Zäsur geschaffen: Übertragungen von mit Fondsmitteln erbauten Eigentumswohnungen an nicht begünstigte Personen waren bis zum 31. Dezember 1967 ohne Sanktion zulässig, ab 1. Jänner 1968 aber ziehen sie die im Gesetz näher geregelten Folgen nach sich. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß unter dem Übertragen des Eigentums bloß das den Titel für die Übertragung schaffende Rechtsgeschäft und nicht auch dessen grundbücherliche Durchführung verstanden werden sollte. Wäre dies die Absicht des Gesetzgebers gewesen, dann hätte er es angesichts des allgemein bekannten Wortlautes des § 431 ABGB. und der sich daran knüpfenden Problematik ohne Zweifel zum Ausdruck gebracht. Daß die Absicht des Gesetzgebers nicht dahin zielte, geht auch aus der Stellungnahme des federführenden Bundesministeriums für Bauten und Technik (ImZ. 1969 S. 91 f.) hervor. Den gegenteiligen Ausführungen Raudorfs (ImZ. 1969 S. 38, 55 und 135) kann daher nicht gefolgt werden. Es ist ihnen zwar einzuräumen, daß einzelne der darin vorgebrachten Argumente, so etwa hinsichtlich der Gegenüberstellung der Begriffe "Übertragung" und "Eintragung im Grundbuch" im § 3 des BG. vom 1. April 1969, BGBl. Nr. 101, für den Standpunkt dieses Autors sprechen, doch kann diesen Argumenten, die aus einem anderen Zwecken dienenden Gesetz abgeleitet werden, angesichts des grundsätzlichen Standpunktes der Rechtsprechung zur Frage der Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden.

Aus diesen Erwägungen kann aber auch den Revisionsausführungen zur Übertragung der faktischen Verfügung über die Eigentumswohnung keine Bedeutung zukommen. Die Beklagte hat zwar in erster Instanz behauptet, die tatsächliche Übergabe an sie sei schon im Jahre 1967 geschehen, doch sind die Untergerichte von ihrem zutreffenden Rechtsstandpunkt aus hierauf mit Recht nicht eingegangen.

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