OGH 5Ob241/69

OGH5Ob241/6924.9.1969

SZ 42/135

Normen

EO §381
EO §382
EO §390
EO §381
EO §382
EO §390

 

Spruch:

Die Frage der Anspruchsgefährdung nach § 381 EO. ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen; die gefährdete Partei muß eine konkrete Gefährdung ihres Anspruches bescheinigen.

Nach § 382 EO. kann nicht angeordnet werden, daß bestimmte Fahrnisse auch noch nach der Rechtskraft der Einantwortung in der Verwahrung des Gerichtskommissärs bleiben sollen.

Entscheidung vom 24. September 1969, 5 Ob 241/69.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Von 1945 bis zum Jahre 1955 wohnten die Klägerin und Ing. Rudolf B. im gleichen Haus in G. Sie waren befreundet. Die Klägerin besaß Schmuck, zu dem auch die Verlobungsringe ihrer Eltern - zwei Goldringe mit je drei Brillanten - gehörten, auf denen die Namen ihrer Eltern und deren Verlobungsdatum eingraviert waren. Einen Ring überließ die Klägerin leihweise Ing. B. auf Lebensdauer, weil ihm der Ring gut gefiel, doch verpflichtete sich Ing. B. der Klägerin jederzeit über Aufforderung den Ring zurückzugeben. So war es zwischen der Klägerin und Ing. B. abgesprochen. Daß er diesen Ring, der zusammen mit dem zweiten Verlobungsring einmal der Tochter der Klägerin gehören sollte, nur auf Lebensdauer geborgt erhielt, äußerte sich Ing. B. selbst einmal gegenüber Ferry K. äußerte sich Ing. B. selbst einmal gegenüber Ferry K. Auch Gilbert S. war anwesend, als die Klägerin und Ing. B. darüber sprachen, daß der Ring nur geborgt sei.

Im Jahre 1952 wollte sich Ing. B. an einem Unternehmen beteiligen. Da er finanziell in einer schlechten Lage war, wendete er sich um Unterstützung an die Klägerin. Diese verkaufte damals Schmuck, um den Erlös Ing. B. zur Verfügung zu stellen. Da aus der beabsichtigten Geschäftsbeteiligung aber nichts wurde, Ing. B. auch das Geld "momentan" nicht benötigte, legte die Klägerin den durch den Verkauf ihres Schmucks erzielten Betrag von 30.000 S auf ein auf ihren damaligen Namen Margarete S. lautendes Sparbuch der A.-Bank ein. Mit ihrer Zustimmung nahm Ing. B., dem die Klägerin das Sparbuch ausgefolgt hatte, nach Belieben Abhebungen daraus darlehensweise vor; er legte aber immer wieder Geldbeträge ein, so daß die Einlage des Sparbuches immer wieder 30.000 S betrug.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, der Ausfolgung eines goldenen Ringes mit 3 Brillanten mit Namens- und Datumsgravuren sowie des Sparbuches der A.-Bank Nr. 364.367, die sich in der Verwahrung des öffentlichen Notars Dr. Z. befinden, an sie zuzustimmen oder ihr die angeführten Sachen auszufolgen. In eventu wird begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, der Klägerin die Beträge von 30.728.31 S (Spareinlage) samt 3 1/2% Zinsen seit 12. Dezember 1968 und von 5000 S (Wert des Ringes) samt 4% Zinsen seit 12. Dezember 1968 zu zahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß die Klägerin Eigentümerin des Ringes sowie des Sparbuches sei.

Die Klägerin beantragt ferner, zur Sicherstellung ihres Anspruches auf Herausgabe eines Ringes und eines Sparbuches dem öffentlichen Notar Dr. Z. als Gerichtskommissär in der Verlassenschaftssache nach dem am 12. Dezember 1968 verstorbenen Ing. B. aufzutragen, den bei ihm verwahrten goldenen Ring mit drei Brillanten und mit Namens- und Datumsgravuren sowie ein Sparbuch der A.-Bank Nr. 23-630-518/285.631 (alte Nummer 364.367), lautend auf den Namen Margarete S. mit Losungswort, mit einer Einlage von 30.728.31 S weiterhin in Verwahrung zu halten und bis auf weitere gerichtliche Anordnung nicht herauszugeben. Der Beklagten werde verboten, über diese Gegenstände zu verfügen. Sie stützt ihren Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung darauf, daß die Beklagte sich weigere, den der Klägerin gehörigen Ring und das Sparbuch ihr auszufolgen. Da die Einantwortung des Nachlasses bevorstehe, bestehe die Gefahr, daß die Beklagte das Sparbuch auflöse und den Ring veräußere. Ihr Anspruch könnte dadurch vereitelt werden.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm als bescheinigt an, daß der Ring und das Sparbuch Eigentum der Klägerin seien. Der Ring sei Ing. B. nur auf Lebensdauer zum Gebrauch überlassen worden, aber Eigentum der Klägerin verblieben. Über das Sparbuch habe Ing. B. nur als Darlehensnehmer verfügen dürfen. Aber auch die Gefährdung des Anspruches sei bescheinigt; die Beklagte sei auf Grund der bevorstehenden Einantwortung des Nachlasses in der Lage, über die zum Nachlaß gehörigen Gegenstände zu verfügen.

Das Rekursgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen zur Gänze und erachtete auch den Herausgabeanspruch als bescheinigt. Hingegen sei eine Bescheinigung der Gefährdung des Anspruches nicht erbracht worden. Bei den nicht in Geld bestehenden anderen Forderungen im Sinne des § 381 EO. sei die Besorgnis der erheblichen Erschwerung oder Vereitlung der gerichtlichen Verfolgung oder der Verwirklichung des Anspruches (§ 381 Z. 1 EO.) oder die Drohung der Gewalt oder des unwiederbringlichen Schadens (§ 381 Z. 2 EO.) nicht schon bei jeder bestehenden abstrakten oder theoretischen Möglichkeit der erwähnten Erschwerung oder Vereitlung anzunehmen, vielmehr müsse eine konkrete Gefährdung vorliegen. Die Bestreitung des Anspruches oder die Verweigerung der Leistung allein erfülle nicht das Erfordernis einer konkreten Gefährdung. Die Klägerin habe nichts anderes vorgebracht, als daß der Beklagten die Verwaltung und Besorgung des Nachlasses überlassen worden sei, was nicht richtig sei, und daß ferner das Verlassenschaftsverfahren vor dem Abschluß stehe und die Beklagte mit der Einantwortung in die Lage versetzt werde, über den Nachlaß zu verfügen. Damit bestehe die Gefahr, daß die Beklagte den Ring verkaufe und daß sie das Sparbuch realisiere. Das Vorbringen der Klägerin rechtfertige aber nicht eine konkrete Gefährdung, die durch eine Sicherheitsleistung auch nicht ersetzt werden könne. Mangels Behauptung und Bescheinigung einer konkreten Gefährdung sei der Anspruch der Klägerin nicht gerechtfertigt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen ist der Anspruch der Klägerin auf Herausgabe eines Ringes und des gegenständlichen Sparbuches hinreichend bescheinigt. Allein der Rekurswerberin entgeht, daß das von ihr beantragte Sicherungsmittel in der vorliegenden Form nicht statthaft ist. Unter den im § 382 EO. demonstrativ aufgezählten Sicherungsmitteln sind die gerichtliche Hinterlegung und die Anordnung einer Verwahrung angeführt. Die Verwaltung und Verwahrung beweglicher Sachen kann auch unter sinngemäßer Anwendung anderer für das Exekutionsverfahren geltender Vorschriften erfolgen (Walker, Österr. Exekutionsrecht[4] S. 374). Es könnte die Bestellung einer dritten Person als Verwahrer beantragt werden. Es kann aber nicht angeordnet werden, daß Fahrnisse in der Verwahrung des Gerichtskommissärs über den Zeitpunkt der Beendigung seiner Funktion, nämlich nach der Rechtskraft der Einantwortung, verbleiben.

Strittig ist die Frage der Gefährdung des als bescheinigt angenommenen Anspruches. Diesbezüglich gelangt, da keine Geldforderung gesichert werden soll, § 381 EO. zur Anwendung. Nach der angeführten Gesetzesstelle können zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldforderungen einstweilige Verfügungen getroffen werden, wenn 1. zu besorgen ist, daß sonst die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung des Anspruches, insbesondere durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes, vereitelt oder erheblich erschwert werden würde, oder 2. wenn derartige Verfügungen zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen.

Der Klägerin ist zuzubilligen, daß in der Judikatur zum Teil die Auffassung vertreten wurde, daß die nach § 381 Z. 1 EO. geforderte objektive Gefährdung des Anspruches schon dann gegeben sei, wenn eine Vereitlung oder erhebliche Erschwerung der Rechtsverfolgung nur abstrakt droht (SZ. XXVIII 215, SZ. XXXIII 78).

Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (EvBl. 1964 Nr. 371, JBl. 1970 S. 322, MietSlg. 21.913 u. a.) hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß bei der Beurteilung der Frage der Anspruchsgefährdung im Sinne des § 381 EO. jeweils auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen ist. Da § 381 EO. die Worte "besorgen" und "drohen" enthält, müssen noch Umstände vorliegen, die ohne Bewilligung der einstweiligen Verfügung die Vereitlung oder Gewaltanwendung als wahrscheinlich, somit eine konkrete Gefährdung als gegeben erscheinen lassen. Von dieser Auffassung abzugehen, bieten die Ausführungen der Rekurswerberin keinen Anlaß.

Im vorliegenden Fall stützt die Klägerin den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung darauf, daß der Beklagten die Verwaltung und Besorgung des Nachlasses überlassen wurde. Das trifft aber nicht zu, weil das Verlassenschaftsgericht der Beklagten die Verwaltung und Besorgung des Nachlasses nicht überließ. Daß die Beklagte sich aber weigert, den gegenständlichen Ring und das in Betracht kommende Sparbuch auszufolgen, stellt noch keine konkrete Anspruchsgefährdung dar. Aber auch der Umstand, daß die Einantwortung des Nachlasses bevorsteht und die Beklagte nach der Einantwortung in die Lage versetzt wird, über das Sparbuch und den Ring zu verfügen, führt für die Klägerin zu keinem günstigeren Ergebnis. Daß sich nämlich die Beklagte durch die Realisierung des Sparbuches sowie durch den allfälligen Verkauf des Ringes ihren Verbindlichkeiten entziehen könnte, ist weder behauptet noch bescheinigt worden.

Dem Rekursgericht ist auch beizutreten, daß nach § 390 EO. die fehlende Bescheinigung einer Gefahr, wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Neumann - Lichtblau, Kommentar zur Exekutionsordnung[3], 2. Band S. 1241) ausgesprochen hat (GlUNF. 7104, 5 Ob 161/62 u. a.), nicht durch die Auferlegung einer Sicherheitsleistung ersetzt werden kann.

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