Normen
Mietengesetz §19 (2) Z11
Mietengesetz §19 (2) Z11
Spruch:
Das Eintrittsrecht nach § 19 (2) Z. 11 MietG. steht nur dem "Lebensgefährten" (der "Lebensgefährtin") des verstorbenen Hauptmieters zu, nicht aber auch einem Neffen der Hauptmieterin, der von dieser aufgezogen wurde und mit ihr in Haushaltsgemeinschaft lebte.
Entscheidung vom 17. September 1969, 5 Ob 231/69.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Die Klägerin ist Alleineigentümerin eines Hauses in G. Hauptmieterin der im ersten Stock des angeführten Hauses gelegenen, aus zwei Wohnräumen samt Küche bestehenden Wohnung war bis zu ihrem Ableben am 4. November 1968 Rosa U. Mit ihr wohnte der Beklagte als Ziehsohn, der bis zu seiner Großjährigkeit unter der Vormundschaft seiner Tante Rosa U. stand. Ihre Verlassenschaft wurde vom BG. Leibnitz ihrer ehelichen Tochter Edeltraude P. eingeantwortet, die bereits seit 2. August 1957 über eine eigene Wohnung verfügt. Edeltraude P. erklärte am 7. Feber 1969 gegenüber dem Vertreter der Klägerin, Dr. Walter K., daß sie zwar Universalerbin ihrer Mutter sei, in die Mietrechte nach ihr aber nicht eintrete.
Der Beklagte hatte seinen Vater im Krieg verloren. Er lebte mit seiner Mutter bis zu deren Ableben am 3. Dezember 1955 in der gegenständlichen Wohnung zusammen. Dann kam er unter die Vormundschaft seiner Tante Rosa U., einer Schwester seiner Mutter, die Hauptmieterin der Wohnung war. Die Vormundschaft endete mit seiner Großjährigkeit am 13. April 1963. Bis zum 2. August 1957 lebte auch noch die eheliche Tochter der Rosa U. bei ihr, die sich seit damals in G., D.-Platz 7, aufhält.
Rosa U. bezog zuletzt eine Rente von etwa 1800 S bis 1900 S, während der Beklagte nach seinem Vater und nach seiner Mutter je eine Waisenrente erhielt und während seines Studiums auch ein Stipendium hatte. Beiden standen etwa 4000 S monatlich zur Verfügung. Darüber hinaus verdiente der Beklagte durch Ferialarbeiten. Auch diesen Verdienst stellte er seiner Tante für die gemeinsame Lebensführung zur Verfügung. Beide lebten und wirtschafteten in der Wohnung gemeinsam, wobei Rosa U. den Haushalt führte, während sich der Beklagte auf seinen Beruf vorbereitete.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, die im ersten Stock des Hauses rechts vom Vorzimmer gelegene, aus zwei Wohnräumen samt Küche bestehende Wohnung zu räumen. Die Klage wird darauf gestützt, daß der Beklagte nicht zum Personenkreis der nach § 19 (2) Z. 11 MietG. eintrittsberechtigten Angehörigen zu zählen sei und demgemäß keinen Rechtstitel für die Benützung der Wohnung besitze.
Der Beklagte wendete ein, er sei als eintrittsberechtigt im Sinne des § 19 (2) Z. 11 MietG. anzusehen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß der Beklagte nicht dem Personenkreis des § 19 (2) Z. 11 MietG. zuzuzählen sei. Darunter falle nur der Lebensgefährte, der in einem eheähnlichen Verhältnis mit der verstorbenen Hauptmieterin gelebt habe. Die Personen verschiedenen Geschlechtes müßten den Willen besitzen und erklären, in einer unzertrennlichen Gemeinschaft zu leben, allenfalls Kinder zu zeugen, sie zu erziehen und einander gegenseitig Beistand zu leisten. Einen solchen Inhalt habe die zwischen dem Beklagten und seiner Tante bestandene Lebensgemeinschaft nicht gehabt. Ausgehend vom Schutzgedanken des Mietengesetzes, könne dem Beklagten aber dennoch im Wege der Analogie geholfen werden. Dem Beklagten sei das gleiche Schutzbedürfnis zuzubilligen wie den nahen Angehörigen des § 19 (2) Z. 11 MietG. Der Beklagte sei per analogiam als naher Angehöriger der Verstorbenen im Sinne des § 19 (2) Z. 11 MietG. anzusehen, und er habe somit als Eintrittsberechtigter zu gelten. Der Beklagte sei damit Hauptmieter der Wohnung nach dem Tode seiner Tante geworden, so daß er die gegenständlichen Räume nicht titellos benütze.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen zur Gänze und billigte die Auffassung des Prozeßgerichtes, daß der Beklagte nicht dem Personenkreis des § 19 (2) Z. 11 MietG. zuzuzählen sei. Entgegen dem vom Prozeßgericht eingenommenen Standpunkt seien aber die Voraussetzungen für einen Analogieschluß nicht gegeben. Die Anwendung des § 7 ABGB. setze voraus, daß der Fall im Gesetz nicht geregelt sei, somit eine Gesetzeslücke bestehe. Die Vorschrift des § 19 (2) Z. 11 MietG. bestimme aber, daß eintrittsberechtigt die nahen Angehörigen seien, und das Gesetz zähle in der Folge die Personen taxativ auf, die unter den nahen Angehörigen zu verstehen seien. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe sich somit eindeutig, welchen Personen vom Gesetzgeber ein Eintrittsrecht zuerkannt worden sei. In einem solchen Fall könne im Weg der Analogie keine andere Person als naher Angehöriger angesehen und ihr ein Eintrittsrecht zuerkannt werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Ein Eintrittsrecht im Sinne des § 19 (2) Z. 11 MietG. in der Fassung des MietrechtsänderungsG. besteht, wenn die vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Hauptmieters einem dringenden Wohnbedürfnis bestimmter Personen dienen. Eintrittsberechtigt sind die in der angeführten Gesetzesstelle näher bezeichneten Angehörigen und, sofern solche nahe Angehörige nicht vorhanden oder nicht eintrittsberechtigt sind, die Person, die mit dem Hauptmieter bis zu seinem Tod durch mindestens fünf Jahre hindurch in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt hat.
Nicht beigetreten werden kann dem Revisionswerber, daß zu den Personen, die mit dem bisherigen Hauptmieter bis zu seinem Tod durch mindestens fünf Jahre in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft lebten, auch der Neffe der verstorbenen Hauptmieterin zähle. Wenngleich der Gesetzestext für das Eintrittsrecht eine in "wirtschaftlicher Hinsicht" gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft voraussetzt, so ergibt sich schon daraus, daß es sich um eine gleich einer "Ehe" eingerichtete Haushaltsgemeinschaft handeln muß, daß die Grundsätze der Lebensgemeinschaft für das Eintrittsrecht von Belang sein sollten. Von einer gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft kann nur dann gesprochen werden, wenn neben dem gemeinsamen Wohnen und Wirtschaften persönliche Bindungen zwischen den an der Haushaltsgemeinschaft beteiligten Lebensgefährten bestehen, die denen einer ehelichen Lebensgemeinschaft gleichkommen. Das trifft aber nur zwischen den sogenannten Lebensgefährten zu, nicht aber dann, wenn die Tante, die ihren Neffen großgezogen hat, mit ihm einen gemeinsamen Haushalt führt.
Daß der Gesetzgeber nur der Lebensgefährtin oder dem Lebensgefährten ein Eintrittsrecht nach § 19 (2) Z. 11 MietG. einräumen wollte, ergibt sich auch aus seinem in den erläuternden Bemerkungen zum Mietrechtsänderungsgesetz festgehaltenen Willen (500 der Beilagen zu den sten. Prot. des NR. XI. GP. zu Art. I Z. 25 bis 27). Danach war seit dem Wirksamwerden der Verordnung vom 5. September 1939, DRGBl.
I S. 1671, die Rechtslage so, daß zwar die Wirtschaftsführerin (die Lebensgefährtin) in die Mietrechte des Mieters eintreten konnte, wenn die Haushaltsgemeinschaft (die Lebensgemeinschaft) zu Lebzeiten des Mieters aufgelöst wurde (Z. 10), daß das Eintrittsrecht aber nicht bestand, wenn diese Gemeinschaft bis zum Tod des Mieters dauerte. Diese Rechtslage wurde als unbefriedigend angesehen, da dem Lebensgefährten ein Schutz nur dann gewährt werden soll, wenn die Lebensgemeinschaft bis zum Tod seines Partners besteht, und nicht dann, wenn sie vorher in Brüche geht. Diesen Erwägungen trägt der Entwurf (zum MietrechtsänderungsG.) Rechnung, wobei überdies auch die bisherige Schlechterstellung des Lebensgefährten beseitigt wurde.
Im übrigen wurde die Umschreibung der Lebensgemeinschaft als einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft bei der Novellierung des § 19 (2) Z. 11 MietG. nur deshalb gewählt, um zu vermeiden, daß das Eintrittsrecht von der Erhebung der Geschlechtsbeziehungen abhängig gemacht werde (500 der Beilagen zu den sten. Prot. des NR. XI. GP. zu Art. I Z. 25 bis 27). Die vom Revisionswerber vertretene Auffassung, daß es genüge, wenn zwei Personen, gleichgültig ob sie Lebensgefährten sind oder nicht, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse so gestalten, wie sie gemeiniglich Ehegatten zu gestalten pflegen, um das Eintrittsrecht zu begrunden, wird auch im Schrifttum abgelehnt. Zingher, Das Mietengesetz[14] S. 131 Punkt 3 und Czech - Michlmayr, Das neue Wohnungsrecht, II. Teil S. 48 billigen nur dem Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin das Eintrittsrecht nach § 19 (2) Z. 11 MietG. zu.
Aber auch für eine analoge Anwendung des Eintrittsrechtes nach § 19
(2) Z. 11 MietG. auf den Neffen der verstorbenen Hauptmieterin besteht keine Handhabe. Nach der Bestimmung des § 19 (2) Z. 11 MietG. in der Fassung BGBl. Nr. 872/1922 waren eintrittsberechtigt alle Personen, die schon bisher mit dem Hauptmieter in der Wohnung wohnten. Durch die Mietengesetznovelle 1929, BGBl. Nr. 210/1929, wurde der Kreis der eintrittsberechtigten Personen auf die Ehegattin, bestimmte nahe Verwandte und die Wirtschaftsführerin eingeschränkt. Damit wurde der Personenkreis erschöpfend aufgezählt, der in das Mietverhältnis des verstorbenen Hauptmieters eintreten soll. Bei der erschöpfenden Aufzählung, die eine ausdehnende Auslegung nicht zuläßt, ist es in den folgenden gesetzlichen Regelungen verblieben. Auch die Regelung des § 19 (2) Z. 11 MietG. in der Fassung des MietrechtsänderungsG. läßt für eine ausdehnende Auslegung oder eine Analogie keinen Raum.
Da der Beklagte zur Benützung der von seiner verstorbenen Tante gemieteten Räume keinen Rechtstitel besitzt, erweist sich seine Rechtsrüge als nicht gerechtfertigt.
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