OGH 7Ob148/69

OGH7Ob148/6910.9.1969

SZ 42/123

Normen

B-VG Art87 (3)
GOG §26
JN §1
ZPO §477 (1) Z1
B-VG Art87 (3)
GOG §26
JN §1
ZPO §477 (1) Z1

 

Spruch:

Das Gericht hat im streitigen Verfahren über den Wohnungsanspruch der Ehegattin und über etwaige Eingriffe in diesen Anspruch als Teil des Unterhaltsanspruches zu entscheiden.

Ein Verstoß gegen die Geschäftsverteilung muß nicht eine Nichtigkeit nach sich ziehen.

Entscheidung vom 10. September 1969, 7 Ob 148/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind miteinander verheiratet. Das Erstgericht erließ durch einen für das außerstreitige Verfahren zuständigen Richter auf Antrag der Ehefrau eine einstweilige Verfügung, womit dem Ehemann verboten wurde, über die Hauptmietrechte an der Ehewohnung zu verfügen.

Anläßlich des Rekurses des Ehemannes hob das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichts als nichtig auf und trug ihm auf, durch den für das streitige Verfahren zuständigen Richter der Geschäftsabteilung 6 neuerlich über den Antrag zu entscheiden. Es führte im wesentlichen aus, der Anspruch der gefährdeten Partei auf die Ehewohnung sei als Teil des Unterhaltsanspruchs im Zivilprozeß zu verfolgen. Die gefährdete Partei habe inzwischen auch die Klage eingebracht. Zur Entscheidung über einen Antrag sei daher der Richter der Abteilung 6 des Bezirksgerichtes Fünfhaus zuständig, nicht aber der Leiter der Gerichtsabteilung 3. der die einstweilige Verfügung erlassen habe. Ein Verstoß gegen die Geschäftsverteilung begrunde eine Nichtigkeit nach § 477 (1) Z. 2 ZPO., denn es werde damit gegen das Verfassungsgebot der Art. 83 (2) und 87 (3) B.-VG. verstoßen.

Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem auf, in der Sache zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der von der gefährdeten Partei erhobene Revisionsrekurs ist nach § 527 (2) ZPO., der gemäß §§ 78, 402 EO. auch im Verfahren über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung anzuwenden ist, zulässig, weil das Rekursgericht seinem Beschluß einen Rechtskraftvorbehalt beigefügt hat, er ist auch begrundet.

Ob es sich im vorliegenden Fall um die Beistellung einer Wohnung für die Ehefrau oder um einen Eingriff in ihr ebenfalls aus dem Unterhaltsanspruch entspringendes Mitbenützungsrecht an der ehelichen Wohnung handelt, ist im Ergebnis ohne wesentliche Bedeutung. Die Ehefrau kann die Hilfe des Gerichtes in Anspruch nehmen. Es ist dem Rekursgericht beizustimmen, daß das Gericht im streitigen Verfahren über den Wohnungsanspruch der Ehegattin und über etwaige Eingriffe in diesen Anspruch als Teil des Unterhaltsanspruches zu entscheiden haben wird. Gemäß § 387 (2) EO. ist für einstweilige Verfügungen, die vor Einleitung des Rechtsstreites beantragt werden, das Bezirksgericht zuständig, bei dem der Gegner der gefährdeten Partei seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat. Falls die einstweilige Verfügung vor Einleitung eines Gerichtshofverfahrens beantragt wird, ist es überhaupt unmöglich, daß der spätere Streitrichter darüber entscheidet. Es wird vielmehr der Richter des Bezirksgerichtes darüber zu entscheiden haben, dem nach der Geschäftsverteilung dieses Gerichts Entscheidungen über einstweilige Verfügungen, die vor Einleitung eines Rechtsstreites beantragt wurden, zugewiesen sind. Dieser Richter hat, ob er nun "Streitrichter" oder "Außerstreitrichter" ist, bei seiner Entscheidung die Bestimmungen der Exekutionsordnung anzuwenden. Selbst wenn Oberlandesgerichtsrat Dr. L. nach der Geschäftsverteilung zur Entscheidung über die einstweilige Verfügung nicht zuständig war, liegt entgegen der Meinung des Rekursgerichtes eine Nichtigkeit nicht vor.

Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 5. Juli 1966, 8 Ob 158/66 (= JBl. 1966 S. 616) eingehend ausgeführt hat, legt Art. 87 (3) B.-VG. zwar fest, daß die Geschäfte unter die Richter eines Gerichtes für eine bestimmte Zeit im voraus zu verteilen sind, ein Verstoß gegen die Geschäftsverteilung muß aber nicht eine Nichtigkeit nach sich ziehen. Selbst die Entscheidung eines anderen als des für die Sache zuständigen Gerichtes ist in der Regel nicht mit Nichtigkeit behaftet. Gerade bei Bezirksgerichten nimmt die Bestimmung des § 26 GOG. dem Mangel in der Gerichtsbesetzung durch Nichteinhaltung der Geschäftsverteilung den Charakter einer Nichtigkeit. Die genannten Bestimmungen des Bundesverfassungsgesetzes sollen grundsätzlich verhindern, daß von der Verwaltungsbehörde etwa aus politischen Erwägungen eine Sache dem Richter dem sie nach der Geschäftsverteilung zufallen würde, abgenommen und einem genehmeren Richter oder Gericht zugewiesen wird. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Oberste Gerichtshof hat bis in die jüngste Zeit an dieser seiner Rechtsmeinung festgehalten (vgl. 5 Ob 325/66, 6 Ob 77/69); es besteht kein Anlaß, davon abzugehen.

Das Rekursgericht wird daher über den vom Gegner der gefährdeten Partei erhobenen Rekurs sachlich zu entscheiden haben.

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