OGH 1Ob148/69

OGH1Ob148/6928.8.1969

SZ 42/119

Normen

Wiener Garagengesetz §10
Wiener Garagengesetz §10

 

Spruch:

Zum Unterschied zwischen Gebrauchshandlungen und Verwaltungshandlungen. Charakteristisch für Verwaltungshandlungen ist, daß sie sich als Maßregeln einer Geschäftsführung im Interesse aller Gemeinschafter bzw. der Gemeinschaft als solcher darstellen oder wenigstens darstellen sollen.

Entscheidung vom 28. August 1969, 1 Ob 148/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

An der Gartenseite des im Wohnungseigentum stehenden Hauses H.- Straße 46/2 in Wien befinden sich drei nebeneinanderliegende Garagen (G 1, G 2 und G 3), denen ein einerseits von der Hausmauer, andererseits von einer 10 - 12 cm hohen Bordkante umgebener, mit der Straße durch eine Zufahrt verbundener Vorplatz vorgelagert ist.

Der Kläger brachte vor, er sei Eigentümer der Wohnung Nr. 2 in diesem Haus sowie der Garagen G 1 und G 2; die beiden Beklagten seien Eigentümer der Wohnung Nr. 6, verfügten aber nicht über eine Garage; sie behinderten ihn nun dadurch in der Benützung seiner Garagen, daß sie ihre Kraftfahrzeuge auf dem Garagenvorplatz derart abstellten, daß sie den Wendeplatz vor seinen Garagen verstellten; dies sei gesetzwidrig, weil der Vorplatz nach den baupolizeilichen Konsensplänen nicht als Kraftfahrzeugeinstellplatz genehmigt sei. Hierauf gestützt begehrte der Kläger, die Beklagten schuldig zu erkennen, das Abstellen von Fahrzeugen vor den Garagen G 1 und G 2 zu unterlassen.

Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, daß sie ihre Fahrzeuge nur vor der Einfahrt in die Garage G 3 abstellten; nicht einmal die Benützer dieser Garage würden dadurch behindert, da der gesamte Vorplatz etwa 165 m2 groß sei, geschweige denn der Kläger; da der Vorplatz nicht als Garagenzufahrt oder Wendeplatz gewidmet sei, sei das Abstellen der PKWs der Beklagten nicht gesetzwidrig; beim Vorplatz handle es sich zudem um eine Fläche, die in der Benützung der Eigentümergemeinschaft stehe.

Der Erstrichter erkannte die Beklagten schuldig, das Abstellen von Fahrzeugen auf dem Garagenvorplatz vor den Garagen G 1 bis G 3 mit Ausnahme einer Teilfläche von 7 mal 4.5 m (gemessen von der nördlichen bzw. westlichen Begrenzung) zu unterlassen, wobei jedoch auch das Abstellen auf letzterer Teilfläche zu unterlassen ist, wenn auf dem Rest des Garagenvorplatzes Fahrzeuge dritter Personen abgestellt sind; das Mehrbegehren wies er ab. Die Begründung seines Urteils läßt sich wie folgt zusammenfassen. Die Beklagten hätten einen Cortina KKW (4.27 m lang, 1.59 m breit) und einen Rover 2000 (4.53 m lang, 1.68 m breit), die sie auf dem Garagenvorplatz, dessen Lage sich aus den vom Sachverständigen angefertigten Skizzen ergebe, in verschiedener Weise abstellten; der Vorplatz sei 8 m breit und setze sich nach einem rechtwinkeligen Knick nach rechts in einer Breite von 3 m fort; der Knick beginne nach 11.5 m auf der rechten Seite von der Garage aus gesehen, nach 14.5 m von der linken Seite aus gesehen; falls die Fahrzeuge der Beklagten in der in den Skizzen mit I, II und V angegebenen Stellung stunden, müsse der Kläger - dieser besitze einen Fiat 1100 (3.77 m lang, 1.46 m breit) und einen Puch 500 (2.96 m lang, 132 m breit) - beim Rückwärtsausfahren mit dem Fiat 1100 einmal gegen die westliche Begrenzung des Garagenvorplatzes zurückschieben und einmal vorfahren, um dann ungehindert abfahren zu können; bei den Stellungen III, IV, VI und VII sei zweimaliges Reversieren nötig; in der Nacht werde der Garagenvorplatz von einer Peitschenleuchte beleuchtet; die Ausfahrt bei Dunkelheit sei schwieriger, weil am PKW. des Klägers keine Rückfahrscheinwerfer vorhanden seien; bei den Fahrzeugstellungen III, IV, VI und VII sei dann ein dreimaliges Reversieren nötig, wobei jedenfalls eine Benutzung des unmittelbar vor der Einfahrt der Garage G 3 liegenden Fahrstreifens erforderlich sei; bei letzteren vier Stellungen sei sowohl bei Tageslicht als auch bei Dunkelheit bei der Ausfahrt aus den Garagen des Klägers besondere Aufmerksamkeit nötig; sie erübrige sich bei den Stellungen I, II und V; der Kläger könne verlangen, daß die Beklagten ein Abstellen ihrer Fahrzeuge nach den Stellungen III, IV, VI und VII unterließen, weil es sich bei dem Garagenvorplatz um den Teil eines Verbindungsweges im Sinn des § 10 des Wiener Garagengesetzes handle; die Zufahrt sei Bestandteil des Rechtes auf alleinige Benützung der Garagen G 1 und G 2, sie dürfe daher von anderen Wohnungseigentümern nicht behindert werden; eine Behinderung stelle eine Rechtswidrigkeit dar; nur bei den Fahrzeugstellungen I, II und V trete keine Behinderung des Klägers auf, dementsprechend sei der Urteilsspruch begrenzend zu fassen gewesen; dabei sei zwar zu beachten, daß der Kläger in seinem Urteilsbegehren ausdrücklich nur die Fahrstreifen vor den Garagen G 1 und G 2 genannt habe, es ergebe sich aber aus dem Klagsvorbringen, daß er die Unterlassung des Abstellens auf dem ganzen Abstellplatz anstrebe, wie ja auch beim Reversieren die Benützung des Streifens vor der Garage G 3 nötig werde; der Urteilsspruch sei deshalb deutlicher zu fassen gewesen.

Dieses Urteil wurde nur vom Kläger bekämpft. Das Berufungsgericht gab seiner Berufung Folge und verurteilte die Beklagten dazu, das Abstellen von Fahrzeugen auf dem gesamten Garagenvorplatz vor den Garagen G 1 bis G 3 zu unterlassen. Es ging davon aus, daß die Rechtsansicht des Erstrichters bezüglich der Zulässigkeit der Neufassung des Urteilsspruches von den Beklagten nicht bekämpft worden sei, weshalb die Klage nach dem Willen beider Teile so aufzufassen sei, daß sie sich auf den gesamten Garagenvorplatz beziehe. Im übrigen knüpfte es an die Feststellung des Erstrichters an, der Garagenvorplatz sei ein Verbindungsweg im Sinn des § 10 des Wiener Garagengesetzes; sie sei nicht bekämpft worden und nach Lage und Anordnung des Platzes auch richtig; da Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen nach § 10 (1) des Wiener Garagengesetzes einen Verbindungsweg zur öffentlichen Verkehrsfläche haben müßten, der eine leichte und sichere Zufahrt und Abfahrt gewährleiste, komme es nicht darauf an, ob ein besonders geschickter oder ein durchschnittlicher Fahrer den Verbindungsweg ohne größere Schwierigkeiten befahren könne, sondern nur darauf, ob die Zu- und Abfahrt an sich leicht sei; gemäß § 26 des Wiener Garagengesetzes dürften Verbindungswege nicht verstellt werden; es handle sich dabei um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Hauseigentümers, deren Einhaltung gemäß § 46 des Wiener Garagengesetzes durch Strafen erzwungen werden könne; aus diesem Grund seien die Eigentümer nicht berechtigt, eine Vereinbarung dahin zu treffen, daß der Verbindungsweg als Abstellplatz verwendet werde; im vorliegenden Fall verstoße das Abstellen der Fahrzeuge der Beklagten auf dem Verbindungsweg gegen § 26 des Wiener Garagengesetzes; das Verhalten der Beklagten als Miteigentümer sei als rechtswidriger Eingriff in die Rechte der übrigen Miteigentümer anzusehen, weil letztere dadurch der Gefahr einer Bestrafung durch die Verwaltungsbehörde ausgesetzt würden; zur Abwehr von Rechtswidrigkeiten, und zwar nicht nur von solchen Außenstehender, sondern auch solcher von Miteigentümern, sei aber nach der Judikatur jeder Miteigentümer berechtigt; es sei zwischen den Gebrauchs- und den Verwaltungsrechten der Miteigentümer zu unterscheiden; sofern die gemeinschaftliche Sache eine unbeschränkte Gebrauchsmöglichkeit gewähre, könne jeder Teilhaber ohne Zustimmung der übrigen diesen Gebrauch ausüben; bei beschränkter Gebrauchsmöglichkeit könne er insoweit Gebrauch machen, als er dadurch den Gebrauch der anderen nicht störe; zu den Verwaltungshandlungen hingegen gehörten jene Maßregeln, die in tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung eine Änderung des bisherigen Zustandes bewirken; da es sich bei dem Garagenvorplatz um einen Verbindungsweg handle, bedeute die Verwendung als Abstellplatz eine Umwandlung gegenüber dem ursprünglichen Zweck; dies stelle eine Änderung des bisherigen Zustandes in rechtlicher Beziehung dar; eine solche Änderung sei aber keine bloße Gebrauchshandlung, zu der der Miteigentümer schon auf Grund seines Miteigentums ohne weiteres berechtigt wäre, sondern eine Verwaltungshandlung, für die entweder die Zustimmung der Mehrheit (ordentliche Verwaltung) oder Stimmeneinhelligkeit (außerordentliche Verwaltung) erforderlich wäre; daß Stimmenmehrheit oder gar Stimmeneinhelligkeit vorliege, sei gar nicht behauptet worden; der Kläger benötige seinerseits für das Unterlassungsbegehren keine Stimmenmehrheit, weil er in Wahrheit die Beseitigung der rechtswidrigen und eigenmächtigen Änderung es bisherigen Zustandes anstrebe; aus all dem folge, daß es nicht darauf ankomme, inwieweit der Kläger durch das Abstellen der Fahrzeuge der Beklagten behindert werde, wobei ihm noch darin Recht zu geben wäre, daß bei der Beurteilung dieser Frage nicht darauf abgestellt werden könnte, welche Fahrzeuge er derzeit besitze; er sei ja berechtigt, jederzeit auch andere Fahrzeuge in seinen Garagen zu garagieren.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, das Abstellen der Fahrzeuge durch die Beklagten auf dem Garagenvorplatz sei als Verwaltungshandlung der letzteren in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer der Liegenschaft zu werten, kann nicht beigetreten werden. Die Grenze zwischen bloßen Gebrauchshandlungen und Verwaltungshandlungen mag nicht immer leicht zu ziehen sein, charakteristisch für letztere ist aber, daß sie sich als Maßregeln einer Geschäftsführung im Interesse aller Gemeinschafter bzw. der Gemeinschaft als solcher darstellen oder wenigstens darstellen sollen (vgl. dazu Palandt[28] zu § 744 BGB.; BGB.-RGRKomm. zu den §§ 744 - 746 BGB. unter Anm. 2; Soergel - Siebert[9] zu § 744 BGB. unter 2). Es ist nun weder behauptet worden noch hervorgekommen, daß die Beklagten mit dem Abstellen ihrer Fahrzeuge auf dem Garagenvorplatz irgendetwas anderes verfolgen als eigene Interessen, was eben ihren Gebrauch der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Sache (§ 743 II BGB.) ausmacht, aber nur so weit zulässig ist, als dadurch der Gebrauch der anderen nicht gestört wird (vgl. dazu auch Klang in Klang[2] III, S. 1093 unter 3 a, a mit Hinweis auf § 743 II BGB. ..). Nur diese Gebrauchsstörung ist auch der privatrechtlich bedeutsame Rechtsgrund für das Unterlassungsbegehren des Klägers. Mag er auch vorgebracht haben, das Verhalten der Beklagten sei gesetzwidrig, stellt dies doch nur einen zusätzlichen Hinweis darauf dar, daß den Beklagten für das Abstellen ihrer Fahrzeuge auf dem Garagenvorplatz kein öffentlich-rechtlicher Titel zustatten komme. Wie der Kläger wegen einer Verwaltungsübertretung bestraft werden könnte, ist zwar nicht zu sehen, da ja er keinesfalls dem Wiener Garagengesetz zuwiderhandelt, braucht aber nicht näher erörtert zu werden, weil er das Klagebegehren auf eine ihm diesbezüglich drohende Gefahr gar nicht gestützt hat. Es braucht auch nicht erörtert zu werden, ob es richtig war, den Vorplatz in seiner Gesamtheit als Verbindungsweg im Sinn des § 10 des Wiener Garagengesetzes zu werten, oder ob die einzelnen Fahrstreifen zu den einzelnen Garagen als Verbindungswege und die jeweils neben ihnen liegenden Streifen als Freiflächen im Sinn des § 12 zu qualifizieren wären, maßgebend ist für die Prozeßentscheidung nur, ob und inwieweit der Kläger in seinem Gebrauch der Vorplatzfläche gestört wird.

Es ist nun keinesfalls nötig, daß jedem Miteigentümer dieselbe Art des Gebrauches ermöglicht wird (vgl. Klang a. a. O.). Bedeutsam ist im vorliegenden Fall, daß dem Kläger das Benützungsrecht an den Garagen G 1 und G 2 zusteht, die Beklagten aber keine Garagenrechte haben. Das Garagenbenützungsrecht umfaßt auch das Recht auf eine ungestörte und unbehinderte Zu- und Abfahrt von seinen Garagen; soweit die Beklagten den Kläger dabei durch das Abstellen ihrer Fahrzeuge behindern, reicht der Unterlassungsanspruch des Klägers.

In diesem Belang kann hier ohne weiteres an die Ergebnisse des Verfahrens erster Instanz angeknüpft werden, denn die Beklagten haben den stattgebenden Teil des erstrichterlichen Urteils gar nicht angefochten und der Kläger hat in seiner Berufung nicht geltend gemacht, er werde bei Verwendung seiner jetzigen Fahrzeuge auch dann behindert, wenn die Beklagten ihre Autos auf der ihnen vom Erstrichter zugebilligten Teilfläche des Garagenvorplatzes abstellten (Stellungen I, II und V laut Skizzen). Sein dort vorgetragenes Argument, er könne sich jederzeit Fahrzeuge anschaffen, die größer als sein Puch und sein Fiat 1100 sind, ist - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes - nicht stichhältig. Es kommt nicht auf derartige abstrakte Gebrauchsmöglichkeiten an, sondern auf den konkreten Gebrauch, den er von dem Garagenvorplatz macht; nur bezüglich des konkreten Gebrauches, den der eine Gemeinschafter tatsächlich macht, gilt das an die anderen Gemeinschafter gerichtete Störungsverbot (vgl. auch dazu Klang a. a. O.).

Aus diesen Erwägungen ist das Urteil des Erstrichters in Stattgebung der Revision wiederherzustellen.

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