Spruch:
Die Hausgehilfin des Ehegatten der bedachten Erbin ist als deren Hausgenossin gemäß § 594 ABGB. keine fähige Testamentszeugin.
Entscheidung vom 1. Juli 1969, 8 Ob 118/69.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Architekt Dipl.-Ing. Otto A. ist am 19. April 1967 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Er war mit der Beklagten verheiratet und hatte keine Kinder. In dem beim Bezirksgericht Kitzbühel zu A .../67 anhängigen Verlassenschaftsverfahrens hatte die Beklagte auf Grund eines von ihr behaupteten mündlichen Testamentes des Erblassers vom 23. März 1967 zum gesamten Nachlaß, die beiden Kläger, Brüder des Erblassers, auf Grund des Gesetzes zu je einem Viertel bedingte Erbserklärungen abgegeben, die vom Verlassenschaftsgericht angenommen worden sind. Die Kläger sind mit Beschluß vom 3. Oktober 1967, A .../67-44, auf den Rechtsweg verwiesen worden. Sie haben die vorliegende Klage innerhalb der ihnen vom Verlassenschaftsgericht erteilten Frist von einem Monat eingebracht.
Die Kläger begehrten die Feststellung, daß die von der Beklagten behauptete letztwillige Verfügung des Erblassers vom 23. März 1967 ungültig sei und den Klägern das Erbrecht auf Grund des Gesetzes zu je einem Viertel des Nachlasses zustehe.
Das Erstgericht hat die Verhandlung auf die Frage eingeschränkt, ob der Erblasser am 23. März 1967 ein formgerechtes, gültiges, außergerichtliches, mündliches Testament mit Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin errichtet habe oder nicht und hat - allerdings ohne das Urteil als Teilurteil zu bezeichnen - dem ersten der beiden obangeführten Feststellungsbegehren stattgegeben. Hiebei ist das Erstgericht von folgenden tatsächlichen Feststellungen ausgegangen:
Am 23. März 1967 habe Rosalia R., die seit 1946 mit den Ehegatten A. sehr befreundet gewesen sei, diese besucht und hiebei den Erblasser - wie sie dies schon früher wiederholt getan hatte, ohne eine Antwort zu erhalten - wiederum gefragt, ob er zugunsten der Beklagten eine Lebensversicherung abgeschlossen habe. Daraufhin habe ihr der Erblasser etwa folgendes gesagt: "Ich habe eine Lebensversicherung zugunsten meiner Gattin nicht abgeschlossen und beabsichtige dies auch nicht zu tun, denn meine Gattin ist sowieso meine Universalerbin". Nach dieser Antwort habe der Erblasser Maria M., die seit 1. Mai 1959 Hausgehilfin bei den Eheleuten A. gewesen sei, beauftragt, den Bauingenieur Gerhard H., der seit 1949 im Architekturbüro des Erblassers gearbeitet und die privaten Verhältnisse der Eheleute A. gut gekannt habe, aus dem im selben Haus befindlichen Büro herbeizuholen; er habe keinen Zweck für diesen Auftrag genannt. Maria M. sei sogleich mit H. zurückgekommen und habe sich zurückziehen wollen, sei aber vom Erblasser aufgefordert worden, anwesend zu bleiben und Platz zu nehmen. Es seien somit in der Bauernstube folgende Personen anwesend gewesen:
die Eheleute A., Rosalia R., Gerhard H. und Maria M. Der Erblasser habe das Gespräch zu den Anwesenden sinngemäß mit dem Satz "Jetzt paßts einmal gut auf" eingeleitet und habe dann ohne weiteren Übergang erklärt: "Die Frau R. hat mich gefragt, ob ich eine Lebensversicherung abgeschlossen habe. Ich habe keine und es braucht auch keine, denn meine Frau ist sowieso meine Universalerbin". Nach diesen Worten des Erblassers sei zunächst eine etwas betretene Stille eingetreten, weitere Äußerungen einschlägigen Inhaltes zu dieser Erklärung habe der Erblasser nicht gemacht. Das Gespräch sei auf andere Themen gekommen, Gerhard H. und Maria M. hätten sich aus der Bauernstube wieder entfernt. Nachdem diese beiden gegangen seien, habe der Erblasser seiner Gattin auf die Schultern geklopft und seine Gattin gefragt, ob sie nun zufrieden sei. Der Erblasser habe weder gegenüber Rosalia R. noch gegenüber Gerhard H. oder Maria M. eine Äußerung des Inhaltes getan, sie sollten als Zeugen einer von ihm beabsichtigten und jetzt abzugebenden Erklärung anwesend sein, er habe keinerlei Worte der Art gebraucht, er wolle jetzt sein Testament machen oder seinen Nachlaß regeln, falls ihm etwas passieren sollte. Er habe keine der drei mehrfach genannten Personen aufgefordert, sich seine Äußerung aufzuschreiben bzw. hievon eine Gedächtnisnotiz anzufertigen, um eine spätere Bekundung dieser Äußerung zu erleichtern, er habe auch nichts darüber gesagt und er sei auch von keiner der drei erwähnten Personen gefragt worden, ob er bereits zuvor eine letztwillige Verfügung zugunsten seiner Frau getroffen habe und etwa in diesem Sinne bei Gericht, einem Notar, einem Rechtsanwalt oder sonstwo ein Testament zugunsten der Beklagten verwahrt habe. Nach dem 23. März 1967 bis zu seinem tödlichen Unfall am 19. April 1967 habe der Erblasser mit keiner der vorerwähnten Personen mehr über den Vorgang vom 23. März 1967 gesprochen. Am 24. März 1967 sei der Geschäftsführer einer Innsbrucker Wohnbaugesellschaft Dr. Kurt G. mit seiner Frau auf Besuch bei den Eheleuten A. gewesen, mit denen sie nach 1953 zufolge beruflicher Beziehungen der beiden Ehemänner bekannt gewesen seien. Im Zuge des Gespräches der beiden Ehepaare, unter anderem über den beruflichen Verschleiß der Männer, in welchem Zusammenhang eine der beiden Damen die Frage aufgeworfen habe, wie die Versorgung der Beklagten aussehen würde, wenn dem Erblasser etwas Passieren sollte, habe dieser sich mit den an seine Frau gerichteten Worten geäußert:
"Dann wirst du eine reiche Witwe". Anläßlich dieses Gespräches habe der Erblasser aber keine Erwähnung getan, daß er eine ähnliche Erklärung gerade am Vortage gegenüber anderen Personen abgegeben habe, insbesondere habe er keineswegs gesagt, daß er am Vortage zugunsten seiner Ehegattin ein mündliches Testament gemacht habe. Ferner stellte das Erstgericht fest, daß der Erblasser anläßlich seiner Erklärung vom 23. März 1967 keine Testierabsicht gehabt habe.
In rechtlicher Hinsicht hat das Erstgericht ausgeführt: Schon aus dem Mangel der Testierabsicht ergebe sich, daß in der Erklärung des Erblassers vom 23. März 1967 ein gültiges, außergerichtliches, mündliches Testament nicht zu erblicken sei. Außerdem gehöre zu den Gültigkeitserfordernissen eines solchen Testamentes, daß der Erblasser seine Testierabsicht durch einschlägige Worte klar zum Ausdruck bringe; gelegentliche Äußerungen im Zuge eines anders motivierten Gespräches seien nicht ausreichend. Aus den Feststellungen ergebe sich aber, daß der Erblasser am 23. März 1967 in geradezu auffallender Weise jedes Wort, das auf seine Absicht hindeuten könnte, jetzt eine letztwillige Verfügung zu treffen, geflissentlich vermieden habe. Der Inhalt der Erklärung des Erblassers vom 23. März 1967 könne daher im Hinblick auf den Wortlaut nicht als letztwillige Verfügung im Sinn des § 585 ABGB. beurteilt werden. Dazu komme, daß nicht alle drei Personen, denen die Beklagte die Eigenschaft der drei Zeugen des von ihr behaupteten mündlichen Testamentes zuschreibe - die an sich fähige Zeugen im Sinne des § 585 ABGB. hätten sein können - der Erklärung des Erblassers vom 23. März 1967 in dem Bewußtsein beigewohnt hätten, jetzt Zeugen einer letztwilligen Verfügung zu sein; denn bei Gerhard H. sei dies nicht der Fall gewesen.
Das Berufungsgericht hat die Feststellung des Erstgerichtes, daß die Absicht des Erblassers, mit der Erklärung vom 23. März 1967 ein mündliches Testament zu errichten, nicht bewiesen worden sei, übernommen; es sei daher nicht mehr notwendig, darauf einzugehen, ob alle Zeugen dem behaupteten Testierakt im Bewußtsein beigewohnt hätten, Zeugen einer Testamentserrichtung zu sein. In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht die Ansicht des Erstgerichtes gebilligt, daß die vom Erblasser am 23. März 1967 abgegebene Erklärung nicht ein den Formerfordernissen des § 585 ABGB. entsprechendes außergerichtliches mündliches Testament gewesen sei. Das Berufungsgericht hat daher das Ersturteil bestätigt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Voraussetzung für die Gültigkeit eines mündlichen Testamentes ist u. a., daß die Erklärung vor drei fähigen Zeugen abgegeben worden ist (§ 585 Satz 1 ABGB.). Keine fähigen Zeugen sind gemäß § 594 ABGB. die Bedachten (Erben oder Legatare) selbst, deren Gatten, nächste Verwandte oder Verschwägerte und die besoldeten Hausgenossen. Das Erstgericht hat hinsichtlich aller drei Zeugen - Rosalia R., Gerhard H. und Maria M. - die Ansicht vertreten, daß sie fähige Testamentszeugen im Sinne des § 594 ABGB. gewesen seien. In der Berufung der Beklagten wurden die die Grundlage dieser Rechtsansicht bildenden tatsächlichen, durch die Zeugenaussage der Maria M. gedeckten Feststellungen nicht bekämpft. Das Berufungsgericht ist auf diese Frage nicht näher eingegangen. Diese Frage ist auch im Revisionsverfahren nicht aufgeworfen worden, muß aber im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erörtert werden, da auch ein seinem Wortlaut nach eindeutiges mündliches Testament ungültig ist, wenn es nicht vor drei fähigen Zeugen errichtet wurde,
Bezüglich der Zeugenfähigkeit der Rosalia R. und des Gerhard H. bestehen keine Bedenken. Erstere war eine Freundin der Ehegatten A. die am 23. März 1967 gerade auf Besuch bei diesen weilte. Gerhard H. ist zwar Angestellter des Erblassers gewesen, nicht aber dessen oder der Beklagten Hausgenosse. Beide sind mit der Beklagten nicht verwandt oder verschwägert. Letzteres trifft auch bei der dritten Zeugin Maria M. zu. Sie ist nach den Feststellungen des Erstgerichtes seit 1959 Hausgehilfin bei den Ehegatten A. gewesen, hat in deren Haus gewohnt, geschlafen und volle Verpflegung erhalten. Sie hat mit dem Erblasser einen mündlichen Dienstvertrag geschlossen, nach dem sie nicht nur zur Betreuung von dessen Privathaushalt, sondern auch zu Hilfsdiensten in dessen Architekturbüro (zu Aufräumearbeiten, Botengängen, Bürohilfsdiensten) verpflichtet war. Sie hat ihren Monatslohn bis zum Ableben des Erblassers von diesem und nur bei dessen Abwesenheit von der Beklagten erhalten. Nach ihrer Zeugenaussage wohnt und schläft sie noch heute im Hause A., wird dort verpflegt, und zwar ißt sie am Familientisch wie von Anfang (1. Mai 1959) an. Aus den erwähnten Feststellungen hat das Erstgericht den Schluß gezogen, daß sie eine vom Erblasser - und nicht von der Beklagten als der Bedachten - besoldete Hausgenossin gewesen ist und daher nicht unter die Bestimmung des § 594 ABGB. falle. Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden. Die Bestimmung des § 594 ABGB. über die relativ unfähigen Testamentszeugen beruht auf der Erwägung, daß niemand in seiner eigenen oder seiner nächsten Angehörigen Sache oder in Angelegenheiten desjenigen, zu dem er in einem engen Band der Abhängigkeit steht, ein unbefangener Zeuge sei. Bei der Einreihung der "besoldeten Hausgenossen" unter die im § 594 ABGB. bezeichneten Personen, war die Rücksicht auf das enge Band der Abhängigkeit maßgebend. Besoldeter Hausgenosse im Sinne des § 594 ABGB. ist derjenige, der im Haus des Bedachten seine Wohnung hat und einen Lohn, sei es in Geld oder in Naturalien (Verpflegung), sei es in beiden erhält, ohne Rücksicht auf die Eigenschaft, in welcher er seine Dienste leistet (GlUNF. 2028). Festgestellt ist, daß Maria M. im Hause der Ehegatten A. gewohnt, dort ihre Verpflegung erhalten und ihren Lohn in der Regel vom Erblasser, bei dessen Abwesenheit von der Beklagten als dessen Vertreterin, bekommen hat. Sie war also Hausgenossin sowohl des Erblassers als auch der Beklagten. Besoldet wurde sie zwar nach diesen Feststellungen vom Erblasser und nicht von der Beklagten. Letzter Umstand reicht aber nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes, entgegen der Ansicht des Erstgerichtes, nicht aus, um Maria M. als fähige Testamentszeugin anzusehen. Wohl ist in der Entscheidung GlUNF. 3937 ausgesprochen worden, daß nur solche Hausgenossen unfähige Testamentszeugen seien, die von der bedachten Person besoldet werden, nicht aber auch diejenigen, die zwar Hausgenossen des Erblassers und der bedachten Person waren, aber nicht von der letzteren, sondern von dem Erblasser besoldet wurden. In dem Fall, der dieser Entscheidung zugrunde liegt, hat es sich um einen Erbrechtsstreit zwischen zwei Schwestern gehandelt; die Erblasserin (die Mutter der Streitteile) war Gutsbesitzerin gewesen und hatte vor Hausangestellten ein mündliches Testament zugunsten der einen Schwester gemacht, die im Zeitpunkte der Testamentserrichtung infolge Krankheit der Mutter die Wirtschaft geführt und auch den Lohn an die Dienstboten ausgezahlt hatte. Dieser Sachverhalt weicht von dem vorliegenden in dem nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes entscheidenden Punkt ab, daß hier Erblasser und Bedachte Ehegatten gewesen sind, deren Hausgehilfin die Zeugin Maria M. war. Wenn der Grund des § 594 ABGB. einen Testamentszeugen von der Zeugenschaft auszuschließen, in dessen wegen des engen Bandes der Abhängigkeit bestehender Befangenheit gelegen ist, dann muß gesagt werden, daß eine Hausgehilfin, mag sie auch, wie festgestellt, den Dienstvertrag mit dem Erblasser geschlossen und von diesem ihren Lohn empfangen haben, zumindest in gleicher Weise von der Ehefrau, der die Hausgehilfin bei ihrer Tätigkeit unmittelbar untersteht, abhängig ist wie von dem Ehemann. Ehegatten sind in dieser Beziehung, entsprechend den tatsächlichen Lebensverhältnissen, als eine Einheit zu betrachten. Damit ist aber Maria M. eine unfähige Testamentszeugin im Sinne des § 594 ABGB. gewesen und das mündliche Testament, auf welches sich die Beklagte stützt, ist schon deshalb unwirksam, weil es nicht vor drei fähigen Zeugen errichtet worden ist.
Der Revision war somit keine Folge zu geben, ohne daß auf die Ausführungen der Beklagten in ihrer Revisionsschrift näher einzugehen war.
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