OGH 8Ob80/69

OGH8Ob80/6929.4.1969

SZ 42/64

Normen

HGB §112
KartG §1
HGB §112
KartG §1

 

Spruch:

Zur Frage, ob nach Auflösung einer offenen Handelsgesellschaft eine zwischen deren Gesellschaftern vereinbarte gebietsweise Aufteilung des Arbeitsgebietes eine Kartellvereinbarung ist.

Entscheidung vom 29. April 1969, 8 Ob 80/69.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger (gefährdete Partei) und Robert N. vereinbarten im Punkt VIII des Gesellschaftsvertrages, mit dem sie sich zu einer offenen Handelsgesellschaft zum Betrieb des Werbeunternehmens N.-Werbung vereinigten, ein Konkurrenzverbot, wonach kein Gesellschafter ohne schriftliche Zustimmung des anderen Gesellschafters in Österreich ein gleiches oder verwandtes Werbeunternehmen für eigene Rechnung sollte betreiben dürfen. Das Konkurrenzverbot sollte nach Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft noch auf die Dauer von fünf Jahren Gültigkeit haben. Für den Fall des Zuwiderhandelns wurde eine dem richterlichen Mäßigungsrecht nicht unterliegende Konventionalstrafe von 300.000 S vereinbart. An Stelle des Robert N. trat am 10. Dezember 1963 der Beklagte (Gegner der gefährdeten Partei) in den Gesellschaftsvertrag ein. Der Beklagte hatte bereits ein eigenes Werbeunternehmen, das er ungeachtet des im Punkt VIII des Gesellschaftsvertrages vorgesehenen Konkurrenzverbotes gemäß Punkt 2 der Vereinbarung vom 10. Dezember 1963 sollte weiterführen können. Es wurde lediglich, um nicht - wie es im Vertrag heißt - ein wirtschaftlich ungesundes Wettbewerbsverhältnis eintreten zu lassen, im Punkt 3 dieser Vereinbarung eine Gebietsschutzvereinbarung getroffen. Mit dieser Vereinbarung wurden einerseits der OHG. und anderseits dem Beklagten bestimmte. Gebiete in Österreich als Schutzgebiete zugewiesen. Mit 31. Dezember 1964 schied der Beklagte aus der N.-Werbung OHG. aus. Bei dieser Gelegenheit vereinbarten die beiden Gesellschafter, daß Punkt VIII des Gesellschaftsvertrages und die Punkte 2 und 3 des Zusatzübereinkommens vom 1. Dezember 1963 (10. Dezember 1963) für die Zeit bis 31. Dezember 1970 weiter Geltung haben sollten. Im August 1968 erfuhr der Kläger, daß sich der Beklagte nicht an diese Abmachung halte und in der Steiermark, die zum Schutzgebiet der N.- Werbung OHG. gehört, Werbetafeln aufstelle. Die vom Kläger seinen Kunden erteilten Auskünfte über Werbemöglichkeiten erwiesen sich zufolge der schwer kontrollierbaren Aufstellung von Plakatträgern durch den Beklagten oft als unrichtig, wodurch der Ruf des Klägers geschädigt wurde. Die Versuche einer Bereinigung der Angelegenheit führten zu keiner Einigung.

Das Erstgericht erließ die von der klagenden (gefährdeten) Partei beantragte einstweilige Verfügung. Zur Sicherung der von der klagenden (gefährdeten) Partei gegen die beklagte Partei (Gegnerin der gefährdeten Partei) geltend gemachten Ansprüche auf Entfernung von Plakatträgern und Werbeflächen und auf Unterlassung der Aufstellung von Plakatträgern und Werbeflächen wurde der beklagten Partei (Gegnerin der gefährdeten Partei) aufgetragen,

1. binnen 14 Tagen sämtliche von ihr im Bundesland Steiermark errichteten Plakatträger und Werbeflächen mit den näher bezeichneten Standorten zu entfernen;

2. jedwede gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot und den bestehenden Gebietsschutz gemäß Punkt VIII des Gesellschaftsvertrages der N.-Werbung OHG. im Zusammenhalte mit Punkt 2 und 3 des Arbeitsübereinkommens vom 10. Dezember 1963 (1. Dezember 1963) sowie dem Dissolutionsübereinkommen vom 29. Dezember 1964 verstoßende Wettbewerbshandlung, insbesondere jedwedes Aufstellen von Plakatträgern und Werbeflächen im Bundesland Steiermark in Hinkunft zu unterlassen.

Der klagenden (gefährdeten) Partei wurde aufgetragen, für alle ihrem Gegner dadurch verursachten Nachteile durch gerichtlichen Erlag von 50.000 S Sicherheit zu leisten.

Das Erstgericht hielt nicht nur den geltend gemachten Anspruch, sondern auch die Gefährdung für bescheinigt. Der Beklagte sichere sich durch die vertragswidrige Errichtung von Plakatträgern in der Steiermark die günstigsten Aufstellungsplätze, sodaß die Steiermark für den Kläger als Werbegebiet künftig praktisch verloren sei. Der auf dieses Verhalten des Beklagten zurückzuführenden Schaden des Klägers sei durch einen Geldersatz praktisch nicht erfaßbar, zumindest sei die Leistung eines solchen Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat. Die einstweilige Verfügung sei daher zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens erforderlich. Entgegen der Meinung des Beklagten sei die gegenständliche Gebietsschutzvereinbarung nicht als Kartellvereinbarung zu beurteilen. Es handle sich vielmehr um eine Konkurrenzklausel in einem Vertrag, der primär andere Zwecke verfolgt habe, nämlich die Regelung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der Parteien während des Bestehens und nach Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liege nicht vor. Das Erstgericht hielt nach Lage der Umstände eine Sicherheitsleistung von 50.000 S für erforderlich.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge. Es änderte den Beschluß der ersten Instanz dahin ab, daß es den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abwies. Bei der gegenständlichen Gebietsschutzvereinbarung handle es sich um eine nur aus Anlaß der Begründung des Gesellschaftsverhältnisses getroffene Wettbewerbsvereinbarung, die nicht der Erreichung des Gesellschaftszweckes gedient habe. Sie stelle eine Umgehung der Bestimmungen des Kartellgesetzes dar. Es sei hier nicht so, daß einem Gesellschafter ein Verbot im Sinne des § 112 HGB. auferlegt werde, damit er nicht die ihm als Gesellschafter bekannten Verhältnisse der Gesellschaft zu seinem Vorteile ausnütze. Es werde auch nicht etwa nur einem Gesellschafter eine Beschränkung gegenüber der Gesellschaft auferlegt. Es werde vielmehr die Gesellschaft selbst in ihrer wirtschaftlichen Betätigung beschränkt. Punkt 3 der Vereinbarung vom 10. Dezember 1963 weise auch gar keine zeitliche Beschränkung auf. Eine solche zeitliche Beschränkung sei vielmehr erst später, nämlich anläßlich der Beendigung des nur ganz kurze Zeit bestandenen Gesellschaftsverhältnisses festgelegt worden. Da die als Kartellvereinbarung zu wertende Abmachung nicht im Kartellregister eingetragen sei, sei sie nicht wirksam. Der Klagsanspruch sei daher nicht bescheinigt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei dahin Folge, daß in Abänderung des zweitgerichtlichen Beschlusses der erstgerichtliche Beschluß unter Hinaufsetzung der von der klagenden und gefährdeten Partei zu leistenden Sicherheit auf 150.000 S im übrigen wiederhergestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Erwägungen, die das Rekursgericht anstellt, um darzutun, daß es sich bei der gegenständlichen Gebietsschutzvereinbarung um eine versteckte Kartellvereinbarung handle, vermögen auf Grund der derzeitigen Aktenlage nicht zu überzeugen. Die Umstände, die zu der Gebietsschutzvereinbarung geführt haben, deuten darauf hin, daß die Regelung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse und nicht die Schaffung einer vom Gesellschaftsverhältnis unabhängigen, die Marktlage beeinflussenden Wettbewerbsbeschränkung im Vordergrund stand. Der Beklagte hatte, als er an Stelle des Robert N. in den Gesellschaftsvertrag eintrat, bereits ein eigenes Werbeunternehmen, dessen Fortführung ihm, ungeachtet des im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Konkurrenzverbotes, gestattet wurde. Das erforderte zwangsläufig eine Regelung des Verhältnisses zwischen den beiden Werbeunternehmungen, von denen das eine allein vom Beklagten betrieben wurde, während das andere vom Kläger und vom Beklagten als von Gesellschaftern geführt wurde. Wenn ein Kompromiß dahin gefunden wurde, daß der Beklagte sein schon bisher von ihm geführtes, gleichartiges Unternehmen weiter betreiben könne, daß sich aber die beiden Unternehmungen nicht in einem und demselben Gebiet Konkurrenz machen sollten, so kann dies als eine auch im Interesse der offenen Handelsgesellschaft gelegene Aufteilung des Betätigungsgebietes angesehen werden. Daß sich die offene Handelsgesellschaft durch diese Gebietsschutzvereinbarung selber Beschränkungen auferlegte, kann ohne weiters damit erklärt werden, daß die offene Handelsgesellschaft Wert darauf legte, den Beklagten als Gesellschafter zu gewinnen, den sie ohne eine solche gebietsweise Aufteilung des Betätigungsfeldes nicht hätte gewinnen können. Daß nach den Umständen des Falles die Gebietsschutzvereinbarung nicht als eine gegen die guten Sitten verstoßende Vereinbarung angesehen werden kann, hat schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt. Was der Beklagte dagegen vorbrachte, kann nicht als stichhältig angesehen werden. Die Fortdauer der gebietsweisen Aufteilung für einen Zeitraum von sechs Jahren nach Auflösung der Gesellschaft stellt keine ungewöhnliche und sittenwidrige Beeinträchtigung der geschäftlichen Tätigkeit des Beklagten dar.

Bei der derzeitigen Aktenlage kann daher dem Erstgericht darin gefolgt werden, daß der vom Kläger geltend gemachte Anspruch bescheinigt ist.

Daß auf Grund der nunmehrigen Mißachtung der vom Beklagten selbst mehrere Jahre hindurch beachteten Gebietsschutzvereinbarung auch die Gefährdung als bescheinigt gelten kann, hat schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt. Dem Erstgericht kann auch darin gefolgt werden, daß die Beeinträchtigung des bescheinigten Anspruches des Klägers von einer Art ist, daß ein Geldersatzanspruch schwerlich zu einem angemessenen Erfolg führen kann, zumal sich die dem Kläger entstehenden Schäden kaum ziffernmäßig werden feststellen lassen. Die einstweilige Verfügung erscheint daher in der Tat, wie schon das Erstgericht ausgeführt hat, zur Abwendung eines unwiederbringlichen Schadens geboten, weshalb sie im Sinne der herrschenden Rechtsprechung auch nicht deshalb als unzulässig angesehen werden kann, weil mit der einstweiligen Verfügung der im Prozeß angestrebte Erfolg für die Dauer des Prozesses praktisch vorweggenommen wird.

Anderseits darf aber nicht übersehen werden, daß der Vollzug der einstweiligen Verfügung für den Beklagten mit schwerwiegenden Folgen verbunden sein kann. Der Oberste Gerichtshof hält daher die vom Erstgericht gemäß § 390 (2) EO. dem Kläger auferlegte Sicherheit von 50.000 S nicht für ausreichend. Er ist vielmehr der Ansicht, daß nach Lage der Umstände die Auferlegung einer Sicherheit in Höhe von 150.000 S geboten erscheint.

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