Spruch:
"Unwirksamkeit" des Schiedsspruches nach § 595 ZPO. bedeutet Anfechtbarkeit. Unterschied zwischen Schiedsgericht und Schiedskommission.
Entscheidung vom 16. April 1969, 5 Ob 84/69.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr den Betrag von 2.796.088.79 S s. A. zu bezahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß die Klägerin auf Grund eines ihr von der Beklagten erteilten Bauauftrages Arbeiten im Bauabschnitt Sch. durchgeführt habe. Für die Arbeiten sei laut Schlußrechnung der Klagsbetrag noch offen.
Über das Vermögen der Klägerin wurden nach den Feststellungen der Vorinstanzen mit dem Beschluß des Landesgerichtes L. vom 13. Mai 1963 das Konkursverfahren eröffnet. Mit Beschluß des Landesgerichtes L. vom 8. November 1967 wurde die über den Betrag von 543.141.85 S hinausgehende Forderung der Klägerin (als Gemeinschuldnerin) gegen die beklagte Partei gemäß § 119 (5) KO. aus der Konkursmasse ausgeschieden und der Gemeinschuldnerin zur freien Verfügung überlassen.
Die Beklagte erhob bei der ersten Tagsatzung die Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges und der entschiedenen Streitsache. Res judicata sei gegeben, weil im Bauvertrag ein Schiedsgericht vereinbart worden sei. Das im Bauvertrag vereinbarte Schiedsgericht habe am 6. November 1966 einen rechtskräftig gewordenen Schiedsspruch des Inhaltes gefällt, daß der Gemeinschuldnerin noch eine Restforderung von 543.141.85 S zustehe. Der Betrag von 543.141.85 S sei daraufhin von der Beklagten bezahlt worden. Sowohl die Beklagte als auch der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Klägerin hätten den Schiedsspruch anerkannt. Der Masseverwalter habe auch erklärt, daß er sich nach Rücksprache mit dem Konkurskommissär dem Schiedsspruch unterwerfe und keine weiteren Schritte zur Durchsetzung der ursprünglichen Forderung ergreifen werde. Der Schiedsspruch habe somit die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Die Unzuständigkeit des Gerichtes (Unzulässigkeit des Rechtsweges) sei gegeben, weil eine Schiedsvereinbarung zwischen den Streitteilen bestehe.
Die Klägerin brachte dazu vor, daß im Bauvertrag tatsächlich eine Schiedsgerichtsvereinbarung des Inhaltes enthalten sei, daß alle Meinungsverschiedenheiten, die zwischen den Parteien entstehen und in einer angemessenen Frist nicht einvernehmlich bereinigt werden können, einer Schiedskommission vorgelegt werden müssen. Es sei aber auch vereinbart worden, daß für den Fall, als auf diese Weise eine rechtskräftige Entscheidung nicht erzielt werden könne, die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung zuständig seien. Tatsächlich sei ein Schiedsspruch von der einberufenen Schiedskommission gefällt worden. Der Schiedsspruch sei aber nicht rechtskräftig geworden, weil der Masseverwalter die dahin vorgesehene Erklärung, daß er sich nach Rücksprache mit dem Konkurskommissär dem Schiedsspruch unterwerfe, nicht abgegeben habe. Der Masseverwalter habe auch ebenso wie die Klägerin (Gemeinschuldnerin) das Verrechnungsschreiben der Beklagten vom 22. Dezember 1966 nicht anerkannt.
Das Erstgericht wies die Klage zurück. Es ging davon aus, daß nach dem Punkt J des Bauauftrages vom 6. Juli 1961 alle Meinungsverschiedenheiten, die zwischen den Vertragspartnern entstehen und nicht binnen angemessener Frist einvernehmlich bereinigt sind, zunächst einer "Schiedskommission" vorzulegen seien, in welche jeder Vertragspartner zwei Vertreter zu berufen habe, die einvernehmlich den Vorsitzenden nominieren. Im Zuge des Konkursverfahrens sei mit Zustimmung des Konkursgerichtes vom Masseverwalter Dr. Karl L. das vereinbarte Schiedsgericht zur Entscheidung angerufen worden. Am 6. November 1966 habe das Schiedsgericht den Schiedsspruch gefällt, daß der Klägerin eine Gesamtabrechnungssumme in der Höhe von 6.701.547.43 S einschließlich aller Regien und Sonderausstattungen zustehe. Nach seinem Punkt 8 enthalte der Schiedsspruch auch die Erklärung, daß alle Leistungen der Klägerin erfaßt seien und keine weiteren Forderungen mehr gestellt werden. Sinngemäß gelte das auch für die von der Beklagten gestellten Gegenforderungen. Der schiedsrichterliche Vertreter des Masseverwalters habe erklärt, daß sich die Verwaltung der Konkursmasse nach Rücksprache mit dem Gerichtskommissär dem Schiedsspruch unterwerfe und keine weiteren Schritte zur Durchsetzung der ursprünglichen Forderungen mehr ergreifen werde. Der Vertreter der Beklagten habe nach Rücksprache mit seinem Vorstand erklärt, daß auch von der Beklagten der Schiedsspruch dann anerkannt werde, wenn eine gleichlautende Erklärung der Gegenpartei vorliege. Dieser Schiedsspruch sei rechtskräftig. Eine Aufhebungsklage im Sinne des § 596 ZPO. sei nicht erhoben worden. Das gesamte Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sei sohin durch den Schiedsspruch rechtskräftig und exekutionsfähig entschieden worden. Die Erklärungen der Vertreter der Parteien des Schiedsgerichtsverfahrens seien für die Rechtswirksamkeit des Schiedsspruches ohne Bedeutung, weil der Schiedsspruch nur wegen der im § 596 ZPO. angeführten Gründe hätte aufgehoben werden können. Aber selbst für den Fall, als man von der Annahme ausgehe, es sei kein rechtswirksamer Schiedsspruch zustande gekommen, wäre für die Klägerin nichts gewonnen, weil der Geltendmachung des Anspruches vor den ordentlichen Gerichten die im Bauauftrag enthaltene Schiedsgerichtsklausel entgegenstehe.
Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht unter Rechtskraftvorbehalt die gesetzmäßige Durchführung des Verfahrens auf. Nach der Vereinbarung vom 6. Juli 1961 - so führte das Gericht zweiter Instanz aus - sei es die Aufgabe der "Schiedskommission", eine gutächtliche Äußerung und einen Vermittlungsvorschlag zu erstatten. Sollte eine Einigung auch auf diese Weise nicht erzielt werden können, so seien für alle aus dem Vertrag entspringenden Rechtsstreitigkeiten die zuständigen Gerichte zuständig. Daraus ergebe sich, daß nicht ein Schiedsgericht, im Sinne der §§ 577 ff. ZPO., sondern nur eine "Schiedskommission" zur Abgabe einer gutächtlichen Äußerung und eines Vermittlungsvorschlages (Vergleiches) berufen worden sei. Es hätten nicht Schiedsrichter eine Entscheidung, sondern Schiedsmänner ein Gutachten zu erstatten. Dem entspreche auch der Inhalt der Vereinbarung vom 6. Juli 1961, daß jede Streitpartei nicht zwei Richter, sondern zwei Vertreter zu bestellen habe und daß die Parteien Abreden über die nachfolgende Anrufung der ordentlichen Gerichte getroffen haben. Dem gefällten Schiedsspruch komme daher nicht die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils zu, sodaß der Einwand der entschiedenen Sache nicht gegeben sei.
Nach der Fassung des Schiedsspruches sei aber die Möglichkeit offen, daß seine Urheber über die ihnen im Bauvertrag gestellte Aufgabe hinausgegangen seien, sich als Schiedsrichter betrachtet haben und bestrebt gewesen seien, einen echten Schiedsspruch zu fällen. Zur Klärung dieser Frage sei die Vernehmung der fünf am Schiedsspruch beteiligten Personen erforderlich. Ein Schiedsspruch, bei dem die Schiedsrichter ihre Aufgabe überschritten haben, sei nicht wirkungslos, sondern nur anfechtbar.
Der Schiedsvertrag müßte zwar schriftlich errichtet werden, doch werde der vorgeschriebenen Form auch durch den Austausch von Brief und Gegenbrief Genüge getan. Der Masseverwalter habe am 31. Mai 1966 der Beklagten mitgeteilt, daß er das vereinbarte Schiedsgericht anrufe und Schiedsrichter namhaft mache. Darin könne ein Anbot zum Abschluß eines Schiedsvertrages liegen, falls die Genehmigung des Gläubigerausschusses vorliege oder nachgebracht werde. Wenn der Beklagte den gesetzlichen Formvorschriften in gleicher Weise entsprochen hätte, könnte der Schiedsspruch von einem ordnungsgemäß konstituierten Schiedsgericht herrühren, was zur Zurückweisung der Klage führen würde. Darüber fehlen aber hinreichende Feststellungen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Rekursgericht ist beizutreten, daß der Pkt. J des Bauauftrages vom 6. Juli 1961 tatsächlich keine Vereinbarung eines Schiedsgerichtes aufweist. Danach werden zwar alle Meinungsverschiedenheiten, die zwischen den Vertragspartnern entstehen und binnen angemessener Frist nicht einvernehmlich bereinigt sind, zunächst einer "Schiedskommission" vorgelegt. In diese beruft jeder Vertragspartner zwei Vertreter, die einvernehmlich einen Vorsitzenden nominieren, der auch abstimmungsberechtigt ist. Aufgabe der Kommission ist die Erstellung einer gutächtlichen Äußerung und eines Vermittlungsvorschlages. Sollte eine Einigung auch auf diese Weise nicht erzielt werden können, so sind für alle aus diesem Vertrag entspringenden Rechtsstreitigkeiten, die nicht kraft Gesetzes vor einen ausschließlich besonderen Gerichtsstand gehören, die zuständigen Gerichte am Sitz des Auftraggebers zuständig. Das wesentliche Merkmal eines Schiedsgerichtes besteht nun, wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Petschek - Stagel, der österreichische Zivilprozeß S. 242, 243, Sperl Lehrbuch S. 780 ff., Pollak, System[2] S. 771 ff., Kastner, Außerstreitverfahren - Schiedsgerichte und Schiedsmänner JBl. 1950 S. 567) ausgesprochen hat (SZ. XXV 308, 5 Ob 253/60 in RiZ. 1961 S. 14, 7 Ob 125/66 in ZVR. 1967 Nr. 102, MietSlg. Band XVI II. Teil S. 313, u. a.), darin, daß die Schiedsrichter - ähnlich einem Richter - durch die Subsumption festzustellender Tatsachen unter eine Rechtsnorm eine Entscheidung zu fällen haben. Gegen eine solche Funktion der nach dem Bauvertrag vom 6. Juli 1961 zu bestellenden "Schiedskommission" spricht deren im Bauvertrag festgelegte Aufgabe, eine gutächtliche Äußerung und einen Vermittlungsvorschlag zu erstellen. Mangels einer Einigung bleibt überdies nach den zwischen den Parteien getroffenen Abreden auch die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte bestehen. Aus dem Bauvertrag vom 6. Juli 1961 kann daher die sachliche Unzuständigkeit des Prozeßgerichtes, die durch einen Schiedsvertrag begrundet wird (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen Band III S. 167 Anm. 5 zu § 240 ZPO., SZ. VI 122, EvBl. 1958 Nr. 103), nicht abgeleitet werden.
Allein der Rekurswerberin ist beizupflichten, daß nach dem Schiedsspruch die von beiden Parteien bestellten Personen sich tatsächlich als Schiedsrichter angesehen und einen Schiedsspruch gefällt haben. Es kann dabei auf sich beruhen, ob dem Schiedsspruch ein wirksamer Schiedsvertrag zugrunde lag und ob der Schiedsspruch von dazu befugten Personen gefällt wurde. Denn selbst für den Fall als diese Voraussetzungen nicht gegeben waren, ist der Schiedsspruch nicht wirkungslos. Unter der in der Marginalrubrik zu § 595 ZPO. angeführten Unwirksamkeit des Schiedsspruches ist nur seine Anfechtbarkeit zu verstehen. Das ergibt sich daraus, daß die ursprüngliche Fassung der Regierungsvorlage, der Schiedsspruch ist über Klage aufzuheben (Materialien zu den neuen österreichischen Civilprozeßgesetzen, 2. Band S. 552) als zu eng angesehen wurde, weil eine Anfechtung auch auf eine andere Weise als durch Klage erfolgen kann (Wachtel, Erläuterungen zur Civilprozeßordnung S. 538). Dafür sprechen auch die im § 595 ZPO. angeführten Anfechtungsgrunde und die im § 596 ZPO. festgesetzte Frist von 3 Monaten. Es liegt daher nicht etwa eine absolute Nichtigkeit, sondern nur eine Anfechtbarkeit eines mit wesentlichen Mängeln behafteten Schiedsspruches vor (Demelius, der neue Civilprozeß (1902) S. 740, Neumann, Komm.[4] II S. 1493). Selbst besonders schwere Verstöße, so ein Schiedsspruch ohne Schiedsvertrag, bleiben folgenlos, wenn sie nicht angefochten werden (Pollak, System[2] II S. 782).
Es kann auf sich beruhen, ob eine Anfechtung des Schiedsspruches abgesehen von der Klage nur mit einem Zwischenantrag auf Feststellung (Pollak, System[2] II S. 781) oder auch im Wege der Einrede erfolgen kann (Wachtel, a.a.O. S. 538, Neumann, a.a.O. S. 1494). Denn auch für einen Zwischenantrag auf Feststellung oder die einredeweise Geltendmachung kann keine längere als die im § 596 (2) ZPO. vorgesehene Frist von drei Monaten in Betracht kommen (Neumann - Lichtblau, Kommentar zur Exekutionsordnung[4], 1967, S. 94 zu § 1 Z. 16 EO.).
Im vorliegenden Fall liegen aber zwischen dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Schiedsspruches und seiner Unterfertigung durch die Vertreter der Streitteile im November und Dezember 1966 und der Einbringung der Klage (23. 9. 1968) weit mehr als 3 Monate. Eine Klage auf Aufhebung des Schiedsspruches im Sinne des § 595 ZPO. wurde nicht eingebracht. Ein Zwischenantrag auf Feststellung bezüglich der Wirksamkeit des Schiedsspruches wurde nicht gestellt. Für eine einredeweise Geltendmachung ist die 3monatige Frist des § 596 ZPO. verstrichen. Es ist daher davon auszugehen, daß ein wirksamer Schiedsspruch vorliegt, der im übrigen auch von der beklagten Partei durch die Zahlung des Betrages von 543.141.85 S erfüllt wurde.
Den Gegenstand der Klage bilden die auf Grund des Bauauftrages vom 6. Juli 1961 durchgeführten Arbeiten und die sich daraus auf Grund der Schlußrechnung ergebenden Honoraransprüche. Nach dem Punkt 3 des Schiedsspruches bildet seinen Gegenstand die Höhe der Schlußrechnung für im Baulos Sch. durchgeführten Bauarbeiten auf Grund des Auftrages vom 6. Juli 1961 und seiner Ergänzungen. Daraus folgt aber, daß der weiteren Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Bauvertrag vom 6. Juli 1961 der Schiedsspruch vom 6. November 1966 entgegensteht. Nach § 594 (1) ZPO. besitzt nämlich ein rechtskräftiger Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteiles. Es kann daraus der Einwand der rechtskräftig entschiedenen Streitsache abgeleitet werden, den die Beklagte schon bei der ersten Tagsatzung erhoben hat. Liegt aber entschiedene Sache vor, dann führt das zur Zurückweisung der Klage.
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