OGH 5Ob260/68

OGH5Ob260/6815.1.1969

SZ 42/5

Normen

KO §3 (1)
KO §3 (1)

 

Spruch:

Die Verfügungsbeschränkung über die Masse hindert den im übrigen handlungsfähigen Gemeinschuldner nicht, als Erfüllungsgehilfe (Dienstnehmer) des Masseverwalters diesen hinsichtlich der Konkursmasse zu verpflichten.

Entscheidung vom 15. Jänner 1969, 5 Ob 260/68.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17. April 1964 wurde über das Vermögen der Johanna G. der Konkurs eröffnet und die Beklagte zur Masseverwalterin bestellt. Die mit der Konkurseröffnung verfügte Sperre der von der Gemeinschuldnerin betriebenen Obst- und Gemüsehandlung wurde nicht vollzogen. Im Sinne des Antrages der Masseverwalterin auf Abstandnahme von dieser Sicherungsmaßnahme wurde mit Beschluß des Konkurskommissärs vom 12. Mai 1964 die Weiterführung des Geschäftes der Gemeinschuldnerin durch die Masseverwalterin bis auf Widerruf bewilligt.

Die Klägerin hatte im Konkurs der Gemeinschuldnerin eine Restforderung von 229.251.05 S als Masseforderung aus der Belieferung des Betriebes mit Obst und Gemüse geltend gemacht, die von der Masseverwalterin nicht anerkannt wurde. Die Klägerin begehrt nun im Klagewege Zuspruch eines Betrages von 64.000 S s. A. als Masseforderung und die Feststellung, daß ihr darüber hinaus eine Masseforderung von 197.130.05 S zustehe.

Die beklagte Masseverwalterin beantragt, das Begehren abzuweisen, und wendet ein, die ohne ihr Wissen von der Gemeinschuldnerin mit der Verkäuferin abgeschlossenen Kreditgeschäfte seien den Gläubigern gegenüber unwirksam. Außerdem ergebe sich aus den mit der Klägerin seit Konkurseröffnung getätigten Geschäften ein Guthaben für die Masse, ferner habe die Gemeinschuldnerin nach der Konkurseröffnung noch Forderungen der Klägerin aus der Zeit vor der Konkurseröffnung beglichen, so daß der Masse noch ein Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin zustehe. Die Klägerin habe ferner mit der Gemeinschuldnerin vereinbart, daß diese ihr für die Überlassung ihres Marktstandes 200.000 S anrechnen werde. Schließlich habe die Klägerin keinen Schaden erlitten, weil sich deren Angestellter A. zur Zahlung verpflichtet habe.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, einen Betrag von 64.000 S s. A. zu bezahlen, und stellte fest, daß der Klägerin überdies noch eine Masseforderung von 119.130.05 S zustehe. Das auf Feststellung einer Masseforderung von weiteren 78.000 S gerichtete Mehrbegehren wies es ab.

Die von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobene Berufung hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung folgende vom Erstgericht getroffene Tatsachenfeststellungen zugrunde:

Schon vor der Konkurseröffnung habe Josef A. als Verkaufsbevollmächtigter der Klägerin auf dem Bahnhof M. Obst und Gemüse an Johanna G. verkauft. Auch nach der Konkurseröffnung habe er dann mit der Gemeinschuldnerin derartige Geschäfte abgeschlossen. Ihm selbst sei von der Klägerin der Abschluß von Kreditgeschäften verboten worden. Desgleichen habe die beklagte Masseverwalterin der Gemeinschuldnerin den Abschluß solcher Geschäfte untersagt. A. habe jedoch der Johanna G. helfen wollen und deshalb mit ihrem Wissen eigenmächtig Belege (Gegenscheine) für die verkaufte Ware so lange zurückgehalten, bis die Gemeinschuldnerin sie bezahlt habe. Erst dann habe er die Belege an die Klägerin weitergereicht. Auf diese Weise habe die Gemeinschuldnerin, die A. in Aussicht gestellt habe, daß sie bald von einem Kreditgeber Geld bekommen werde und dann alles bezahlen könne, immer nur einen Teil der bezogenen Ware bezahlt. Sie habe ihrerseits der Masseverwalterin die nicht sofort abgewickelten Geschäfte verheimlicht; dies sei ihr dadurch ermöglicht worden, daß auch die Masseverwalterin zunächst keine Rechnungen über diese Geschäfte erhalten habe. Die Masseverwalterin habe von der Gemeinschuldnerin täglich Abrechnung verlangt, doch sei diese manchmal erst nach zwei bis drei Tagen mit den Belegen erschienen. Sie habe dies damit begrundet, daß sie auch bei Bargeschäften die Ware erst absetzen müsse, bevor sie abrechnen könne. Im Zuge der Bilanzarbeiten für das Jahr 1964 habe die Buchhalterin der Klägerin das Fehlen von Gegenscheinen für Lieferungen an die Gemeinschuldnerin entdeckt, worauf der zur Rede gestellte A. sofort die noch nicht abgelieferten Gegenscheine herausgegeben habe. Am 11. Februar 1965 sei dann die Sperre des Betriebes verfügt worden.

Die Fakturensumme für die von der Klägerin nach der Konkurseröffnung bis 2. Februar 1965 an den fortgeführten Betrieb der Gemeinschuldnerin gelieferten Waren habe 1.529.214.95 S betragen, worauf 1.226.369.20 S bezahlt worden seien. Die Gemeinschuldnerin habe nach Konkurseröffnung an die Klägerin noch zusätzlich einen Betrag von 105.715.60 S auf Schulden aus der Zeit vor der Konkurseröffnung bezahlt. A. habe auf die Schuld der Masse bis Oktober 1965 14.000 S bezahlt. Das Vorbringen der Beklagten, die Klägerin habe der Gemeinschuldnerin auf ihre Schuld für die Überlassung des Marktstandes 200.000 S verrechnet, sei nicht bewiesen worden.

In rechtlicher Beziehung sei davon auszugehen, daß die Fortführung des mit Waren der Klägerin belieferten Geschäftes der Gemeinschuldnerin im Konkurs durch die Masseverwalterin an Stelle der mit der Konkurseröffnung dispositionsunfähig gewordenen Gemeinschuldnerin erfolgt sei. Diese sei somit als von der Masseverwalterin zum Abschluß von solchen Geschäften bevollmächtigte Person anzusehen gewesen, die der Fortführung des Geschäftes dienten. Der Umfang der Bevollmächtigung sei hiebei unabhängig von im Innenverhältnis bestehenden Beschränkungen zu prüfen und nach § 1029 ABGB. zu beurteilen. Darnach sei Johanna G. befugt gewesen, das Geschäft als Bevollmächtigte der Masseverwalterin so zu führen, wie dies im allgemeinen geschehe. Kreditgeschäfte seien im Betrieb eines Handelsgewerbes aber nichts Ungewöhnliches, so daß die Gemeinschuldnerin nach außen hin auch zu solchen Geschäften als bevollmächtigt erschienen sei. Aus dem Umstand, daß die Käuferin eine Konkursmasse gewesen sei, habe noch nicht geschlossen werden können, daß die für die Masseverwalterin handelnde Person nur bevollmächtigt gewesen sei, gegen Barzahlung einzukaufen. Eine Prüfung, ob die abgeschlossenen Geschäfte deshalb bereits den Charakter von Bargeschäften verloren haben, weil der Gemeinschuldnerin eine gewisse Stundung faktisch zugestanden worden sei, könne daher entfallen. Eine Feststellung, daß die Klägerin oder ihr Angestellter A. von der internen Anweisung der Gemeinschuldnerin durch die Masseverwalterin Kenntnis gehabt habe, sei nicht getroffen worden. Gemäß § 1017 ABGB. sei daher die durch die Masseverwalterin vertretene Konkursmasse aus allen Geschäften verpflichtet worden, die Johanna G. mit A. abgeschlossen habe. Die Frage, ob A. zum Verkauf an die Konkursmasse ohne sofortige Bezahlung bevollmächtigt gewesen sei, sei rechtlich bedeutungslos, weil in der Geltendmachung der aus diesen Lieferungen für die Klägerin entstandenen Ansprüche eine Genehmigung der von A. abgeschlossenen Geschäfte seitens der Klägerin zu erblicken sei.

Eine Einwendung der Masseverwalterin im Sinne der Unzulänglichkeit der Masse sei nicht erhoben worden; andererseits habe die Klägerin die Unzulänglichkeit der Masse selbst berücksichtigt, indem sie nur einen Teil ihrer Masseforderung leistungsmäßig verlangt und ihre restliche Masseforderung zum Gegenstand eines Feststellungsbegehrens gemacht habe. Auch hinsichtlich der Höhe des Anspruches schloß sich das Berufungsgericht der rechtlichen Beurteilung durch das Erstgericht an. Darnach sei das auf Leistung von 64.000 S s. A. gerichtete Leistungsbegehren zur Gänze berechtigt, das Begehren auf Feststellung einer weiteren Masseforderung jedoch nur hinsichtlich eines Betrages von 119.130.05 S. Von dem begehrten Betrag in der Höhe von 197.130.05 S seien der irrtümlich darin enthaltene Leistungsbetrag von 64.000 S und der von A. bereits als Schadenersatz geleistete Betrag von 14.000 S in Abzug zu bringen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nicht der Lieferant, der an den trotz Konkurseröffnung weitergeführten Betrieb Waren verkauft, hat sich darum zu kümmern, ob sein Geschäftsabschluß dem Ziel des Konkursverfahrens oder den Interessen der Konkursgläubiger dienlich ist. Es wird mangels tieferen Einblickes in die Betriebsführung in den meisten Fällen auch gar nicht beurteilen können, wie sich ein Geschäft, gleichgültig, ob es ein Bar- oder ein Kreditgeschäft ist, auf die Interessen der Konkursgläubiger auswirken könnte. Rechtlich bedeutsam ist auch nicht, ob dem Geschäftspartner die Tatsache der Konkurseröffnung überhaupt bekannt war, denn der Betrieb konnte mit Zustimmung des Konkursgerichtes weitergeführt werden. Im vorliegenden Fall kommt es nur darauf an, ob der Geschäftspartner, also die Klägerin oder der für sie tätige Verkaufsleiter A., annehmen konnten, daß die Gemeinschuldnerin in Stellvertretung der Masseverwalterin bevollmächtigt war, von ihr Ware einzukaufen, die Ware entgegenzunehmen und sie auch zu bezahlen, also alles zu tun, was die übertragene Verwaltung selbst erfordert und was gewöhnlich damit verbunden ist (§ 1029 ABGB.). Daß Stundungen des Kaufpreises bei Einkäufen von Obst und Gemüse nicht außergewöhnlich sind, hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, zumal keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind, die auf eine vom Anfang an getroffene Kreditvereinbarung hinsichtlich einer größeren Kaufsumme schließen ließen. Richtigerweise ist daher davon auszugehen, daß für die Klägerin oder A. nicht erkennbar war, daß die der Gemeinschuldnerin erteilte Verwaltungsvollmacht nur auf Barkäufe beschränkt war und daß sie sich nicht auch auf Kreditkäufe bezog. Der festgestellte Vorgang bei den Kaufabschlüssen läßt jedenfalls nicht die Annahme gerechtfertigt erscheinen, es seien hinsichtlich der Zahlung des Kaufpreises derartige Modalitäten vereinbart worden, die den Umfang einer für solche Geschäfte gewöhnlich erteilten Vollmacht überschreiten würden, was z. B. bei der Vereinbarung eines sich auf mehrere Monate erstreckenden Kreditoperation der Fall gewesen wäre. Abgesehen davon, daß das Vorbringen der Beklagten eine Beurteilung, welchen von diesen zahlreichen Kaufabschlüssen nun reine Bargeschäfte und welchen bereits Kreditvereinbarungen zugrunde lagen, nicht zuließe, ist es angesichts der festgestellten Vorgänge rechtlich nicht bedeutsam, ob nun tatsächlich einzelne Geschäfte noch als Kassageschäfte oder bereits als Kreditgeschäfte zu beurteilen wären, weshalb allen jenen Ausführungen der Revision keine rechtlichen Bedeutung zukommt, die sich um die rechtliche Beurteilung dieser Geschäfte als Kreditgeschäfte bemühen. Der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß aus der faktischen Zugestehung einer gewissen Stundung nicht schon ohne weiters auf den Verlust des Charakters als Bargeschäft geschlossen werden könne, kann ebensowenig entgegengetreten werden, wie daß der Klägerin oder ihrem Erfüllungsgehilfen die Beschränkung des Vollmachtsumfanges auf reine Bargeschäfte nicht schon aus der Natur der Sache heraus bekannt sein mußte. Die Beklagte kann daher auch nicht ihre Haftung mit dem Hinweis darauf ablehnen, beide Vertreter, nämlich die Gemeinschuldnerin und A., hätten ihre Vollmacht überschritten, seien als falsi procuratores anzusehen und sei selbst habe die Geschäftsabschlüsse nicht im Sinne des § 1016 ABGB. genehmigt. Wie die Untergerichte richtig erkannten, bleibt die Masseverwalterin vielmehr zufolge der Bestimmungen der §§ 1017 und 1029 ABGB. aus den in ihrem Vollmachtsnamen von der sonst dispositionsunfähigen Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Geschäften berechtigt und verpflichtet, mag diese die interne, nach außen aber nicht erkennbare Vollmachtsbeschränkung auch nicht beachtet haben. Auf eine Unwirksamkeit des Geschäftes zufolge der Bestimmung des § 3 (1) KO. kann sich die Beklagte schließlich schon deshalb nicht berufen, weil die Geschäfte nicht von der Gemeinschuldnerin im eigenen Namen, sondern als Erfüllungsgehilfin der Masseverwalterin abgeschlossen wurden.

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