OGH 4Ob343/68

OGH4Ob343/686.12.1968

SZ 41/172

Normen

ABGB §1304
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
ABGB §1304
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1

 

Spruch:

Ersatz abgeworbener Arbeitskräfte durch Neueinstellungen als Schadensminderung.

Entscheidung vom 6. Dezember 1968, 4 Ob 343/68.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin beantragte die Verurteilung des Beklagten, er habe dadurch, daß er am 24. November 1962 Arbeitskräfte der klagenden Partei durch das Versprechen und die Gewährung von Geldzuwendungen bewogen habe, die Arbeit bei der klagenden Partei sofort niederzulegen, die guten Sitten im Wettbewerb verletzt, er sei schuldig, ein weiteres Abwerben von Arbeitskräften zu unterlassen und der Klägerin einen Betrag von 64.000 S samt 5% seit dem Klagstag zu bezahlen.

Zur Begründung des Zahlungsbegehrens brachte die Klägerin vor, sie hätte zufolge der Abwerbung von Arbeitskräften durch den Beklagten einen empfindlichen vermögensrechtlichen Schaden erlitten. Sie sei nicht in der Lage gewesen, mit den verbleibenden wenigen Arbeitskräften dem Auftrag des Magistrats der Stadt Wien nachzukommen, bestimmte Arbeiten bis zum 30. November 1962 fertigzustellen. Die bisherige Verrechnung mit dem Magistrat der Stadt Wien ergebe hieraus einen Schaden von mindestens 64.000 S.

Das gesamte Klagebegehren wurde rechtskräftig vom Erstgericht abgewiesen, weil die Klägerin nicht beweisen konnte, daß ihr der Beklagte Arbeiter abgeworben habe.

Die Klägerin erwirkte aber gestützt auf die Wiederaufnahmsgrunde des § 530 (1) Z. 2 und 3 ZPO. die Wiederaufnahme des Verfahrens. Im wiederaufgenommenen Verfahren dehnte die Klägerin das Zahlungsbegehren auf 113.149.87 S aus. Diesen Betrag hätte sie an den Magistrat der Stadt Wien bezahlen müssen. Die Klägerin erklärte auch noch, daß das Schadenersatzbegehren nicht nur auf das UWG., sondern auch auf die allgemeinen Schadenersatzvorschriften des ABGB. gestützt werde. Hierin erblickte das Erstgericht eine Klagsänderung, die es nicht zuließ. Das Rekursgericht behob jedoch diesen Beschluß.

Das Erstgericht gab nun dem Unterlassungsbegehren, das es anders faßte, statt und verurteilte den Beklagten, es zu unterlassen, durch Versprechen und Gewähren von Geldzuwendungen Arbeitskräfte der klagenden Partei zum sofortigen Einstellen der Arbeit bei der klagenden Partei zu veranlassen. Das Zahlungsbegehren wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof hob den abweisenden Teil des angefochtenen Urteils auf und verwies die Rechtssache im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es steht rechtskräftig fest, daß der Beklagte, gegen die guten Sitten verstoßend (§ 1 UWG.), Arbeitskräfte der Klägerin abgeworben hat. Die Klägerin behauptet nun, mit den ihr verbleibenden Arbeitskräften nicht imstande gewesen zu sein, dem Auftrag des Magistrats der Stadt Wien, bis 30 November 1962 bestimmte Arbeiten fertigzustellen, nachzukommen. Daraus sei ihr ein Schaden entstanden, den sie zunächst mit 64.000 S, später mit 113.149.87 S bezifferte. Die Klägerin trifft nun die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß die tatsächlichen Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs vorliegen. Sie ist also dafür beweispflichtig, daß sie einen Schaden in der eingeklagten Höhe erlitten hat und daß dieser durch die sittenwidrige Abwerbung des Beklagten verursacht wurde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Schadenersatz ab, weil die Klägerin nicht behauptet hätte, es sei ihr nicht möglich gewesen, die abgeworbenen Arbeitskräfte durch andere zu ersetzen. Das Berufungsgericht hat sich in diesem Zusammenhang nur unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens beschäftigt und ist zum Ergebnis gelangt, daß die Klägerin ein Vorbringen, sich vergeblich um die Einstellung neuer Arbeitskräfte bemüht zu haben, nicht erstattet habe. Dabei hat aber das Berufungsgericht ebenso wie das Erstgericht verkannt, daß die Beweislast dafür, daß die Klägerin ihre Pflicht, einen drohenden Schaden möglichst gering zu halten (§ 1304 ABGB.), vernachlässigt habe, den Beklagten trifft. Dies hätte vom Berufungsgericht unter dem Berufungsgrund der Unrichtigen rechtlichen Beurteilung aufgegriffen werden sollen. Davon konnte auch nicht deshalb Abstand genommen werden, weil nach der Ansicht der Untergerichte Ende November 1962 wegen der gerichtsbekannten Arbeitslosigkeit im Baugewerbe die Aufnahme von Arbeiten für die Klägerin leicht möglich gewesen wäre. Entscheidend ist im vorliegenden Fall nicht dieses angebliche Erfahrungswissen der Untergerichte. Es kommt vielmehr auf die konkreten Verhältnisse an, wofür der Beklagte beweispflichtig ist, ob nämlich die Klägerin innerhalb der ihr zuzubilligenden Zeit durch die Einstellung von geeigneten Arbeitskräften den Ausfall der ihr abgeworbenen Arbeitskräfte hätte wettmachen können. Vor der Durchführung dieses Beweises müßte allerdings die Klägerin bewiesen haben, infolge des Ausfalls der abgeworbenen Arbeitskräfte einen Schaden erlitten zu haben.

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