Spruch:
Ein Antrag i. S. des § 862 ABGB. ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die dem Vertragspartner gegenüber abzugeben ist.
Das Prozeßvorbringen und die Parteiaussage richten sich an das Prozeßgericht und nicht an den Prozeßgegner; diese Äußerungen sind wohl Willenserklärungen, stellen aber keine rechtsgeschäftliche Willenserklärungen dar.
Entscheidung vom 13. November 1968, 7 Ob 205/68.
I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der auf eine monatliche Unterhaltszahlung im Ausmaß von 20% des jeweiligen Dienst- oder Arbeitseinkommens des Beklagten gerichteten Klage zufolge habe dieser in dem Rechtsstreit, der zur Scheidung der zwischen den Streitteilen bestandenen Ehe führte, erklärt, er werde seine Prozeßgegnerin, obwohl sie in auskömmlichen Verhältnissen lebe, die es ihr gestatteten, eine Eigentumswohnung zu besitzen und ein Auto zu halten, nach der Scheidung der Ehe mit 20% seines Einkommens alimentieren. Als Partei vernommen, habe der nunmehrige Beklagte im Ehescheidungsprozeß ausgesagt, er werde seiner Frau, sobald sie von ihm geschieden sein werde, 25% seines Nettoeinkommens als Unterhalt bezahlen. Entgegen diesen im Scheidungsverfahren abgegebenen Verpflichtungserklärungen weigere sich der Beklagte trotz mehrfacher Aufforderungen seit November 1967 seiner Unterhaltspflicht nachzukommen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt, sich gerichtlich oder außergerichtlich zu einer Unterhaltsleistung an die Klägerin verpflichtet zu haben. Lediglich im Zuge von Vergleichsverhandlungen habe er für den Fall, als die nunmehrige Klägerin ihren Widerspruch gegen die Geltendmachung des Ehescheidungsgrundes nach § 55 EheG. zurücknehmen würde, eine Alimentation zugesagt. Ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch stehe der Klägerin nicht zu, da sie über ein ausreichendes Einkommen verfüge.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:
In dem beim Landesgericht für ZRS. Wien zum AZ. 2 Cg ../66 zwischen den Streitteilen geführten Rechtsstreit wegen Ehescheidung, in welchem die nunmehrige Klägerin als Beklagte und der nunmehrige Beklagte als Kläger auftraten, brachte dessen Anwalt wörtlich vor:
"Für den Fall der Ehescheidung ist der Kläger bereit, die Beklagte weiterhin zu alimentieren und ihr 20% seines jeweiligen Nettoeinkommens zu bezahlen, obwohl die Beklagte in geordneten finanziellen Verhältnissen lebt, die es ihr erlauben, eine eigene Eigentumswohnung und ein eigenes Auto zu halten." In seiner Parteienvernehmung erklärte der nunmehrige Beklagte: "Wie ich schon ausgeführt habe, bekommt meine Frau 25% meines Nettoverdienstes als Unterhalt, welche Leistung ich auch weiter erbringen würde. Ich beziehe mich weiters auf mein Vorbringen vom 14. Juli 1966. Meine Frau hat eine Eigentumswohnung und ein Auto, ich glaube einen Kleinwagen." Diese Parteiaussage sowie das vorstehend wiedergegebene Prozeßvorbringen des Beklagten standen mit Vergleichsgesprächen in keinem Zusammenhang, sondern sollten lediglich die Sachlage nach erfolgter Scheidung der Ehe darstellen. In der Erwartung, daß es nicht dahin kommen werde, nahm die nunmehrige Klägerin im Scheidungsprozeß zu jenen Erklärungen der Gegenseite nicht Stellung. Schon vorher hatte sie betont, sie werde sich nicht scheiden lassen und ihren Widerspruch gegen das Scheidungsbegehren keinesfalls zurückziehen. Nach der Scheidung seiner Ehe mit der Klägerin heiratete der Beklagte abermals. Seine zweite Frau ist berufstätig. Das monatliche Einkommen des Beklagten, der bereits bei Abgabe der in Frage stehenden Erklärungen im Ehescheidungsprozeß für sein Kind zu sorgen hatte, stieg von damals 3400 S auf 4800 S, das der Klägerin von damals rund 2000 S auf nunmehr 2259 S.
Dazu führte das Erstgericht in rechtlicher Beziehung aus, von einem zwischen den Streitteilen zustande gekommenen Unterhaltsvertrag, der allerdings an keine bestimmte Form gebunden wäre, können nicht gesprochen werden, denn ein Vertragsabschluß setze die rechtzeitige Annahme des gestellten Anbotes voraus. Die hier in Frage kommenden Erklärungen aber seien Wissens-, nicht jedoch auf einen Vertragsabschluß abzielende Willenserklärungen. Doch selbst unter der Voraussetzung, daß es sich bei diesen Erklärungen um eine Vertragsofferte handelte, wäre mangels deren rechtzeitiger Annahme die nicht einmal behauptet worden und auch sonst nicht ersichtlich sei, ein Vertrag nicht zustandegekommen. Eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin aber bleibe nach deren Prozeßvorbringen außer Betracht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurück. Indem es seiner Entscheidung den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt als unbedenklich zugrunde legte, vertrat das Berufungsgericht die Rechtsmeinung, daß die Klägerin an den Beklagten einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne der §§ 69 (1), 66 (1 EheG) . allerdings schon deshalb nicht zu stellen habe, weil ihr angemessener Unterhalt durch die Erträgnisse ihrer Erwerbstätigkeit gedeckt werde. Ob ihr aber ein vertraglicher Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten zustehe, hänge von der Bedeutung der seitens des Beklagten im Scheidungsverfahren abgegebenen Erklärungen ab. Diese seien zwar nicht als konstitutives Anerkenntnis eines derartigen Anspruches zu werten, da ja ein solcher im Ehescheidungsprozeß von der nunmehrigen Klägerin gar nicht erhoben worden sei, wohl aber seien sie entgegen der Ansicht des Erstgerichtes als Willenserklärungen anzusehen, und zwar als Anbot an die Klägerin, ihr nach der Scheidung der Ehe weiterhin Unterhalt in der angegebenen Höhe zu leisten. Von bloßen Wissenserklärungen, also von der Wiedergabe von Wahrnehmungen, könne danach keine Rede sein. Sei es doch der primäre Zweck dieser Erklärungen gewesen, die Unbeachtlichkeit des gegen das Scheidungsbegehren erhobenen Widerspruches darzutun. Auch gehe es aus Gründen der Billigkeit nicht an, solche Erklärungen, die dazu geeignet, aber auch darauf angelegt gewesen seien, den Scheidungsrichter bei der Beurteilung der Beachtlichkeit des Widerspruches zu beeinflussen, als bloße Wissenserklärungen abzutun. Es frage sich daher, ob die Klägerin jenes Angebot im Hinblick auf § 862 ABGB., der das Erfordernis der sofortigen Annahme einer unter Anwesenden gestellten Offerte normiere, rechtzeitig angenommen habe. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, daß eine sofortige Annahme des Anbotes durch die Klägerin mit ihrem im Scheidungsverfahren eingenommenen Prozeßstandpunkt, nämlich mit ihrem Widerspruch gegen die begehrte Ehescheidung, unvereinbar gewesen wäre. Wollte man sie nicht um ihre damalige Prozeßchance bringen, so habe man ihr eine Annahmefrist bis nach Rechtskraft des Scheidungsurteiles zubilligen müssen. Der Klägerin sei es daher möglich gewesen, das Angebot des Beklagten innerhalb angemessener Frist nach der am 17. Oktober 1967 an ihren Anwalt vorgenommenen Zustellung des Revisionsurteiles, womit die Ehe rechtskräftig geschieden worden sei, anzunehmen und so den vom Beklagten vorgeschlagenen Vertrag abzuschließen. Nun sei aber die vorliegende Unterhaltsklage erst am 19. Februar 1968, somit erst nach Ablauf einer angemessenen Annahmefrist, eingebracht worden. Dennoch lasse sich bei der derzeitigen Aktenlage eine rechtzeitige Offertannahme durch die Klägerin nicht ausschließen, wenn die Klagsbehauptung zutreffen sollte, daß sich der Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung seit November 1967 weigere, seiner Verpflichtung zur Leistung des umstrittenen Unterhaltes nachzukommen. In einer solchen Aufforderung wäre eine schlüssige Annahme des Anbotes durch die Klägerin gelegen. Darüber werde das Erstgericht die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Sache zu neuer Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Soweit der Rekurswerber geltend macht, daß eine Unterhaltsvereinbarung von der Art, wie sie das Berufungsgericht als möglich annimmt, einen Schenkungsvertrag zwischen Ehegatten darstellen würde und daher der Form eines Notariatsaktes bedürfte, setzt er sich allerdings in Widerspruch zur herrschenden Judikatur, die den Notariatszwang für Unterhaltsverträge nach § 80 EheG. verneint (EvBl. 1956 Nr. 311, 2 Ob 517/58 u. a.). Im übrigen wird in den Rekursausführungen die Auffassung des Berufungsgerichtes bekämpft, daß der Beklagte im Scheidungsverfahren Willenserklärungen über Unterhaltszahlungen an die Klägerin abgegeben hätte und daß die letztere ein ihr vom Beklagten gestelltes Offert solcher Leistungen rechtzeitig angenommen haben könnte. Diese Erörterungen sind indes gegenstandslos, weil das fragliche Anbot überhaupt nicht vorliegt. Ein Antrag im Sinne des § 862 ABGB. ist seiner Natur nach eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die den Vertragspartner gegenüber abzugeben ist (vgl. Gschnitzer Klang[2] IV 50 Abs. 2, 52 Abs. 1; ebenso Gschnitzer, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechtes S. 147 II.). Das Prozeßvorbringen des nunmehrigen Beklagten im seinerzeitigen Scheidungsprozeß und auch seine Parteiaussage richteten sich nicht an die Prozeßgegnerin, sondern an einen Dritten, nämlich das Prozeßgericht. Daran ändert nichts, daß gleichzeitig auch die Klägerin als Prozeßbeteiligte von den Behauptungen des Beklagten Kenntnis erlangte. Diese Äußerungen waren als Parteivorbringen bzw. Parteiaussage Prozeßhandlungen und ihrem Inhalte nach wohl auch Willensäußerungen, nicht aber rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, da sie als prozessuale Vorgänge den Willen zum Abschluß eines Rechtsgeschäftes nicht erkennen lassen (vgl. Gschnitzer in Klang[2] a. a. O. 7 Abs. 3; EvBl. 1961 Nr. 450). Die Abweisung des Klagebegehrens durch das Erstgericht erweist sich demnach im Ergebnis als begrundet, weshalb die vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltene Verfahrensergänzung unterbleiben kann.
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