OGH 5Ob123/68

OGH5Ob123/6819.6.1968

SZ 41/74

Normen

ABGB §364 (2)
ABGB §364b
ABGB §364 (2)
ABGB §364b

 

Spruch:

Der Besitzer des vertieften Grundstückes muß die zur Befestigung des Bodens oder des Gebäudes des Nachbarn von ihm gemäß § 364b ABGB. errichtete Stützmauer instandhalten.

Entscheidung vom 19. Juni 1968, 5 Ob 123/68.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz; Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes 343 der EZ. 622/II KG. H., bestehend aus einem Wohnhaus, einer Waschküche und einer vom Kläger im Jahre 1954 erbauten Pension sowie einem östlich davon auf einem steilen Hang gelegenen Garten. Die Beklagten sind seit 1936 zu je einem Drittel Miteigentümer des Grundstückes 1525/4 der EZ. 1288/II, KG. H. Die Nordgrenze des Grundstückes 1525/4 fällt mit einem Teil der südlichen Grenze des Gartens des Grundstückes 343 zusammen. Gegenüber dem ziemlich ebenen Grundstück 1525/4 ist das Grundstück 343 durchschnittlich 3 Meter erhöht, sodaß in der Natur ein Geländeabsatz deutlich zu erkennen ist. Auf diesem zum Grundstück 1525/4 gehörenden Geländeabsatz steht seit vielen Jahrzehnten eine Stützmauer, die errichtet worden ist, als durch die Einebnung des Grundstückes 1525/4 für dieses mehr Raum geschaffen worden ist. Vor der Errichtung der Mauer sind die beiden Nachbargrundstücke auf einem Hang gelegen. Anfang Februar 1960 ist die im Bereich des zum Grundstück 343 gehörigen Gartens befindliche Stützmauer zum Teil eingestürzt und die Mauerreste liegen nun auf dem Grundstück 1525/4. Der Einsturz des restlichen Teiles der Stützmauer steht bevor. Im Bereich der eingestürzten Stützmauer sind zirka 4 m3] Erdreich vom Grundstück 343 auf das Grundstück 1525/4 abgerutscht und es ist zu erwarten, daß weitere 5 bis 6 m3] Erdreich abrutschen werden, falls nicht eine genügende Befestigung vorgenommen wird. Das Wasser der auf dem Grundstück 343 befindlichen Quelle ist in Richtung Stützmauer frei gelaufen, als die Stützmauer zusammengebrochen ist. Der Zusammenbruch der Stützmauer ist in erster Linie auf schwaches und schlechtes Material zurückzuführen. Eine Mitursache ist die Durchfeuchtung des Betons durch das Hangwasser.

Der Kläger stellte das Begehren auf Feststellung, daß wegen teilweisen Zusammenbruches und teilweiser Baufälligkeit der entlang der Grundparzelle 1525/4 und der Bauparzelle 343 KG. H. befindlichen Stützmauer die Liegenschaft des Klägers, Bauparzelle 343, infolge der künstlichen Vertiefung der Grundparzelle 1525/4 die erforderliche Stütze teilweise ververloren habe und weiter verliere, und darauf, daß die Beklagten schuldig seien, eine genügende Befestigung der Bauparzelle 343 KG, H. binnen drei Monaten herzustellen.

Das Erstgericht gab sowohl dem Feststellungs- als auch dem Leistungsbegehren statt, doch bestimmte es die Leistungsfrist statt mit drei Monaten mit sechs Monaten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge. Es erachtete das Feststellungsbegehren für nicht berechtigt, weil es bloß auf die Feststellung eines rein tatsächlichen Vorganges gerichtet sei. Deshalb änderte das Berufungsgericht die Entscheidung hinsichtlich der Feststellung in eine Abweisung ab. Es ergebe sich aus der heutigen Geländebeschaffenheit, daß durch das Abgraben der ursprünglich vorhanden gewesenen Hangböschung seitens irgendwelcher Vorbesitzer der Beklagten der natürliche Hangverlauf geändert und die erforderliche Stütze der ansteigenden Parzelle des Klägers durch die Stützmauer geschaffen worden sei. Wer dies vor vielen Jahrzehnten durchgeführt habe, sei ohne jede Bedeutung. Daß die Mauer im Eigentum der Beklagten stehe und das Gelände hinter, bzw. oberhalb der Stützmauer dem Kläger gehöre, sei nicht mehr streitig. Das Ausmaß des vom Grund des Klägers abgerutschten Erdmaterials sei nicht von wesentlicher Bedeutung, doch sei die festgestellte Menge des abgerutschten Erdmaterials von 4 m3] jedenfalls nicht geringfügig. Daß sich im Laufe eines langen Zeitraumes infolge gänzlichen Zusammenbruches der Mauer und Abrutschens weiteren Geländes vom Grund des Klägers von selbst wieder eine natürliche Böschung bilden würde, berühre den Anspruch des Klägers nicht, weil dieser Anspruch auf Erhaltung des bestehenden Zustandes seines Grundstückes habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Besitzer eines Grundstückes, der es vertieft, hat gemäß § 364b ABGB. nicht nur für genügende Befestigung des Bodens des Nachbargrundstückes zu sorgen, sondern auch für die Wiederherstellung der erforderlichen Stütze, wenn diese aus irgendeinem Grund nicht mehr die genügende Befestigung aufweist (vgl. Klang - Komm.[2], II S. 178, vor Anm. 11 zu § 364b ABGB.). Die Verpflichtung zur Herstellung der erforderlichen Stütze oder genügenden Befestigung ist eine nachbarrechtliche Ausgleichsverpflichtung, ohne daß ein Verschulden erforderlich wäre. Dasselbe gilt für den Wiederherstellungsanspruch des Nachbarn.

Was das Hangwasser anlangt, also das in den Grund versickerte oder unter der Erdoberfläche rinnende Wasser, mußte dieses nach den Feststellungen nicht durch die Drainagelöcher in der Stützmauer geleitet werden. Es besteht überhaupt keine Verpflichtung, ein Hangwasser bzw. eine Hangquelle einzufangen. Kein Grundstückseigentümer ist verpflichtet, den natürlichen Wasserablauf zu verändern, damit das Wasser nicht auf das Nachbargrundstück komme. Soweit daher dieses Hangwasser in Richtung der Stützmauer geflossen ist, handelt es sich dabei um keine unzulässige Immission.

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