Spruch:
Eine Klausel im Testament, wonach der - im Testament nicht bedachte - Vater durch die Erbschaft der Kinder in seiner Unterhaltsverpflichtung nicht entlastet werden soll, vermag die Heranziehung der Bestimmung des § 150 ABGB. nicht auszuschließen.
Entscheidung vom 11. Juni 1968, 8 Ob 141/68.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Barbara B. hat die beiden Minderjährigen Benedikt und Ewald A. testamentarisch zu Erben ihres Vermögens eingesetzt. Sie hat im Testament angeordnet, daß die laufenden Einkünfte aus der Erbschaft bis zur Erreichung der Volljährigkeit der Erben mundelsicher anzulegen sind und daß der eheliche Vater Erich A. hinsichtlich seiner Unterhaltspflicht den Kindern gegenüber durch diese Erbschaft nicht entlastet werden soll. Sie hat in der Person des Rechtsanwaltes Dr. F. einen Testamentsvollstrecker bestellt. Der Nachlaß der Barbara B. wurde den beiden Minderjährigen am 29. Juni 1967 eingeantwortet. Am 30. August 1966 hat der eheliche Vater Erich A. den Antrag gestellt, ihm zur teilweisen Deckung der Ausgaben für die Erziehung der beiden Kinder monatlich einen Betrag von 3000 S aus dem Vermögen der Kinder freizugeben. Die bereits aus einem anderen Anlaß für die beiden Kinder bestellte Kollisionskuratorin Dr. Ingrid Z. hat sich am 28. Oktober 1966 dahin geäußert, daß sie dem verfrühten Antrag nicht zustimmen könne.
Das Erstgericht hat dem Vater der beiden Kinder, beginnend ab 1. September 1966 bis vorläufig 31. August 1968, einen Betrag von monatlich 3000 S aus dem Vermögen der Kinder zur teilweisen Deckung des Aufwandes für deren Betreuung und Erziehung bewilligt.
Das Rekursgericht hat dem Rekurs des Testamentsvollstreckers Dr. F. Folge gegeben. Es hat den Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und dem Erstgericht eine nach Verfahrensergänzung zu fällende neuerliche Entscheidung aufgetragen. Es war der Ansicht, daß die Erblasserin mit der Klausel im Testament, wonach der eheliche Vater durch die Erbschaft seiner Söhne in seiner Unterhaltsverpflichtung nicht entlastet werden solle, die Anwendung der Bestimmung des § 150 ABGB. ausgeschlossen habe, wonach die Kosten der Erziehung eines Minderjährigen aus den Einkünften seines Vermögens zu bestreiten seien. Diese Anordnung sei wirksam, solange der Vater imstande sei, seinen Kindern den anständigen Unterhalt gemäß § 141 ABGB. zu leisten. Ob letztere Voraussetzung vorliege, sei noch zu klären.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des ehelichen Vaters Erich A. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Rechtsmittelwerber kann darin gefolgt werden, daß die Klausel im Testament, wonach der Vater durch die Erbschaft der Kinder in seiner Unterhaltsverpflichtung nicht entlastet werden soll, die Heranziehung der Bestimmung des § 150 ABGB. nicht auszuschließen vermag. Der eheliche Vater ist nicht einer der im Testament Bedachten. Die Erblasserin konnte daher nicht Anordnungen zu seinen Lasten treffen. Insbesondere konnte sie, entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes, nicht zu seinen Lasten die Anwendung der Bestimmung des § 150 ABGB. ausschließen, die den Gesetzesbefehl des § 141 ABGB. dahin einschränkt, daß zur Bestreitung der Kosten der Erziehung eines Kindes - auch gegen dessen Willen - zunächst das Einkommen des Kindes herangezogen werden darf (vgl. Klang - Komm.[2] I/2 S. 79 bei Anm. 6). Das gilt allerdings nur hinsichtlich der Einkünfte des Kindes und nicht etwa auch hinsichtlich des Stammvermögens des Kindes (vgl. Klang - Komm.[2] I/2 S. 81 bei Anm. 23). Wenn daher die Ausführungen im Revisionsrekurs, die Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes beziehe sich auf das Vermögen der Kinder und nicht auf die Einkünfte aus diesem Vermögen, dahin auszulegen sein sollten, daß der Vater gar nicht auf die Einkünfte, sondern auf das Stammvermögen der Kinder greifen wolle, so könnte seinem Antrag, falls er nach seinen Vermögens- und Einkommensverhältnissen zur Unterhaltsleistung imstande wäre, schon aus diesem Gründe kein Erfolg beschieden sein.
Falls jedoch der Vater die Heranziehung der Einkünfte aus dem Vermögen der Kinder zur Deckung der Kosten der Erziehung der Kinder anstreben sollte, könnte seinem Antrag im Hinblick auf die Bestimmung des § 150 ABGB. insoweit, als die Einkünfte aus dem Vermögen reichen, Berechtigung zukommen. In diesem Falle wird nach neuerlicher Anhörung des Kollisionskurators und Klärung der Frage, ob und inwieweit der vom Vater begehrte Zuschuß in den Erträgnissen des Vermögens der Kinder Deckung findet, über den Antrag des Vaters neuerlich zu entscheiden sein.
Die Ausführungen im Revisionsrekurs, der Testamentsvollstrecker sei zur Erhebung des Rekurses gegen den in der vorliegenden Pflegschaftssache ergangenen Beschluß des Erstgerichtes gar nicht legitimiert gewesen, weil der Testamentsvollstrecker nach Einantwortung des Nachlasses auf den Rechtsweg gewiesen sei, sind unzutreffend. Daß die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers nicht mit der Einantwortung ihr Ende gefunden hat, wird auch im Revisionsrekurs nicht bestritten. Im Hinblick auf den im Testament ausgesprochenen Willen der Erblasserin, daß der eheliche Vater nicht durch die Erbschaft der Kinder in seiner Unterhaltsverpflichtung entlastet werden soll, gehört es zum Aufgabenbereich des Testamentsvollstreckers, auch in der vorliegenden Pflegschaftssache darüber zu wachen, daß dieser Wille der Erblasserin so weit als möglich zum Durchbruch kommt.
Dem Revisionsrekurs war daher im Ergebnis der Erfolg zu versagen.
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